Knorr-Bremse auch ohne Chef fit
Von Joachim Herr, MünchenManchmal kommt es ganz anders als geplant. “Knorr-Bremse wächst und entwickelt sich erfolgreich weiter und wir freuen uns, wenn Sie uns weiter auf diesem Weg begleiten”, schreibt Klaus Deller im Geschäftsbericht an die Aktionäre. Doch schon ein paar Stunden bevor Knorr-Bremse am 30. April das Dokument ins Internet stellte, war Deller gar nicht mehr Vorstandsvorsitzender des seit Oktober börsennotierten Weltmarktführers für Schienen- und Nutzfahrzeugbremsen.Dass Deller den Weg des Münchner Familienunternehmens ganz plötzlich verlassen musste, begründet Knorr-Bremse offiziell mit “unterschiedlichen Auffassungen von Führung und Zusammenarbeit”. Deller soll mit seinem großen Selbstbewusstsein im Vorstand angeeckt sein. Es gab wohl Auseinandersetzungen um die Verteilung der Aufgaben im vierköpfigen Topmanagement. Großaktionär Heinz-Hermann Thiele habe sich herausgehalten und die Lösung des Konflikts dem Aufsichtsrat überlassen, heißt es. Immerhin war Deller neun Jahre im Vorstand, länger als alle anderen seit Thieles Rückzug vom Vorstandsvorsitz im Jahr 2007. An der Spitze stand Deller seit Anfang 2015.Während der Aufsichtsrat auf der Suche nach einem Nachfolger ist, präsentiert das Unternehmen am Mittwoch seine Geschäftszahlen. Die Analysten von Kepler Cheuvreux rechnen mit einem starken ersten Quartal 2019. Fürs Gesamtjahr erwartet der Vorstand einen Umsatzanstieg um 3 bis 6 % auf 6,8 Mrd. bis 7 Mrd. Euro. Die operative Marge (Ebitda) soll sich von 17,8 % im Vorjahr auf 18 bis 19 % erhöhen.Auf einer Investorenkonferenz in den USA verbreitete Finanzvorstand Ralph Heuwing nach Darstellung von Berenberg Zuversicht. Er hob die starke Position im Kerngeschäft hervor, hohe Barrieren für Markteintritte sowie die im Vergleich mit den Konkurrenten höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung. ZF eröffnet ZukaufchancenZudem deutete Heuwing laut Berenberg auf der Konferenz Akquisitionschancen an. Der Grund ist das seit zwei Monaten bekannte Angebot von ZF Friedrichshafen für eine Übernahme von Wabco. Wabco ist hinter Knorr-Bremse der zweitgrößte Hersteller von Bremssystemen für Nutzfahrzeuge. Heuwing erhofft sich von erwarteten Auflagen der Kartellbehörden eine Gelegenheit für Zukäufe. Die Analysten denken dabei an das Geschäft mit Lkw-Lenkungen von RH Sheppard. Wabco hatte dieses 2017 erworben. Nach Ansicht der Branchenbeobachter würde die Sparte gut zum Lkw-Geschäft von Knorr-Bremse passen.Berenberg gehörte zu den sieben Banken, die Knorr-Bremse vor acht Monaten an die Börse geführt haben. Verglichen mit dem Emissionspreis von 80 Euro ist der Kurs um fast ein Fünftel gestiegen. Wenige Tage vor Dellers abrupten Abgang Ende April stand der Wert auf dem bisherigen Höchststand von knapp 103 Euro.