Im BlickfeldNachhaltigkeit

Nach dem Gebäudeenergiegesetz ist vor der EU-Gebäuderichtlinie

Derzeit wird die EU-Gebäuderichtlinie neu verhandelt, die zu einem erheblichen Finanzierungsbedarf der Wohnwirtschaft führen dürfte. Das führt zu Überlegungen, bei der Kreditvergabe Faktoren einzuführen, die grüne Finanzierungen begünstigen.

Nach dem Gebäudeenergiegesetz ist vor der EU-Gebäuderichtlinie

Nach dem GEG ist vor der neuen EU-Gebäuderichtlinie

Gewaltige Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen von Wohngebäuden rufen nach neuen Kreditregeln. Im Mittelpunkt der Vorschläge steht der Energieausweis.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Während Deutschland noch über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) streitet, wird in Brüssel mit der Novelle der EU-Gebäuderichtlinie schon die nächste Stufe verhandelt, die zu einem weiteren erheblichen Finanzierungsbedarf der Wohnwirtschaft führen dürfte. Das Vorhaben dreht sich weniger um Heizungen, sondern um die allgemeine Energieeffizienz von Wohnungen und Häusern. Die neuen Vorschriften für die zu erreichenden Energieeffizienzklassen betrifft je nach Gebäudetyp 30 bis 50% aller Immobilien. Angesichts des immensen Sanierungsvolumens denkt man darüber nach, die Nachhaltigkeit in der Kreditvergabe neu zu fassen und dabei grüne Faktoren einzuführen.

Neue Herausforderungen für die Branche

Aktuell gilt die EU-Gebäuderichtlinie aus dem Jahr 2018, zu der die EU-Kommission im Dezember 2021 den Entwurf für eine Novelle vorgelegt hat. Derzeit wird in Brüssel an einer Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie gearbeitet. Mit der Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) und der geplanten Vereinheitlichung der Effizienzklassen kommen neue Herausforderungen auf die Wohn- und Immobilienbranche zu.

Derzeit läuft die letzte Phase des Gesetzgebungsprozesses. Im Trilog müssen die europäischen Institutionen einen Kompromiss für die Regulierung finden. Geplant ist, dass eine Sanierungspflicht für Häuser und Gebäude der schlechtesten Klassen kommen soll. Allerdings soll es für die Einstufung der Häuser keine einheitlichen Grenzwerte geben, sondern diese sollen sich nach unterschiedlichen Kriterien im jeweiligen Land richten. Damit will die EU vermeiden, dass Länder durch eine allgemeingültige Einstufung überlastet werden.

Im Mittelpunkt der Vorschläge steht der Energieausweis bzw. die Einstufung in Klassen auf der Skala von A bis G. Die Energieeffizienzklasse A+ entspricht heute einem KfW-Effizienzhaus 40. Ziel für den Bestand sind die Energieeffizienzklasse D (sehr gut sanierte Altbauten) und E (z.B. Standard bei Einfamilienhäusern). Auf Dauer nicht mehr akzeptiert würden nach den derzeitigen Plänen die Energieeffizienzklasse F (modernisierte Altbauten), G (rudimentär gedämmte Altbauten) und H (unsanierte Altbauten).

Zweierlei Maß

Geplant ist, dass Wohngebäude bis 2030 mindestens die in jedem Land jeweils neu zu definierende Effizienzklasse E und bis 2033 die Klasse D erreichen müssen.  Heute bestehen extrem große Unterschiede bei der Definition der Gebäudeeffizienzklassen zwischen den Staaten in der Europäischen Union. Gebäude, die in Straßburg der Effizienzklasse B entsprechen, sind wenige Kilometer entfernt in Offenburg als C klassifiziert.

Laut Schätzungen der Förderbank KfW könnte der angestrebte klimaneutrale Umbau der Gebäude allein in Deutschland 254 Mrd. Euro kosten. Betroffen von der Sanierungspflicht wären hierzulande rund 4,9 Millionen Gebäude bis 2030 und weitere 2,5 Millionen Gebäude bis 2033. Bei einem Einfamilienhaus kommen dabei oft Kosten von 80.000 bis 100.000 Euro zusammen.

Doppelte Belastung

Bevor es zur Neufassung der EPBD kommt, werden auf nationaler Ebene die Belastungen durch das GEG kommen. „Mit der Novelle des GEG wird der Finanzierungsbedarf von vielen Haushalten nochmals steigen“, sagt Christian König, Hauptgeschäftsführer des Verbands der privaten Bausparkassen. Es müssten schon durch GEG-Vorgaben große Mittel für Investitionen mobilisiert werden. Der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen weist darauf hin, dass auf der Verbraucherseite in sanierten Gebäuden Heizkosten und CO2-Emissionen gesenkt und der Immobilienwert erhöht werden – „allerdings zu Kosten, die erst einmal gestemmt werden müssen“.

Dass die gewaltigen Summen durch nationale und europäische Vorgaben nicht allein privat finanziert werden können, ist den Beteiligten klar. Die EU plant auch Fördergelder für die Sanierungspflicht, die Rede ist von etwa 150 Mrd. Euro bis 2033. Aus Sicht von König geht die Regulierung im Bereich der energetischen Sanierung aber damit immer noch zu schnell. Zwar habe die Bundesrepublik die Pariser Klimaziele akzeptiert. „Die neuen Vorgaben führen allerdings dazu, dass viele Menschen nicht wissen, was sie machen sollen. Finanziell wird das für viele schmerzhaft sein und es ist viel Geld in die Hand zu nehmen“, sagt er.

Erhebliche Kraftanstrengung

Die Förderbanken bewerten das Vorhaben ebenfalls skeptisch. Antje Engel, Abteilungsleiterin Immobilienfinanzierung der Hamburgischen Investitions- und Förderbank, spricht von erheblichen Kraftanstrengungen. Und das nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch auf der Ressourcenebene bei Beratungsleistungen, Verfügbarkeit von Fachkräften und Anlagen sowie Baumaterial.

Die geplante Novelle der EU-Gebäuderichtlinie und die Umsetzung der neuen Energiesparvorgaben wird ohne übergreifende Finanzierungskonzepte und neue Ansätze zur nachhaltigen Kreditvergabe kaum möglich sein. „Der Erfolg der jeweiligen Gesetzgebung wird sich an der Finanzierungsfrage entscheiden. Je nachdem, wo man sich befindet und wie es vor Ort aussieht, muss es unterschiedliche Instrumente geben“, sagt der Europaparlamentarier Andresen auch mit Blick auf Menschen, die sich hohe Investitionskosten gar nicht leisten können. „Es muss Ausnahmen geben oder sie müssen von staatlicher Seite unterstützt werden. Das ganze Projekt muss sozial funktionieren.“

Für die Finanzbranche als Anbieter von Krediten und Finanzierungen geht es aus Sicht von Christian König auch darum, dass die Politik den Beitrag einer solchen Regulierung zum Klimaschutz besser sichtbar macht. „Dafür muss zuallererst Transparenz über den Ist-Zustand herrschen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbands privater Bausparkassen. Transparenz sei insbesondere durch die Einführung eines neuen Energieausweises, der sich am CO2-Ausstoß orientiert, herzustellen. Für die Kreditgeber energetischer Sanierungen sei dabei die Überführung des Energieausweises in ein elektronisches Energieausweiskataster wichtig, das für Kreditinstitute zugänglich ist.

Kreditvergabe steuern

Bei den bestehenden Regularien zur nachhaltigen Kreditvergabe darf es nach Einschätzung vieler Marktbeobachter nicht bleiben. Angesichts der großen Summen wird über Erleichterungen für grüne Kredite neu nachgedacht. „In den nächsten Schritten müssen wir uns die Finanzgesetze auf europäischer Ebene anschauen. Vor dem Hintergrund sollte man stärker differenzieren zwischen grünen Zielsetzungen und klassischen Bankgeschäften“, sagt Andresen.

Auch für König wäre eine Anpassung der bankaufsichtsrechtlichen Regeln bei nachhaltigen Finanzierungen, etwa über einen eigenkapitalprivilegierenden Faktor, ein sinnvoller Weg, um Kapital zu mobilisieren und grüne Finanzierungen zu erleichtern. Es gehe um die Sanierung und Finanzierung von großen Wohnungsbeständen und nicht nur des Neubaus, beschreibt König die Dimension der Aufgabe, die mit kleinen Regulierungsschritten nicht ausreichend unterstützt würde.

Ein weiterer Aspekt der EU-Gebäuderichtlinie ist der Einfluss auf staatliche Unterstützung von nachhaltigen Investments. Aus Sicht von König ist klar, dass die Umsetzung der geplanten EU-Gebäuderichtlinie ein europäischer Kraftakt sei und man nicht alles über Förderbanken regeln könne. „Wir müssen auch auf den Markt setzen.“

Andresen ruft nach EZB

Aus Sicht von Andresen ist angesichts der EU-Gebäuderichtlinie und des großen Finanzierungsbedarfs selbst die Politik der EZB infrage zu stellen: „Die japanische Zentralbank privilegiert über günstigere Zinssätze Finanzierungen von grünen Investitionen. Davon ist man in Europa noch weit entfernt, aber man sollte sich darüber Gedanken machen.“

Ende 2021 hatte die Bank of Japan ein Kreditprogramm initiiert, das Kreditgeber bei Projekten etwa im Bereich erneuerbare Energien unterstützt. Das Programm bietet Anreize für Investitionen in grüne Initiativen. Um an dem Programm teilnehmen zu können, müssen die Finanzinstitute festgelegte Offenlegungsanforderungen in Bezug auf den Klimaschutz erfüllen. Von solchen Programmen in man in Europa noch weit entfernt.

Neu: ESG PRO
Jetzt weiterlesen mit ESG PRO
Alle Artikel zu ESG-Themen in der Börsen-Zeitung
1 Monat für nur 1 € testen
Danach im günstigen Einführungsangebot:
6 Monate für nur 34,90 €