EZB eröffnet Notenbanken-Reigen
Von Mark Schrörs, FrankfurtWenn der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag über den weiteren geldpolitischen Kurs in Euroland entscheidet, ist das der Auftakt für einen “heißen September” der Notenbanken: Eine Woche nach der EZB, am 15. September, folgt die Bank of England, die nach dem unerwartet umfangreichen Maßnahmenpaket von Anfang August zur Eindämmung der Brexit-Folgen schauen muss, wie es weitergeht. Am 21. September entscheiden dann die US-Notenbank Fed und die Bank of Japan. Während Erstere zuletzt verstärkt mit einer baldigen weiteren Zinserhöhung geliebäugelt hat, hat Letztere eine umfangreiche Überprüfung ihrer Politik avisiert; das Ergebnis wird von Marktteilnehmern mit großer Spannung erwartet.Die Euro-Notenbanker ihrerseits hatten sich bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 21. Juli recht zufrieden gezeigt mit der Erholung der Euro-Wirtschaft, den Erfolgen ihrer Geldpolitik und mit der Art, wie die Finanzmärkte die Entscheidung der Briten für den EU-Ausstieg nach einem anfänglichen Schock verarbeitet hatten. Zudem erwarteten sie ein allmähliches Anziehen der Inflation. Deswegen hatten sie auf “Wartemodus” geschaltet.In den vergangenen Wochen hat sich dieses konjunkturelle Bild im Großen und Ganzen bestätigt. Allerdings gab es ganz aktuell einige Entwicklungen, die die Notenbanker wieder in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen haben könnten: So fielen für August sowohl das deutsche Ifo-Geschäftsklima als auch die Euro-Einkaufsmanagerindizes schwächer aus als gedacht – was gemeinhin als verspätete Reaktion auf die Brexit-Entscheidung interpretiert worden ist. Zugleich hat die Inflation anders als erwartet nicht weiter angezogen. Sie verharrte wie im Juli bei 0,2 %. Die EZB strebt mittelfristig knapp 2 % an.Insgesamt ist die Erwartung an den Finanzmärkten, dass die EZB ihre ohnehin schon beispiellos expansive Geldpolitik noch einmal lockern wird. Als gesetzt gilt zumindest eine nochmalige Ausweitung des Wertpapierkaufprogramms (Quantitative Easing, QE). Tatsächlich scheint das sehr wahrscheinlich, allein schon deshalb, weil die EZB die Käufe kaum von März auf April 2017 auf einen Schlag von 80 Mrd. Euro monatlich auf null wird herunterfahren wollen. Fraglich ist aber, wann der Rat das entscheidet und kommuniziert. Die Société Générale erwartet bereits für Donnerstag eine Verlängerung um sechs Monate. Morgan Stanley dagegen glaubt daran, dass die EZB diese Frage jetzt “aussitzt” und erst im Dezember handeln wird.Heikel wird die Entscheidung dadurch, dass bei einer QE-Ausweitung an zentralen Parametern des Programms geschraubt werden muss, weil sonst die kauffähigen Titel knapp werden. Schon jetzt gilt QE etwa mit Blick auf Bundesanleihen als “auf Kante genäht”. Alle Änderungen sind aber mehr oder weniger heikel. Am wahrscheinlichsten erscheint, dass die EZB die Vorgabe aufgibt, keine Anleihen zu kaufen, deren Renditen unter dem aktuellen Einlagenzins (-0,4 %) liegen, und dass sie die selbst gesetzten Grenzen beim Kauf einzelner Anleihen anhebt.Viel spekuliert worden ist zuletzt darüber, dass die EZB beginnen könnte, auch Aktien zu kaufen. Die EZB hat das nie ausgeschlossen. Es scheint aber fraglich, ob der Appetit darauf aktuell sehr groß ist. Gleiches scheint für eine weitere Senkung des Einlagenzinses zu gelten. Führende Notenbanker wie Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré hatten zuletzt auf steigende Risiken der Negativzinspolitik hingewiesen – wie überhaupt auf erhöhte Gefahren, falls die Notenbank auch wegen mangelnden Handels der Euro-Staaten nachlegen muss. Das war eine kaum verhohlene Drohung an die Politik, endlich mehr zum Wachstum beizutragen.Eine große Bedeutung kommt am Donnerstag den neuen Projektionen der EZB-Volkswirte für Wachstum und Inflation zu. Im Juni, vor der Brexit-Entscheidung, hatten die Ökonomen des Eurosystems für 2017 und 2018 jeweils 1,7 % Wachstum und Inflationsraten von 1,3 % und 1,6 % vorausgesagt.