GastbeitragCompliance

Zertifikate können Risiken in Lieferketten verringern

Zur Beurteilung der Compliance-Risiken in Lieferketten können sich Audits und Zertifizierungen für Unternehmen durchaus lohnen.

Zertifikate können Risiken in Lieferketten verringern

Zertifikate können Risiken
in Lieferketten verringern

Unternehmen sollten in Audits auf unabhängige Prüfer achten

Von Lothar Harings *)

Grüner Knopf, Blauer Engel, Fairtrade: Unternehmen können ihre Zulieferer schon länger mit Hilfe von Prüfprogrammen analysieren und zertifizieren. Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) haben solche Standards und Zertifikate an Bedeutung gewonnen: Unternehmen sind seitdem dazu verpflichtet, menschenrechts- und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei Zulieferern zu prüfen. Das ist Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten.

Allerdings können Zertifikate das Risiko einer Menschenrechtsverletzung oder von Umweltschäden nie ganz eliminieren. Dies ist nach dem Gesetz aber zunächst auch nicht notwendig, weil initial eben nur eine Risikoanalyse durchzuführen ist. Wird bei einer solchen Risikoanalyse auf Basis der zur Verfügung stehenden Daten kein oder nur ein geringes Risiko eines Verstoßes gegen geschützte Rechtsgüter festgestellt, ist das verpflichtete Unternehmen insoweit seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen. Das für die Durchsetzung des Lieferkettengesetzes zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat mehrfach darauf hingewiesen, dass Unternehmen nur risikobasiert Präventionsmaßnahmen ergreifen müssen.

Unabhängige Gutachter

In der Regel geht Zertifikaten ein Audit oder eine Vor-Ort Kontrolle durch unabhängige Gutachter voraus. Bei Hinweisen auf Verletzungen, das heißt der Realisierung von Risiken, müssen Unternehmen daher klären, inwieweit in einem vorangegangenen Audit bereits Hinweise darauf vorhanden waren. Im Rahmen von ad hoc-Audits können zudem die Missstände überprüft und gegebenenfalls kann bereits die Wirksamkeit von Abhilfemaßnahmen festgestellt und dokumentiert werden.  Zudem können die Erkenntnisse aus Audits helfen, bereits existente Prozesse zu überprüfen und gegebenenfalls Schwachstellen schneller zu identifizieren. Das heißt, dass sich die zunächst oft kostenintensiven Audits und Zertifizierungen in Summe durchaus lohnen können.

Positiver Compliance-Effekt

Besteht ein abstraktes Risiko, etwa wegen des Ursprungslandes oder der betroffenen Branche, kann durch ein passendes Zertifikat das Risiko im Rahmen der konkreten Risikoanalyse deutlich herabgesetzt werden. Das bedeutet, dass weniger Handlungsbedarf besteht, mithin weniger personelle Kapazitäten gebunden werden und die Compliance-Perspektive insgesamt günstiger ist.

Audits, aber auch interne Prüfungen durch spezielle Investigation Teams, können darüber hinaus aber auch wichtige Sachverhaltsaufklärung leisten, denn nicht jeder öffentlich erhobene Vorwurf erweist sich bei genauerer Prüfung als zutreffend. Im Idealfall kann das Risiko eines Verstoßes beim zertifizierten Zulieferer weitestgehend ausgeschlossen werden – je nach Reichweite der Zertifizierung und des Prüfprogramms zur Erlangung der Zertifizierung, einschließlich eines Vor-Ort-Besuches.

Beispiel Volkswagen

Bei konkreten Hinweisen über das unternehmenseigene Beschwerdeverfahren oder in Medienberichten müssen Unternehmen eine erneute, nunmehr anlassbezogene Risikoanalyse mit Fokus auf die potentielle Pflichtverletzung durchführen. Entsprechend hat etwa Volkswagen auf Vorwürfe von Zwangsarbeit in seinem Joint Venture in der Region Xinjiang in China reagiert und eine Auditierung nach dem internationalen Standard SA8000 in Auftrag gegeben. Dieser Standard wurde von der Social Accountability International (SAI) entwickelt und wird angewandt, um Risiken wie etwa Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Arbeitssicherheit und Diskriminierungsfreiheit zu prüfen. Dafür wurden vor Ort Dokumente analysiert sowie Interviews mit den Beschäftigten und dem Management der auditierten Gesellschaft geführt. 

Unternehmen sollten in jedem Fall darauf achten, dass die Zertifikate auf Audits von unabhängigen Prüfern beruhen. Manche Zertifikate verlangen nur eine Selbstauskunft. Das ist freilich weniger aussagekräftig und zur Widerlegung konkreter Vorwürfe ungeeignet. Außerdem sollten Unternehmen das passende Zertifikat wählen und darauf achten, dass insbesondere die menschenrechtlichen Risiken, die im Gesetz in § 2 Lieferkettengesetz explizit genannt sind, auch abgedeckt werden. Ein Zertifikat für Produktqualitätsmanagement ist zwar löblich, deckt aber nicht das Risiko von Zwangsarbeit oder Zwangsenteignung ab.

Nicht ewig gültig

Auf der anderen Seite ist etwa der Food Security Standard (FSS) der Welthungerhilfe ein gutes Beispiel dafür, dass trotz Ausrichtung auf das Recht auf Nahrung ein hoher Menschenrechtsschutz insgesamt besteht. Denn ohne die Einhaltung anderer Menschenrechte und umwelt-
bezogener Pflichten ist auch das Menschenrecht auf Nahrung nicht zu gewährleisten.

Den Umfang der Zertifikate können Unternehmen anhand deren Prüfungsstandards erkennen oder bei den Zertifikateanbietern erfragen. Daran lässt sich gut ablesen, wie ausführlich sich der Zertifikateanbieter mit der Materie auseinandergesetzt hat und welche Informationen zur Verifizierung von Erkenntnissen herangezogen werden. Zudem ist die Gültigkeitsdauer wichtig: Ein Zertifikat, das nach einem Audit erstellt wurde, muss regelmäßig erneuert werden.

*) Dr. Lothar Harings leitet die Praxisgruppe Zoll & Außenhandel in der Kanzlei Graf von Westphalen.

Dr. Lothar Harings leitet die Praxisgruppe Zoll & Außenhandel in der Kanzlei Graf von Westphalen.