Unklare Regeln für grüne Kredite verunsichern Banken
Unklare Regeln für grüne Kredite verunsichern Banken und Unternehmen
Viele Kreditinstitute entwickeln eigene Green Lending Frameworks – KPMG-Partner warnt vor Green Washing in unreguliertem Bereich
wbr Frankfurt
Von Wolf Brandes, Frankfurt
In einigen Fällen würden sich diese Rahmenbedingungen stark an die Taxonomie anlehnen, während andere Frameworks weiter gefasst sind in Richtung Sustainable Finance, so die Einschätzung von Christoph Betz, Partner Financial Services bei KPMG. „Es fehlt ein einheitlicher Ansatz. Die Rahmenbedingungen im Bereich von Green Loans sind weitgehend unreguliert.“
Eindeutige Kommunikation
Auch wenn es kaum vorstellbar ist, dass ein wichtiger Bereich wie grüne Kredite nicht durch die EU reguliert ist, so müssen die Banken das zur Kenntnis nehmen und selbst aktiv werden. Dazu finden sich beispielsweise Hinweise im Nachhaltigkeitsbericht der Helaba, der Anfang Juli veröffentlicht wurde. „Um über Mindestanforderungen hinaus mit unseren Finanzierungen lenkend im Sinne der Nachhaltigkeit zu wirken, haben wir 2022 ein Sustainable Lending Framework implementiert. Während eine einheitliche, gesetzlich verbindliche Definition von Nachhaltigkeit weiter auf sich warten lässt, wollen wir in unserem Verständnis – und in der Kommunikation mit unseren Kunden eindeutig sein.“
Die Bank arbeitet in dem Segment mit einem umfassenden Kriterienkatalog und einer gruppenweit einheitlichen Methode. „Damit ist das Lending Framework ein zentrales Instrument dafür, den Anteil unseres nachhaltigen Geschäftsvolumens bis 2025 entsprechend unserem strategischen Ziel auf 50% zu steigern“, unterstreicht die Helaba die Bedeutung von Green Loans für das ESG-Geschäft der Bank insgesamt. Das Problem: Während die Helaba das Thema mit ihren Kunden klar und eindeutig regelt, sehen die Werke anderer Banken anders aus.
Kunden sind verunsichert
Nicht nur Banken sind verunsichert, auch deren Kunden. „Was wir beobachten, ist, dass es auf der Corporate-Seite eine große Verunsicherung gibt. Viele Unternehmen wissen nicht, was sie tun müssen, um an Green Loans zu kommen“, sagt Betz und stellt fest, dass diese Vielzahl von Ansätzen es den Firmenkunden schwermachen.
Bei grünen Krediten geht es aus Sicht der Bank und ihrer Kunden nicht nur ums Geld, also die Konditionen. Der Zinsvorteil bei Green Loans sei überschaubar gegenüber herkömmlichen Krediten, die Renditeunterschiede von Green Bonds zu normalen Bonds sind zu vernachlässigen, so der KMPG-Berater. Konditionen würden erst dann ein entscheidender Punkt, wenn die Banken ein ökonomisches Kalkül hätten, grüne Finanzierungen günstiger anzubieten. „Solange sie sich nicht günstiger refinanzieren, gibt es das nicht. Aus Sicht der Unternehmen sind Green Loans aber auch ein Marketinginstrument“, sagt Betz.
Eine weitere Hürde bei Green Loans sind die Art der Projekte und Finanzierungen. Mit Bezug auf das definitorische Rahmenwerk der Taxonomie gibt es in der Branche nur wenige Vorhaben, die sich dafür eignen. „Spannender sind Finanzierungen im Segment Sustainable Finance allgemein, also wenn es generell um Nachhaltigkeit geht. Hier finden sich schon viele Möglichkeiten für ESG- und Sustainability-Linked-Loans“, so die Einschätzung von Betz.
Sehr detaillierte Regeln
Wie komplex ein Gree Lending Framwork zeigt sich am Beispiel der Commerzbank. Deren ESG-Rahmenwerk umfasst 60 Seiten. Prüfschema und Kriterien „unter Berücksichtigung der neuesten Praktiken zur Klassifizierung nachhaltiger Finanzen“ finden sich im allgemeinen Teil. Dann wird definiert, was im Sinne der Frameworks geht und was nicht. Dabei geht es bei der Beschreibung der zu finanzierenden Projekte ins Detail.
Ein negatives und ein positives Beispiel von zahllosen Definitionen: Im Kapitel zu Energie sind „nicht zurechenbar“ Energiespeichersysteme, die an das Netz angeschlossen seien, aber im Wesentlichen Strom aus fossiler Erzeugung speichern oder nicht der Energiewende dienten. Dagegen seien „zurechenbar“ Energiespeichersysteme, die der Erhöhung der Netzstabilität dienen und somit dazu beitragen, dass mehr erneuerbare Energien an das Netz angeschlossen werden könnten.
Angesichts der Komplexität und der nicht gegebenen regulatorischen Rahmenbedingungen sind Green Loans ein potenzielles Feld von Green Washing. „Die meisten Firmenkunden wissen in Anbetracht der unterschiedlichen Ansätze gar nicht, in welches Cluster sie fallen. Diese Unsicherheit und die fehlenden Marktstandards sind gefährlich, das macht den Bereich Green Loans anfällig für Greenwashing“, sagt Betz.
Die „GAR“ ist out
Ein Nebenaspekt von grünen Finanzierungen ist die Green Asset Ratio, die Banken dazu verpflichtet, den nachhaltigen Anteil am Geschäft als Kennzahl zu ermitteln. Taxonomie-konformes Geschäft fließt in die GAR ein, doch das ist ein sehr beschränktes Feld. Die meisten ESG-Aktivitäten qualifizieren sich nicht für die Taxonomie und damit nicht für die GAR. „Das liegt auch daran, dass bestimmte harte Kriterien oft nicht nachgewiesen werden können. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Banken anstreben, ihre GAR zu erhöhen. Die GAR wird aktuell nicht als Steuerungsinstrument angewendet. Und wir erwarten auch nicht, dass sich das kurzfristig ändert. Letztlich kümmert sich derzeit niemand um die GAR“, so das Urteil von KMPG-Experte Betz.
Dekarbonisierung ist Trumpf
Aus seiner Sicht sei es für die Banken viel wichtiger, ihr Portfolio zu dekarbonisieren, also die CO2-Intensität in kritischen Sektoren des Portfolios herunterzufahren. „Das ist aktuell die relevante Steuerungsgröße. Dabei müssen die Banken sehr genau auf ihren Dekarbonisierungspfad achten und auf der Basis zusätzliches Geschäft bewerten.“ Die Frage sei also, wie Banken mit Geschäft umgehen, das dekarbonisierungsschädlich ist.
Auf mittlere Sicht könnte allerdings die Taxonomie ausgeweitet und alle Umweltziele und soziale Aspekte erfassen. Das wäre ein Marktstandard für die Branche – selbst wenn in dem Modell viele Aktivitäten immer noch nicht erfasst wären.
Im Gespräch: Christoph Betz
Grüne Finanzierungen sind für viele Banken noch ein weißer Fleck. Während Nachhaltigkeitsberichterstattung, Transparenz im Sinne von Offenlegung und die Namen von ESG-Fonds im Detail geregelt sind, gibt es viele unterschiedliche Green-Lending-Frameworks von Banken, sagt Christoph Betz, Partner für Financial Services bei KPMG.