Die nachhaltige Dreckschleuder
Die nachhaltige Dreckschleuder
Von Andreas Hippin, London
Das börsennotierte Kraftwerk Drax ist Großbritanniens größter Treibhausgasemittent. Subventioniert wird es mit mehr als 500 Mill. Pfund jährlich.
Die Kühltürme des börsennotierten Kraftwerks Drax dominieren seit den 1960er-Jahren in North Yorkshire die Landschaft. Damals hätte niemand gedacht, dass die Dreckschleuder zum ESG-Vorzeigeunternehmen wird. Dass es so kam, zeigt die begrenze Aussagekraft von Scorecards und zeugt von der Fragwürdigkeit mancher Klimaschutzvorschriften. Drax verfeuerte einst Kohle benachbarter Zechen. Heute wandern Holzpellets in den Ofen.
Drax hat gerade eine Geldstrafe von 25 Mill. Pfund vom Energieregulierer Ofgem erhalten, weil die FTSE-250-Gesellschaft nicht hinreichend belegen konnte, aus welchen Quellen das von ihr verfeuerte kanadische Holz stammt. Das BBC-Politmagazin Panorama hatte behauptet, es stamme aus Primärwäldern.
Alles bestens
Die Aufsichtsbehörde untersuchte die Angelegenheit 15 Monate lang, um schließlich festzustellen, Drax habe die Herkunft des Brennmaterials nicht ordnungsgemäß ausgewiesen. Ofgem fand jedoch keine Hinweise darauf, dass die Biomasse den Nachhaltigkeitsanforderungen nicht entsprochen habe.
Das ist ein Hinweis auf das eigentliche Problem: Drax ist der Klima-Denkfabrik Ember zufolge der bei weitem größte Treibhausgasemittent im Vereinigten Königreich. Im vergangenen Jahr wurden dort 11,5 Mill. t CO2 in die Luft geblasen. Sie gingen nur nicht in die Klimabilanz des Landes ein. Denn Holz ist nach dem Willen der europäischen Klimapolitiker, deren Regelwerke von der britischen Aufsicht übererfüllt wurden, eine erneuerbare Energiequelle.
Natürlicher Kreislauf
Sie argumentieren, dass bei der Verbrennung zwar Treibhausgase freigesetzt werden, die Bäume der Atmosphäre während ihres Wachstums aber auch Kohlendioxid entzogen hätten – ein natürlicher Kreislauf also. Da spielt es keine große Rolle, dass ein Baum lange bräuchte, um die Menge CO2 zu absorbieren, die frei wird, wenn man ihn verbrennt.
Bei Drax kommt erschwerend hinzu, dass ein wesentlicher Teil der verfeuerten Holzpellets aus Kanada stammt und von dort mit dieselgetriebenen Schiffen über den Atlantik transportiert werden muss. Das Unternehmen hatte vor ein paar Jahren die kanadische Pinnacle Renewable Energy erworben, um sich ausreichend Brennstoff zu sichern. Und der Feinstaub? Davon fangen wir gar nicht erst an.
Ein tolles Geschäft
Die Emissionen von Ratcliffe, dem letzten britischen Kohlekraftwerk, das diesen Monat stillgelegt wird, beliefen sich 2023 auf weniger als ein Viertel des Ausstoßes des Vorzeigeunternehmens aus Yorkshire. Trotzdem wird Drax mit mehr als 500 Mill. Pfund jährlich subventioniert. Für die Anteilseigner ist das ein großartiges Geschäft. Drax erhöhte zuletzt die Dividende um 13% und kündigte einen 300 Mill. Pfund schweren Aktienrückkauf an.
Da ist es kein Wunder, dass die Geldstrafe dem Aktienkurs, der sich gerade auf ein Jahreshoch aufgeschwungen hatte, nicht viel anhaben konnte. Das Unternehmen hat große Pläne für die Jahre nach dem Auslaufen der Subventionen. Es will „CO2-negativ“ werden und setzt dabei auf BECCS: Bioenergie mit CO2-Abscheidung und Speicherung. Auch für die dafür erforderlichen Investitionen dürfte der britische Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.
Wird Drax auch unter Labour-Energieminister Ed Miliband derart absahnen? Ihm werden vermutlich auch virtuelle Emissionsreduzierungen recht sein, wenn die unerreichbaren Klimaziele näher rücken.