Unternehmen kommen bei Klimazielen nur zäh voran
Unternehmen kommen bei Klimazielen nur zäh voran
Boston Consulting erkennt aber Fortschritt in der Breite der Wertschöfpungskette – Dax-Liga offenbart große Schere bei Klimafitness
hei Frankfurt
Im Vorfeld der Ende des Monats beginnenden UN-Klimakonferenz wird deutlich, dass sich viele Unternehmen mit umfassenden CO2-Reduktionszielen und entsprechenden Ambitionen und vor allem auch der Messung schwer tun. Dies wird in der jüngsten Erhebung der Boston Consulting Group (BCG) und CO2 AI deutlich, die global unter 1850 verantwortlichen Managern in Unternehmen durchgeführt wurde. Der Studie zufolge sagen bisher nur 10% der befragten Unternehmen, dass ihnen eine umfassende Messung und ein entsprechendes Reporting ihrer Emissionen gelingt. Dies sei keine Verbesserung gegenüber der Vorjahresstudie. Hinzu kommt, dass unter den Befragten die Zahl der Unternehmen, die angibt, die CO2-Emissionen gemäß den eigenen Zielsetzungen zurückgeführt zu haben, um 3 Prozentpunkte auf 14% gesunken ist.
Auch global ist dabei die Messung von Scope 3-Emissionen die größte Herausforderung für die Unternehmen. Aber immerhin registriert BCG hier Fortschritte. Mehr als die Hälfte (53%) der Studienteilnehmer berichtet, dass eine partielle Erfassung dieser Emissionen gelinge, ein Anstieg um 19 Prozentpunkte gegen 2022.Als Grund für die allenfalls zähen Fortschritte verweisen die Unternehmen auf schwierige ökonomische Rahmenbedingungen, fehlenden finanziellen und personellen Spielraum, um bei den Klimazielen schneller voran zu kommen. Allerdings können die Befragten mittlerweile Vorteile für ihre Anstrengungen einschätzen. 40% schätzen den finanziellen Ertrag jenseits von Reputationsgewinnen auf mindestens 100 Mill. Euro im Jahr.
Union Investment bescheinigt in einer Studie zur erreichten CO2-Reduktion und den eigenen ESG-Zielen nur einem Drittel der Dax-Unternehmen eine gute „Klimafitness“. Die Fondsgesellschaft hat die Verringerung der Kohlendioxidemissionen in der ersten Börsenliga seit 2017 unter die Lupe genommen und dabei anders als in vielen bisherigen Studien nicht nur die direkten und indirekten zurechenbaren Emissionen einbezogen, sondern auch die als Scope 3 bezeichneten Belastungen aus Vorprodukten und Endnutzung einbezogen, so das die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet werde, betonte die Gesellschaft. Darüber hinaus wurden die bestehenden Klimaziele sowie ESG-bezogene Anreize in der Vorstandvergütung untersucht.
Im Ergebnis zeigt sich eine äußerst breite Kluft zwischen dem Spitzenreiter Deutsche Telekom und dem Schlusslicht Infineon. Während die Telekom ihre Emissionen seit 2017 insgesamt um 85% reduziert hat, gelang Infineon der Studie zufolge nur ein Minimalrückgang von 2%. Da die effektive CO2-Reduktion nicht das allein entscheidende Kriterium ist, sondern auch ambitionierte Klimaziele und starke Anreize in der Vorstandvergütung gewertet werden, hebt Union Investment das gute Abschneiden von RWE (Platz 2) und Heidelberg Materials (Platz 8) hervor, die beide zu den stärksten CO2-Emittenten im Dax zählen. Im unteren Drittel der Notenskala befinden sich deshalb nicht nur Konzerne wie die Deutsche Börse und Adidas, die ihre Emissionen seit 2017 sogar stark um 94% bzw. sogar 171% ausgeweitet haben, sondern auch Top-Reduzierer wie Zalando oder Hannover Rück, die es aus Sicht von Union Investment an Ambition und noch mehr an Anreizen fehlen lassen.
Die Schere geht aber auch schon bei den Klimazielen weit auseinander. Nur sieben Dax-Unternehmen haben sich der Studie zufolge überhaupt über die gesamte Wertschöpfungskette in so ambitioniertes Ziel gesetzt, dass der CO2-Reduktionspfad schon heute mit dem Deutschen Klimaschutzgesetz übereinstimmt, das Klimaneutralität bis 2045 vorsieht. Eine besondere Schwachstelle sind dabei die Emissionen in den vor- und nach gelagerten Wertschöpfungsstufen (Scope 3). Fast die Hälfte aller Dax-Firmen hat sich nämlich nur Ziele für Scope 1 und Scope 2 gesetzt, wie Jacob Haerle, Nachhaltigkeitsanalyst bei Union Investment und Co-Autor der Studie bemängelt.
Alle hätten das Thema Klima „auf der Agenda“ aber „zu wenige tun bisher genug“, so sein Kollege Johannes Böhm. Bei Scope 3 fällt vom allem das Automobillager auseinander, BMW hat sich hier ambitionierte Ziele gesetzt, VW dem gegenüber nicht.