Ein Wechselbad der Gefühle
Von Michael Flämig, MünchenErstmals seit dem Jahr 2011 präsentiert der Siemens-Konzern die Ergebnisse seines Geschäftsjahres nicht mehr in Berlin, sondern wieder in München. Der Glanz der neuen Zentrale wird auf die Ergebnisse 2015/2016 (30. September) abstrahlen. Zweimal konnte Vorstandschef Joe Kaeser die Gewinnprognose im Jahresverlauf erhöhen. Nun dürfte die letztgültige Spannbreite von 6,50 bis 6,70 Euro je Aktie sogar geringfügig übertroffen worden sein.Trotzdem herrscht nicht eitel Sonnenschein an der Isar. Die Kapitalgüterindustrie leidet unter der Kombination von niedrigem Ölpreis und hohen Unsicherheiten in der Weltpolitik. General Electric, ABB und Schneider können ein Lied davon singen. Insofern wird am kommenden Freitag der Vortrag Kaesers in Moll gestimmt sein, wenn es um die Prognose geht. Die Luft wird dünnerZwar sollte angesichts des prall gefüllten Auftragsbuchs weiterhin ein spürbares organisches Wachstum möglich sein. Doch die Kraftanstrengungen, die für ein relevantes Gewinnwachstum erforderlich sind, sind erheblich. Es ist eben sehr viel gut gelaufen für Siemens. Die Kehrseite der zweifachen Erhöhung der Gewinnprognose ist damit, dass die Luft dünner wird. Welche Treiber sind erkennbar?Zuletzt hat das Sparprogramm Rückenwind geben – doch es ist erfolgreich abgeschlossen, und ein Nachfolgeplan wird es kaum geben. Die positiven Effekte aufgrund der Wechselkurseffekte laufen ebenso aus. Außerdem darf nicht darauf gesetzt werden, dass sich das Kunststück, netto keine Projektbelastungen verbuchen zu müssen, jedes Jahr wiederholen lässt. Andererseits schlägt der Ägypten-Auftrag in den nächsten sechs Monaten voll durch. Zudem werden unprofitable Geschäfte weiter auf Vordermann gebracht. Außerdem würde jeder Silberstreif am Horizont des kurzzyklischen Geschäfts die Marge stützen. Die Preisfrage für die Aktionäre laute daher: Sind Moll-Töne nur der Versuch, die Erwartungen nach unten zu schleusen und damit im Geschäftsjahresverlauf erneut positiv zu überraschen?Beim Aktienrückkauf hat das Management angesichts des hohen Kurses der Siemens-Aktie jüngst auf die Bremse getreten. Im ersten Drittel des knapp dreijährigen Programms wurden nur 230 Mill. Euro der insgesamt avisierten bis zu 3 Mrd. Euro ausgegeben. Im September wurden gar keine Aktien erworben.Der Aufsichtsrat hat mehr als Zahlen zu diskutieren: Es ist der Nachfolger für den scheidenden Vorstand Siegfried Russwurm zu finden.