DKB setzt mit Visa DPS auf Einkartenstrategie
Von Franz Công Bùi, Frankfurt
Mitte Juni hat die Deutsche Kreditbank (DKB) gemeinsam mit Visa bekannt gegeben, dass sie als erstes Finanzinstitut in Europa den Visa Issuer Processing Service (DPS) einführt und damit künftig das Processing von Visa-Debittransaktionen abwickelt. Was zunächst wie eine rein technische Umstellung klingt, ist für die Direktbanktochter der BayernLB jedoch mit einer strategischen Weichenstellung verbunden, wie DKB-Vorstand Tilo Hacke und Albrecht Kiel, Regional Managing Director für Zentraleuropa bei Visa, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung unterstreichen.
Denn, wie Hacke schildert, als 1998 die Partnerschaft mit Visa begonnen wurde, sei es darum gegangen, ein Feature zu finden, das die DKB vom Wettbewerb abhebt, nämlich weltweit Bargeld abheben zu können, ohne sich um Kosten Gedanken zu machen. Diese Möglichkeit habe damals allein die Visa-Kreditkarte geboten. Deshalb sei die DKB die erste Bank gewesen, die jeden neuen Privatkunden seinerzeit mit einer Visa-Kreditkarte sowie einer Debitkarte, der Girocard – im Volksmund EC-Karte – ausgestattet habe. Und dieses Zweikartensystem habe bis jetzt Gültigkeit gehabt.
Einkartenstrategie
Nun will die DKB jedoch künftig ihr kostenloses Girokonto mit einer Einkartenstrategie versorgen. Diese Karte müsse dabei dem Kunden mehr Kontrolle ermöglichen. Das mache eine Debitkarte, weil sie direkt auf das Girokonto buche. Und diese Karte müsse am Point of Sale, im E-Commerce, im Ausland und beim Mobile Payment funktionieren, auch via Smartphone, Smartwatch, Wearables etc. Und in Zukunft werde die Visa-Debitkarte das „Top of Wallet“-Produkt des DKB-Girokontos: „Das ist unsere neue Strategie im Retail Banking: eine Einkartenstrategie mit einer digital voll einsatzfähigen Karte, der Visa-Debitkarte, die für alles funktioniert. Und wenn ein Neukunde es möchte, kann er in einem dazubuchbaren Modus noch eine Giro- beziehungsweise Visa-Kreditkarte optional hinzufügen“, erklärt Hacke.
Visa DPS ist einer der größten Zahlungsabwickler weltweit für Zahlungen zwischen Händlern, Händlerbanken und kartenausgebenden Instituten. Mit mehr als 44 Milliarden Transaktionen pro Jahr wickelt Visa DPS über 50% aller Visa-Debitbezahlvorgänge in den USA ab, wo diese Lösung von Banken bereits seit mehr als 20 Jahren eingesetzt wird. Mit dem Issuer Processing Service könnten Banken ihre Kartenzahlungsabwicklung entsprechend den neuesten technologischen Entwicklungen in Bezug auf Geschwindigkeit, Sicherheit und digitales Bezahlerlebnis für Verbraucher gestalten, erläutert Kiel. Zudem werde den Banken ein hohes Maß an Individualisierung ermöglicht – sowohl bei Transaktionen als auch beim Kartenmanagement. Mithilfe von Schnittstellen (APIs) könnten Partnerbanken Visa DPS in ihre bestehende Infrastruktur integrieren. Weltweit unterstützt Visa DPS mehrere Netzwerke – in den europäischen Märkten werden die Dienste in Zukunft netzwerkagnostisch sein.
Mehr Service und Sicherheit
Kiel zufolge ermöglicht Visa Transaktionen zwischen Verbrauchern, Händlern, Finanzinstituten und Regierungen in mehr als 200 Ländern und Regionen und ist der größte Debitprozessor der USA sowie einer der größten Debitprozessoren der Welt. Von den über fast 4 Milliarden Visa-Karten weltweit seien mehr als die Hälfte Debitkarten. Das Unternehmen habe mittlerweile Standorte in Frankfurt, Berlin, München, Amsterdam und Zürich eröffnet.
Die DKB mit Hauptsitz in Berlin ist Teil der BayernLB-Gruppe und betreut mit ihren knapp 5 000 Mitarbeitern mehr als fünf Millionen Geschäfts- und Privatkunden. Mit einer Bilanzsumme von 134,9 Mrd. Euro zählt sie zu den 20 größten Banken Deutschlands.
Vorstand Hacke erhofft von der Einführung von Visa DPS für die Kunden ein besseres Nutzungserlebnis im Zahlungsverkehr. Denn DPS unterstütze die sofortige digitale Kartenausgabe, die Verwaltung von Karten- und Kontodaten. Funktionalitäten wie digitales Kartenmanagement, Limiteinrichtung, Ausgabenübersicht, Kartensperrung und Wahl einer Wunsch-PIN stünden im Zentrum des Services.
Kiel zufolge lässt sich mit Visa DPS die Profitabilität von Kartenausgabesystemen verbessern, und dank API-basierter Interaktionen und vollständig verwalteter Netzwerkkonformität soll der Dienst Kosten für die Anpassung des Processing Service senken. Gleichzeitig werde der Schutz vor Betrug erhöht. Angaben von Visa zufolge weisen kartenausgebende Finanzinstitute in den USA dank Visa DPS eine um 25% niedrigere Betrugsrate auf.
Visa DPS übernimmt hierbei komplexe Aufgaben der Kartenverarbeitung und stellt die Verbindung zwischen dem kartenausgebenden Finanzinstitut und den Netzwerken sowie der gesamten Zahlungswirtschaft her. Dazu gehören die Kartenausgabe, Transaktionsgenehmigung, die Ergänzung von Daten und die Karten- und Programmverwaltung. Die Transaktionsverarbeitung vom Händler zum Prozessor und wiederum zur Bank des jeweiligen Endkunden sei ein Skalengeschäft, erklärt Hacke. Da gebe es nur sehr wenige riesige Banken, bei denen es sich lohnen könnte, so etwas allein darzustellen. Deshalb gebe es verschiedene Prozessoren, die im Hintergrund diese technische Dienstleistung abbilden.
DKB habe mit der Visa-Debitkarte ein neues Produkt eingeführt, und im Zuge dessen seien alle damit in der Wertschöpfungskette zusammenhängenden Dienstleistungspartner überprüft worden. Dabei habe sich gezeigt, dass es von Vorteil ist, dass DPS sehr eng mit dem Scheme, also der Visa-Brand und dem Visa-Service zusammenhängt. Das habe nicht nur den Abstimmungsaufwand minimiert, sondern auch zu Friktionslosigkeit der verschiedenen Services rund um das Kartenprodukt geführt. Dabei sei die Kernfrage gewesen: Wie kann der Prozessor oder der jeweilige technische Partner direkt in die Systeme eingebunden werden und wie viele Schnittstellen (APIs) hat der Prozessor auf der anderen Seite, beziehungsweise wie viele kann er zur Verfügung stellen und passen diese zu den eigenen Schnittstellen. Eine deutliche Verbesserung sei, wie die Karte in der neuen App administrierbar ist, also etwa sperrbar ist.
„Wir entwickeln uns als Unternehmen schon lange von einem Kartenanbieter zu einem globalen Technologieanbieter und zu einem Anbieter von Mehrwertdiensten“, betont Kiel. Und Visa begleite die DKB bereits seit 25 Jahren als Partner. Dabei sei der gemeinsame Start der DKB-Visa-Debitkarte ein großer Schritt gewesen, inklusive der Integration von Mehrwertdiensten und des Einsatzes modernster Software zur Betrugserkennung. Schließlich gelte: „Sicherheit ist der höchste Unternehmenswert, den Visa hat. Denn das ist ja das Versprechen, dass Verbraucher sicher bezahlen können. Natürlich wollen wir auch, dass die Kunden nutzerfreundlich und überall zu jeder Tageszeit mit jedem Format bezahlen können. Aber das Wichtigste ist wirklich, dass sie sicher bezahlen können.“ Deswegen werde Real Time Scoring eingesetzt und durch mehrere Redundanz-Schichten sichergestellt, dass das Netzwerk ausfallsicher ist. Es gebe eine Service-Verfügbarkeit von 99,9999% und eine siebenschichtige Cyber-Security-Defense-Strategie.
Es stünden riesige Datenmengen zur Verfügung, um die Betrugserkennung zu unterstützen. So habe Visa etwa allein in den vergangenen fünf Jahren 9 Mrd. Dollar in den Bereich Cyber Security investiert. Die Risiko-Teams sähen sich 100% der Transaktionen in Echtzeit an, um Risiken zu sehen, bis zu 500 Risiko-Attribute würden hierbei pro Millisekunde erfasst, und die Betrugsraten bewegen sich Kiel zufolge im 0,1-Prozent-Bereich.
Hacke unterstreicht, dass Tokenisierung hierbei ein ganz entscheidendes Thema sei. Die reine Kartennummer, das Ablaufdatum und die Sicherheitszahl reichten allein nicht mehr aus. Tokenisierte Zahlungen, zum Beispiel auch damit Wearables so End-to-End verbunden werden, dass die Informationen nur mit dem jeweiligen Gerät und der darin tokenisierten Karte funktionieren, seien ein wesentlicher Schritt gewesen.
Zentral aus Sicht von Hacke ist: „Betrugserkennung muss zunächst einmal Betrug bestmöglich verhindern.“ Wichtig sei aber auch, die meisten Zahlungen nahtlos durchzurouten, da es sich beim Großteil der Vorgänge nicht um Betrug handele. „Der Kunde hat keine Geduld, an der Kasse fünf Minuten zu warten, dass im Hintergrund fleißige Menschen überlegen, ob die Transaktion richtig ist. Das muss in Millisekunden passieren.“
Zwei Jahre für Umsetzung
Das bisherige Visa-Produkt im DKB-Portfolio, die Visa-Kreditkarte, sei nicht mit DPS prozessiert worden, sondern mit einem anderen Prozessor, erklärt Hacke. Bei der Debitkarte sei die Entscheidung auch mit Blick auf zukünftige Feature-Optionen gefällt worden. Wenn zum Beispiel der Prozessor nicht in der Lage sei, Ortsinformationen bei einer Transaktion mit zur Verfügung zu stellen, dann könne die DKB etwa künftig dem Kunden nie in einem Feature anzeigen, wo er bezahlt hat, wenn er das in der Transaktionshistorie sehen möchte.
Kiel führt weiter aus: „Wir nennen es Visa Future Readiness. Das digitale Bezahlen wird in Zukunft immer wichtiger und über die physische Karte hinausgehen, sei es beim Online-Check-out, beim mobilen Bezahlen oder beim In-Car-Payment.“
Die Umsetzung des Projekts habe zwei Jahre in Anspruch genommen. Kiel zufolge wurden die Gespräche 2018 begonnen und von 2019 an intensiver geführt. Hacke unterstreicht, dass die Jahre der Corona-Pandemie einen eigenartigen Effekt hätten: „Mal wirken sie wie 20 Jahre und mal wie zwei Monate. Bei Visa DPS war es in der Tat so, dass wir die Entscheidung kurz vor dem ersten Lockdown getroffen haben, das heißt Anfang 2020.“ Aufgesetzt und bis zum Erfolg geführt worden sei das Projekt im Anschluss wegen der Kontaktbeschränkungen komplett remote. Es habe bis November 2021 gedauert, die Debitkarte an alle monatlich rund 50 000 Neukunden auszurollen. „Und im Januar haben wir begonnen, alle unsere 5 Millionen Bestandskunden ebenfalls auf dieses neue Produkt zu bringen. Vorher galt nämlich noch die alte Payment-Regel: niemals im Weihnachtsgeschäft die Karte austauschen“, erinnert Hacke sich.