Thyssenkrupp zerlegt sich selbst
cru Düsseldorf – Trotz der kühnen Pläne zur Aufspaltung des Essener Traditionskonzerns kennt der Aktienkurs von Thyssenkrupp seit Monaten nur eine Richtung: nach unten. Seit Jahresbeginn hat das Konglomerat fast 30 % des Börsenwerts eingebüßt, der inzwischen auf rund 10 Mrd. Euro gesunken ist, weil in fast allen der sechs Sparten für Aufzüge, Automobilkomponenten, Großanlagen, Werkstoffhandel, Stahl und Kriegsschiffe erhebliche operative Schwächen offenbar werden. Umso stärker steht Vorstandschef Guido Kerkhoff unter Rechtfertigungsdruck, wenn er am Mittwoch kommender Woche (21. November) die Jahresbilanz vorstellt und einen Ausblick auf 2018/19 liefern muss.Zumal der Nominierungsausschuss dem Aufsichtsrat am Tag vorher (20. November) voraussichtlich zwei neue Mitglieder für die Anteilseignerseite vorgestellt haben wird: Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber und die Lufthansa-Aufsichtsrätin Martina Merz sollen als Ersatz für den im Juli überstürzt zurückgetretenen Ulrich Lehner und Ex-Telekom-Chef René Obermann vom Gericht bestellt werden und in das Kontrollgremium nachrücken. Uebber soll kommen, um nach der Hauptversammlung Anfang 2019 den Bochumer Ökonomen Bernhard Pellens an der Aufsichtsratsspitze abzulösen.Zwei Gewinnwarnungen musste Ex-Finanzvorstand Kerkhoff schon hinaussenden, seit er im Juli nach dem Rücktritt von Heinrich Hiesinger zum CEO befördert wurde. Unter anderem wegen Rückstellungen für Risiken aus einem Kartellverfahren wegen möglicher Preisabsprachen in der Stahlsparte liegt der Nettogewinn 2017/18 nur bei schmalen 100 Mill. Euro liegen anstatt bei den bis vor kurzem angepeilten deutlich mehr als 271 Mill. Euro.Analysten rechnen nicht damit, dass der Konzern nun mit einem rosaroten Ausblick für 2019 vorprescht. Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe erwartet für die fortgeführten Aktivitäten – ohne die an Tata ausgegliederte Stahlsparte – eine Prognose für das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern zwischen 1 Mrd. und 1,2 Mrd. Euro. Für die nicht-fortgeführten Aktivitäten läge der Betrag bei 740 Mill. Euro. Begeisterungsstürme an der Börse würde das nicht gerade auslösen. Vielmehr dürften bald wieder Forderungen nach einem Verkauf oder einer Fusion der Aufzugssparte mit dem finnischen Rivalen Kone aufkommen, wie sie Großaktionär Cevian anstrebte.Vor Kerkhoff liegt eine große Menge harter Detail-Arbeit, da jede Sparte ihre ganz eigenen Schwierigkeiten und Perspektiven hat. Stolpersteine gibt es unterwegs genug: Den Aktionären auf der Hauptversammlung am 1. Februar 2019 muss er die Pläne zur Abspaltung des Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp Industrials vom alten Stahlkonzern Thyssenkrupp Materials plausibel machen – bei Transaktionskosten von rund 1 Mrd. Euro, vor allem für Steuerzahlungen auf stille Reserven, kein Selbstläufer. Voraussichtlich am 26. März wird dann das Ergebnis der vertieften Prüfung der EU-Kartellwächter zur Fusion der Stahlsparte mit dem Europageschäft des indischen Konkurrenten Tata auf den Tisch kommen. Brüssel könnte den Verkauf von Teilen des Unternehmens fordern, um den Wettbewerb zu stärken. Dann wird es schwierig.