Interview mitSiegfried Ruhl

„Wir werden unsere grüne Kurve weiter ausbauen“

Die EU wird ihre Kurve von Green Bonds in diesem Jahr weiter ausbauen. Das gibt Siegfried Ruhl, Funding-Verantwortlicher der EU, im Interview der Börsen-Zeitung bekannt.

„Wir werden unsere grüne Kurve weiter ausbauen“

Herr Ruhl, welches Funding-Volumen plant die EU, für 2024 an den internationalen Fixed-Income-Märkten umzusetzen, und wie vergleicht sich das mit 2023?

Wir haben im Dezember des vergangenen Jahres unseren Finanzierungsplan für das erste Halbjahr 2024 vorgestellt und darin Bond-Emissionen in Höhe von 75 Mrd. Euro angekündigt. Damit liegen wir etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Zusätzlich werden wir unser EU-Bill-Programm mit drei- und sechsmonatigen Laufzeiten fortsetzen.

Planen Sie wie andere Emittenten auch, wieder ein Frontload vorzunehmen? Der Januar läuft ja doch recht gut an.

Der Januar ist meist ein guter Emissionsmonat. Investoren haben Anlagebedarf, und das neue Jahr erhöht die Bereitschaft der Markteilnehmer, Positionen einzugehen. Da ist es gut und selbstredend, dass Emittenten mit einem entsprechenden Angebot auf diese Nachfrage eingehen. Unser Finanzierungsbedarf von 75 Mrd. Euro erfordert, dass wir regelmäßig und kontinuierlich am Market aktiv sind. Wie in den Vorjahren haben wir unsere Emissionsfenster daher im Finanzierungsplan gleichmäßig über die erste Jahreshälfte verteilt. Unsere Liquiditätsplanung richtet sich nach den geplanten Auszahlungszeitpunkten, um die Kosten des Liquiditätsmanagements gering zu halten. Gleichzeitig berücksichtigen wir natürlich ebenfalls den Investitionsbedarf unserer Investoren und damit die Aufnahmekapazität des Marktes.

Planen Sie Änderungen in der Laufzeitenstruktur?

In diesem Bereich sind keine Änderungen geplant. Wir werden weiterhin die komplette Laufzeitkurve mit liquiden Bonds versorgen, indem wir bestehende Anleihen aufstocken und neue Anleihen emittieren. Auch das ist Teil unserer Strategie, die EU-Bonds als eine attraktive Alternative zu Staatsanleihen im Markt zu etablieren.

2023 war herausfordernd angesichts des enormen Zins- bzw. Renditeanstiegs an den Märkten. Wie sind Sie auf der Refinanzierungsseite mit diesem Umstand steigender Zinsen bzw. Bondrenditen klargekommen?

Wir haben im vergangenen Jahr etwa 115 Mrd. Euro aufgenommen – sowohl um NGEU zu finanzieren als auch um die Ukraine zu unterstützen. Dabei hat sich die Anfang 2023 eingeführte einheitliche Finanzierungstrategie bewährt. Sie ermöglicht es, den Finanzierungsbedarf verschiedener Programme durch die Emission einheitlicher EU-Bonds abzudecken. Dank der Flexibilität dieses Ansatzes können wir mit unseren Emissionen stets auf die Interessen unserer Investoren eingehen – mit Erfolg: Denn all unsere Emissionen waren mehrfach überzeichnet, manche sogar 23-fach. Wir haben ausschließlich Benchmark-Anleihen begeben und konnten vollständig auf kleinere Privatplatzierungen verzichten. Damit haben wir uns zu einem wichtigen Emittenten entwickeln können. So konnten unsere erfolgreichen Transaktionen selbst in schwierigen Marktsituationen neues Vertrauen schaffen, wie zum Beispiel im März vergangenen Jahres, als der Fall der Silicon Valley Bank und die Probleme bei Credit Suisse die Märkte verunsicherten.

Konnten Sie eine Änderung des Investorenverhaltens in dieser Zeit feststellen aufgrund des Renditeanstieges? Sind asiatische Accounts an das kurze Ende bei Ihnen zurückgekehrt?

Wir sehen grundsätzlich ein gestiegenes Interesse von Investoren außerhalb Europas. Nicht nur aus Asien, sondern auch aus dem Mittleren Osten, Afrika, Kanada und Australien. Dabei beschränkt sich die Nachfrage nicht auf die üblichen Investoren der öffentlichen Hand, wie etwa aus den Bereichen Reserve-Management und Sovereign Wealth Funds. Auch private Investoren aus diesen Regionen, unter anderem Banken, Pensionskassen und Versicherungen, kaufen zunehmend unsere Bonds. Das liegt sicherlich an den attraktiven Renditen, aber ebenso an unserer intensiven Investorenarbeit sowie unseren Bemühungen, die EU näher an den Staatsanleihenmarkt heranzuführen. Dank der Einführung des einheitlichen Finanzierungsansatzes und des Quoting-Systems sowie mit der Einstufung als Kategorie-1-Sicherheit durch die EZB haben wir hier im vergangenen Jahr wichtige Ziele erreicht.

Wie stufen Sie das Zinsniveau der EU-Anleihen in 2023 gegenüber Government Bonds, also gegenüber Bundesanleihen, ein und mit welcher Leitzins- und Renditeentwicklung rechnen Sie in diesem Jahr?

Das Zinsniveau hat sich im Vergleich zu Bundesanleihen und anderen Staatsanleihen mit gutem Rating stabilisiert. Der Markt hat unser hohes Nettoangebot gut aufgenommen, und die Spreads haben sich im Jahresvergleich nicht signifikant verändert. Gleichzeitig zahlten sich unsere Anstrengungen aus, mehr Nachfrage aus dem Staatsanleihen-Segment zu mobilisieren. Relativ betrachtet sind die Spreads weiterhin hoch, wenn man fundamentale Aspekte wie Kreditwürdigkeit und Liquidität berücksichtigt. Deshalb werden wir unsere Bemühungen fortsetzen, unsere Bonds näher an den Markt für Staatsanleihen zu bringen. Die Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus wird stark davon abhängen, inwieweit sich der Rückgang der Inflationszahlen fortsetzt.

Wie ist der Green-Bond-Auftritt der EU 2023 insgesamt gelaufen?

Im vergangenen Jahr haben wir unserer Green-Bond Programm weiter ausbauen und das Volumen der ausstehenden Bonds auf fast 50 Mrd. Euro bringen können. Dabei haben wir uns an den klimarelevanten Ausgaben orientiert, die unsere Mitgliedstaaten gemeldet haben. Diese erzielen Wirkung, wie die Veröffentlichung des ersten „NGEU Green Bonds Allocation and Impact Report“ beweist, den der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn Anfang Dezember bei der Weltklimakonferenz in Dubai vorgestellt hat. Dieser Bericht beziffert präzise und basierend auf den aktuellen Standardmethoden des Markts den Effekt der grünen Ausgaben, die in den nationalen Aufbauplänen festgelegt sind. Demnach können wir den Ausstoß an Treibhausgasen in der EU dauerhaft um 44 Millionen Tonnen jährlich reduzieren. Das entspricht etwa 1,2% der gesamten Treibhausgasemissionen der EU – oder zur besseren Einordnung: den jährlichen Emissionen von mehr als vier Millionen Haushalten. Das ist ein wichtiger Beitrag zu unseren Bemühungen hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft.

Was planen Sie im Bereich der Green Bonds und Social Bonds der EU in diesem Jahr?

Wir werden die Emission von grünen Anleihen weiter fortsetzen und unsere grüne Kurve weiter ausbauen. Zusammen mit unserem Finanzierungsplan haben wir deshalb angekündigt, dass wir im ersten Halbjahr eine neue grüne Anleihe mit langer Laufzeit begeben wollen. Unser Social-Bond-Programm zur Finanzierung von Sure ist abgeschlossen.

Wie tritt die EU 2024 an den Märkten auf: Welche Anzahl von Auktionen gibt es, was kommt über Syndikate?

Wir werden unseren Marktauftritt im „Staatsanleihen-Stil“ fortführen und weiter ausbauen. Für das erste Halbjahr haben wir sechs syndizierte Emissionen und sieben Auktionen angekündigt. Damit werden wir auch den Anteil der Emissionen, der über Auktionen begeben wird und im vergangenen Jahr bei etwa 40% lag, weiter ausbauen. So stärken wir die Sekundärmarktliquidität unserer Anleihen.

Sie planten ein Quoting-System für Primary Dealers in 2023. Was ist daraus geworden?

Seit November vergangenen Jahres quotieren unsere Primary Dealers die EU-Bonds auf zwei elektronischen Handelsplattformen. Das Quoting-System hatte dabei einen sehr guten Start. Etwa 25 Primary Dealer quotieren täglich unsere Bonds. Im ersten Monat wurden dabei EU-Bonds im Volumen von mehr als 20 Mrd. Euro gehandelt. Das entspricht einem durchschnittlichen Umsatz vom fast 1 Mrd. Euro am Tag. Mit der Einführung des Quoting-Systems haben wir einen weiteren wichtigen Meilenstein erreicht, um den Markt für EU Bonds weiterzuentwickeln. Das unterstützt nicht nur die Sekundärmarktliquidität unserer Anleihen, sondern es verbessert für unsere Investoren auch die Qualität sowie die Transparenz der Marktpreise.

Was ist der Stand bei dem angedachten Repo-Projekt der EU für 2024?

Wir haben im vergangenen Jahr angekündigt, dass wir im Sommer 2024 in der Lage sein wollen, aktiv am Repomarkt teilzunehmen. Bisher ist das Projekt im Zeitplan und wir halten an unserem Ziel fest, von diesem Sommer an unseren Primary Dealern Liquidität in EU-Bonds zur Verfügung stellen zu können. Damit greifen wir auch das Feedback aus der Investorenbefragung des vergangenen Jahres auf, die eine Weiterentwicklung des Repomarktes für EU-Bonds angeregt hatte. Deshalb arbeiten wir nun daran, die Nutzung von EU-Bonds als Sicherheit für Repogeschäfte zu bewerben. Das ist umso wichtiger, weil viele Sicherheitenvereinbarungen im Repo- oder Tri-Party-Repomarkt noch zu einer Zeit geschlossen wurden, als die EU ein kleiner und weniger liquider Emittent war und deshalb nicht in den Vereinbarungen berücksichtigt wurde. Heute sind EU-Bonds eine der attraktivsten liquiden Sicherheiten mit einem AAA-Rating. Es liegt nun an den Markteilnehmern, sich dies zunutze zu machen, indem sie ihre Sicherheitenvereinbarungen anpassen.

Und wie sieht es beim EU Issuance Service – EIS – aus?

Wir sind unserem Ziel ein gutes Stück nähergekommen, eine Infrastruktur aufzubauen, die derjenigen großer Emittenten von Staatsanleihen entspricht. Sehr erfolgreich haben wir so am 17. Januar dieses Jahres den ersten Sechs-Monats-Bill dieses Jahres begeben – zum ersten Mal unter dem neuen EU Issuance Service. Dieser erhöht die Sicherheit bei den Transaktionen, indem wir die von Eurosystem bereitgestellte Infrastruktur Target und Target2S nutzen. Der EU Issuance Service ist eine wirklich europäische Lösung, die allen Markteilnehmern gleichen Zugang zu unseren Papieren erlaubt, ohne Vorteile für Einzelne, wie etwa aufgrund ihrer nationalen Ansässigkeit.

Im Interview: Siegfried Ruhl

„Wir werden unsere grüne Kurve weiter ausbauen“

Funding-Chef der EU über die Refinanzierungsaktivitäten in diesem Jahr – EU-Bonds sollen näher an den Markt der Staatsanleihen rücken

Siegfried Ruhl, der das Schuldenmanagement und damit den Auftritt der EU an den Geld- und Anleihemärkten verantwortet, gibt im Interview der Börsen-Zeitung einen Ausblick auf die Emissionsplanungen der EU und andere Projekte in diesem Jahr. Die Kurve mit Green Bonds der EU soll 2024 weiter ausgebaut werden.

Das Interview führte Kai Johannsen.

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