Trübe Aussichten
Von Silke Stoltenberg, FrankfurtGroße Hoffnungen haben Aktionäre und Analysten mit Blick auf die Deutsche Bank derzeit nicht. Konzernchef John Cryan räumt Umsetzung des Konzernumbaus und Vergangenheitsbewältigung der zahllosen teuren Rechtshändel in diesem Jahr oberste Priorität ein, so dass ein erneuter Verlust nicht ausgeschlossen ist, wenn auch dieser nicht annähernd in die Nähe des Rekordverlusts von 2015 von 6,8 Mrd. Euro kommen soll. Die Dividende ist gestrichen, und beim geplanten Verkauf der Postbank, die seit Jahresmitte wieder eigenständig agiert und bis Ende 2017 eigentlich an die Börse oder an einen neuen Besitzer gehen soll, geht es nicht voran.Für das zweite Quartal, über das die größte Bank Deutschlands am nächsten Mittwoch berichtet, sind das schon einmal per se schlechte Vorzeichen. Auch, dass die schon vorgelegten Zwischenbilanzen der US-Wettbewerber wie J.P. Morgan oder Goldman Sachs aufgezeigt haben, dass im klassischen Investment Banking, also bei Wertpapieremissionen oder der Beratung bei Firmenhochzeiten, Flaute herrscht.Die Analysten von Thomson One Analytics rechnen mit einem deutlich schlechteren Abschneiden. Die Erträge sollen mit 8,13 Mrd. Euro mehr als 10 % schwächer ausfallen als in der Vorjahresperiode. Der Gewinn soll mit 506 Mill. Euro wie im Startquartal auf etwas über 40 % des Vorjahresniveaus herabrauschen.Die großen Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poor’s (S & P) sind skeptisch, ob die Ziele des Konzernumbaus “Strategie 2020” angesichts des widrigen Umfelds für Banken durch Niedrigzins und verschärfte Kapitalanforderungen erreicht werden können. Die Bonitätseinstufung ist nicht mehr weit vom Ramschniveau entfernt. Gerade erst hat S & P den Ausblick von stabil auf negativ gesenkt. Angst vor KapitalerhöhungInsbesondere die Kapitalsituation der Bank wird kritisch beäugt. Auf 12,5 % Kernkapitalquote und eine Leverage Ratio von 5 % will die Deutsche Bank kommen. Per Ende März waren es 10,7 % und 3,4 %. Die Anteilseigner haben somit Angst vor einer weiteren Kapitalerhöhung, was das Management bislang ausschließt. Auch kämpft die Deutsche Bank mit einer maroden und weit verzettelten IT, wie die Panne Anfang Juni vielen Kunden schmerzlich gezeigt hat. Die hochtrabenden Pläne einer Digitalbank in den USA wurden derweil ad acta gelegt.Insofern verwundert es nicht, dass Aktionäre sich auf Gerüchte eines erneuten Strategiewechsels stürzen. Einem Magazinbericht zufolge wird im “Projekt Jade” derzeit geprüft, inwieweit der Konzern in einen Kapitalmarkt- und in einen Privat- und Firmenkundenbereich aufgespalten werden könnte. Auch die Reintegration der Postbank soll dem Bericht zufolge wieder erwogen werden.Der radikale Ansatz, den Konzern aufzuspalten, war im Rahmen der Diskussionen um die “Strategie 2020” im Spiel gewesen und wieder in der Schublade verschwunden. Die Deutsche Bank dementierte gestern, diese Pläne wieder hervorgeholt zu haben. “Beim Projekt Jade geht es nicht darum, die Bank aufzuspalten. Es ist vielmehr ein schon länger laufendes Projekt mit dem Ziel, die Deutsche Bank in sich und ihrer Struktur zu vereinfachen.” Dass der Verkaufsprozess der Postbank abgeblasen wird, ist dagegen nicht unwahrscheinlich, da angesichts einer niedrigen Bewertung Milliardenabschreibungen drohen.—– Wertberichtigt Seite 8