Siemens geht auf die Zielgerade
mic München – Der Mantel der Geschichte weht, wenn am nächsten Donnerstag Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser, sein Stellvertreter Roland Busch und Finanzvorstand Ralf Thomas in einer Telefonpressekonferenz die Ergebnisse des dritten Quartals vorstellen. Denn es ist die letzte Präsentation der Bilanz, bevor Siemens Energy am 28. September an die Börse geht und damit ein Drittel des Geschäfts großteils aus dem Zahlenwerk verschwindet. Außerdem wird Busch am 1. Oktober endgültig die operative Führung des Multis von Kaeser übernehmen, der sich auf seine Funktion als Aufsichtsratschef von Siemens Energy konzentriert.Siemens geht also in jeder Hinsicht auf die Zielgerade. Auch die Investoren fokussieren sich neu. Sie nehmen das künftige Kerngeschäft der Siemens AG und die Ergebnisse der Siemens Energy AG bereits getrennt wahr. Dabei sind die Erwartungen sehr unterschiedlich. Dass die Energieaktivitäten in diesem Geschäftsjahr nicht glänzen werden, hat Siemens Gamesa mit der Vorlage der Quartalszahlen am Donnerstag unterstrichen. Der Windparkbauer rutschte tief in die roten Zahlen und wird auch auf Zwölfmonatsbasis einen Verlust abliefern. Dagegen wird dem künftigen Siemens-Kerngeschäft zugetraut, dem Gegenwind wegen eines hohen Anteils an wiederkehrendem Softwaregeschäft etwas ausweichen zu können. Außerdem werden die Kosten forciert heruntergefahren. “Kein Fall ins Bodenlose”Klar ist dennoch: Die Siemens-Verantwortlichen hätten sich auf der Zielgeraden des Konzernumbaus eher Rückenwind gewünscht. Die Pandemie machte einen Strich durch diese Rechnung. Finanzchef Thomas hatte Anfang Juli im Interview der Börsen-Zeitung unterstrichen, dass das dritte Quartal des Geschäftsjahres wegen der vollen Auswirkungen der Pandemie eine große Herausforderung für das Unternehmen sei – genau wie für die meisten anderen Marktteilnehmer. Sein Trost: “Es ist allerdings auch kein Fall ins Bodenlose.” Für die kurzzyklischen Geschäften prophezeite Thomas ein prozentuales Minus im Geschäftsvolumen zwischen 10 und 20 % – die Wahrheit könnte in der Mitte liegen.Die Analysten erwarten in einer Konsensschätzung, die Siemens vorgelegt hat, dass unter dem Strich nur ein marginaler Gewinn von 51 Mill. Euro hängenbleibt. Dabei belasten nicht nur die Ergebnisse der Energiegeschäfte und die Bremsspuren der Industriesparte, sondern auch die Kosten für den Carve-out und die Steuerbelastung. Der Umsatz wird den Schätzungen der Analysten zufolge bei 12,8 Mrd. Euro landen. Healthineers legt vorMit etwas Vorsicht beobachtet der Kapitalmarkt mittlerweile Siemens Healthineers, weil der Kurs der Aktie sich von dem Pandemie-Schock exzellent erholt hat und nur noch wenig Potenzial zu haben scheint. Das Management wird am Montag die Zahlen des dritten Quartals präsentieren. Es hatte bereits angekündigt, dass mit der Periode von April bis Juni die Talsohle erreicht sein werde. Fraglich ist, wie stark die Folgen der Pandemie die einzelnen Sparten getroffen haben und ob das Diagnostikgeschäft tatsächlich von einem höheren Covid-19-Testvolumen profitieren konnte.