ThyssenKrupp versucht den Neubeginn
Von Andreas Heitker, Düsseldorf Deutschlands größter Stahlkonzern ThyssenKrupp hat nach Einschätzung von Analysten im Geschäftsjahr 2011/12 (30. September) erneut einen heftigen Gewinneinbruch verzeichnet. Im Schnitt erwarten die Experten ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 409 Mill. Euro. Vor einem Jahr hatte der Dax-Konzern noch 1,76 Mrd. Euro erwirtschaftet. Die Edelstahlsparte Inoxum, die nur noch unter nichtfortgeführte Aktivitäten verbucht wird, ist in diesen Zahlen nicht mehr enthalten. ThyssenKrupp selbst hatte lediglich ein bereinigtes Ebit im fortgeführten Geschäft im mittleren dreistelligen Mill.-Euro-Bereich angekündigt.Der Konzern leidet vor allem unter der schwachen Stahlkonjunktur. Die Industriegütersparten hatten sich dagegen zumindest in den ersten neun Monaten recht stabil gezeigt. Die deutschen Stahlwerke, in denen seit August Kurzarbeit gefahren wird und die in der Vergangenheit eine wesentliche Ergebnissäule im Konzern waren, verdienen dagegen kaum noch Geld. Und die Problemsparte Steel Americas mit den neuen Stahlwerken in Brasilien und den USA könnte das Ergebnis auch im abgelaufenen Geschäftsjahr mit einem operativen Verlust von rund 1 Mrd. Euro belastet haben.Mit Spannung werden bei der Bilanzvorlage am Dienstag daher Aussagen von Vorstandschef Heinrich Hiesinger zum aktuellen Stand des Verkaufsprozesses der neuen Werke erwartet. Analysten schätzen, dass ThyssenKrupp mindestens noch mit einem Kaufpreis von 3,5 bis 4,0 Mrd. Euro rechnen kann. Allerdings hat der Konzern Steel Americas einschließlich des Umlaufvermögens noch mit 7,9 Mrd. Euro in den Büchern. Abschreibungen scheinen unvermeidlich.Nach Informationen der Börsen-Zeitung haben Anleger mit Verlusten von gut 3 Mrd. Euro zu rechnen. In unternehmensnahen Kreisen hieß es, dass diese Verluste das Eigenkapital des Konzerns in einer ähnlichen Größenordnung und damit um rund 30 % verringern würden. Zum 30. Juni hatte ThyssenKrupp noch ein Eigenkapital von 9,1 Mrd. Euro ausgewiesen.Erwartet wird auch deshalb, dass Hiesinger bei der Bilanzvorlage ein neues Kostenprogramm verkündet, um eventuell auch noch Mittel für Investitionen in das Technologiegeschäft freizusetzen und den Schuldenabbau voranzutreiben. Spekuliert wurde bereits über ein Programm, mit dem die Kostenbasis in den nächsten drei Jahren nachhaltig um rund 2 Mrd. Euro gedrückt werden soll.Hiesinger wird zugleich beantworten müssen, wie der Konzernvorstand künftig arbeiten soll, da der Aufsichtsrat am Montag wohl den Rausschmiss von gleich drei Vorständen besiegeln wird. ThyssenKrupp steht vor einem Neuanfang – sowohl personell als auch im operativen Geschäft, in dem künftig mit Inoxum und Steel Americas gleich zwei der bislang acht Sparten fehlen werden. Analysten sehen durchaus Zukunftspotenzial. “ThyssenKrupp 2.0” sei ein Technologiekonzern, so Björn Voss von Warburg Research. Der Konzern wandele sich “von einem Stahl-Dino zu einem Technologie-Adler.”