Steuerflucht ganz oben auf EU-Agenda
Von Detlef Fechtner, BrüsselDiplomaten haben bekanntlich eine nüchterne, unaufgeregte Sprache. Dass sie gerade an einem Durchbruch in einem Dossier tüfteln, das seit Jahren blockiert ist, und sich dabei endlich gute Chancen für eine rasche Lösung ausrechnen, ist der Einladung für die nächste EU-Finanzministertagung (Ecofin) am Dienstag kaum anzusehen. Lediglich zwei Worte signalisieren, dass sich gerade etwas tut.Unter dem Punkt “Verschiedenes” ist dort nämlich die Aktualisierung der EU-Richtlinie 2003/48/EC aufgelistet – der umstrittenen EU-Zinsrichtlinie. Und als Anmerkung des EU-Ratsvorsitzes steht dabei: “Politische Einigung”.Am Dienstag also soll gelingen, was so lange unmöglich schien. Die EU-Staaten wollen sich im Kampf gegen Steuerflucht auf eine Modernisierung der Regeln einigen – und dabei den automatischen Informationsaustausch zum Standard erheben. Ob das tatsächlich gelingt, dürfte vor allem von zwei Beteiligten abhängen: Österreichs Finanzministerin Maria Fekter und EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta. Fekter, die in den nächsten Monaten Wahlkampf vor sich hat, ist zwar bereit, ihren generellen Widerstand dagegen aufzugeben, Informationen über Zinserträge von EU-Ausländern in Österreich an deren Heimatländer zu melden. Sie möchte zugleich aber das Bankgeheimnis für österreichische Sparer – die vertraulichen “Oma-Konten” – schützen und die bilateralen Verabredungen mit der Schweiz und Liechtenstein unbeschadet lassen. EU-Kommissar Semeta lotet deshalb unter Hochdruck einen Kompromiss aus, der Fekter einen gesichtswahrenden Rückzug erlaubt. Ebenfalls eine größere Rolle in den Verhandlungen spielt Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden. Denn sein Land hat zwar signalisiert, den automatischen Austausch ab 2015 akzeptieren zu wollen. Allerdings gibt es auch hier Nebenbedingungen. Werden sich die Minister in diesem Punkt einig, soll auch gleich noch im selben Aufwasch das Verhandlungsmandat mit der Schweiz und vier europäischen Kleinstaaten über den Austausch von Steuerinformationen erteilt werden.Als wäre das Steuerthema allein nicht schon schwierig genug, versuchen die Ressortchefs am Dienstag noch einen anderen Streitpunkt zu lösen. Dabei geht es um die Behandlung von Sparern mit Guthaben von mehr als 100000 Euro bei Bankpleiten. Einige Staaten wollen die Möglichkeit vorsehen, dass neben den ohnehin geschützten Kleinsparern (unter 100000 Euro) auch diese vermögenden Kunden von einem Bail-in ausgenommen werden können, wenn sich eine nationale Regierung dafür entscheidet. Hingegen fürchten andere EU-Staaten einen Einlagen-Tourismus, falls Sparer damit rechnen können, dass sie, wenn sie hohe Summen auf Bankkonten horten, in den einzelnen Staaten der EU unterschiedlich behandelt werden.