Finanzbranche

Frankfurt ist Deutschlands unangefochtener Finanz-Platzhirsch

Frankfurt ist Deutschlands mit Abstand bedeutendstes Banken- und Aufsichtszentrum, spielt aber im internationalen Vergleich noch eine ausbaufähige Rolle. Eine Sonderstellung hat die Mainmetropole, wenn es um die Bankbeschäftigung geht. Entgegen dem bundesweiten Trend des Personalabbaus in der Branche werden in Frankfurt unter dem Strich Stellen aufgebaut.

Frankfurt ist Deutschlands unangefochtener Finanz-Platzhirsch

Frankfurt ist unangefochten der Finanz-Platzhirsch

Deutschlands bedeutendster Banken- und Aufsichtsstandort nimmt eine Sonderstellung im Finanzplatzgefüge ein – Personalaufwuchs gegen den Bundestrend

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Zu den Eigentümlichkeiten des Finanzplatzes Deutschland zählt die Zersplitterung, mit mehreren kleineren Zentren und dem Platzhirsch Frankfurt. Die Stadt nimmt eine Sonderstellung ein, nicht nur angesichts der Banken- und Aufsichtsdichte, sondern auch der Tatsache, dass die Zahl der Bankbeschäftigten dort seit Jahren im Trend steigt, zugleich bundesweit aber schrumpft.

Im Ranking hinter Paris und Amsterdam

Dennoch kommt die Finanzmetropole im renommierten, alljährlich von der Z/Yen Group erstellten Ranking von 120 internationalen Finanzplätzen nur auf Platz 17. In Europa gibt nach wie vor London mit Rang 2 den Ton an, hinter dem globalen Spitzenreiter New York. In Kontinentaleuropa erreicht Paris mit Platz 14 den besten Wert, das neben Amsterdam (16) noch vor Frankfurt liegt. Von den weiteren deutschen Finanzzentren schafft es München unter die Top 20. Es hat sich im Vergleich mit dem Vorjahr von Platz 24 auf 18 vorgearbeitet, wo zuvor Frankfurt angesiedelt war. Berlin verharrt auf Platz 26, Hamburg rutschte vom 38. auf den 43. Platz ab und Stuttgart von Rang 39 auf 47. Düsseldorf und Köln/Bonn sind im „Global Financial Centres Index 33“ nicht zu finden.

Schlechte Stimmung

Zum Finanzplatz Deutschland driften die Meinungen auseinander. So sieht etwa der Vorstandschef der Deutschen Börse, Theodor Weimer, nicht nur Deutschland, sondern Europa in Banking und Assetmanagement global abgehängt – für zu fragmentiert hält er die Märkte, für zu überbordend die Regulierung. Eher pessimistisch zeigen sich aktuell auch die Bankmanager, die für den vierteljährlich vom Center for Financial Studies (CFS) erstellten Stimmungsindex befragt wurden. Die künftige internationale Bedeutung des Finanzplatzes Deutschland bewerteten sie im zweiten Quartal deutlich schlechter als zuvor.

"Weckruf" für Frankfurt

Von einem „Weckruf“ sprach deshalb Gerhard Wiesheu, Präsident der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance. „Die Erfolge der Vergangenheit, wie die hohe Zahl der Banken, die nach dem Brexit Geschäft an den Main verlagert haben, oder die Ansiedlung des International Sustainability Standards Board (ISSB) bieten zahlreiche Ansatzpunkte für weiteres Wachstum, die wir beherzter nutzen sollten. Frankfurt kann mehr“, resümierte er. CFS-Direktor Rainer Klump wiederum glaubt, dass die Stimmung angesichts der Konjunktureintrübung momentan schlechter als die Lage selbst ist.

Einiges zu bieten

Grund für Selbstbewusstsein hält auch Finanzplatz-Expertin Ulrike Bischoff von der Helaba für angebracht. Mit einer Fülle von Standortqualitäten hat Frankfurt ihr zufolge einiges zu bieten und Weiterentwicklungspotenzial. Im intensiven Finanzplatz-Wettbewerb sei es für die Main-Metropole wesentlich, sich auf Stärken und langfristige Erfolgsfaktoren zu konzentrieren. „Dementsprechend sollte Frankfurt seine Rolle als zentraler Bankenplatz in Europa ausbauen und sein Profil als Standort wichtiger Institutionen für Geldpolitik, Bankenaufsicht und Nachhaltigkeit schärfen.“ Mit entsprechender Vermarktung und Zusammenarbeit der Akteure könne Frankfurt dann „als Place to be in der Bankenwelt“ weiterwachsen.

Zu den Charakteristika, die unverzichtbar für eine dauerhaft erfolgreiche Positionierung in der Finanzwelt seien, zählt Bischoff nicht nur Banken und Börse, sondern auch finanzbezogene Bildung und Forschung, Trends in der Finanzbranche, finanzbezogene Institutionen und standortspezifische Qualitäten.

Jeder zehnte Beschäftigte

Bischoff zufolge ist und bleibt die Main-Metropole unangefochten der führende Bankenplatz hierzulande mit einem Anteil von annähernd 11% der deutschen Bankbeschäftigung. Insgesamt rund 66.200 Menschen und damit in der Abgrenzung der Helaba gut jeder zehnte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte von Banken, Bundesbank und Börse arbeitet in Frankfurt. Nicht berücksichtigt sind in den Zahlen Mitarbeiter von EZB, Versicherungen und Fondsgesellschaften. Bis Ende 2024 wird die Zahl früheren Schätzungen der Helaba zufolge um 1.000 auf 67.200 steigen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es noch 62.200. Die Helaba gibt seit 2006 Finanzplatz-Studien heraus und wird im Herbst ihre neue Prognose für die Frankfurter Bankbeschäftigung veröffentlichen.

Gewinnt Frankfurt also hinzu, so sinkt die Zahl der Mitarbeiter bundesweit. Allein von 2003 bzw. 2013 ging es bis 2019 von 740.000 bzw. 683.000 auf 629.000 bergab, wie Daten der Deutschen Bundesbank zeigen. Sie führt diese Statistiken mittlerweile nicht mehr weiter. Der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes (AGV Banken) grenzt Bankbeschäftigung derweil anders ab und kommt auf geringere Werte. Der Trend jedoch ist eindeutig: Von 2013 bis 2022 ist demnach die Zahl der hierzulande in Banken und Sparkassen Beschäftigten von 645.550 auf 535.600 geschrumpft, ein Minus von 17%.

München zweitwichtigster deutscher Standort

Insgesamt ein Drittel der in Banken, Bundesbank und Börsen Beschäftigten ist an einem der deutschen Finanzstandorte tätig. In München waren es laut Helaba vor gut zwei Jahren rund 35.000 Beschäftigte, was einem Anteil von knapp 6% entspricht. Es folgen Hamburg/Kiel sowie Berlin mit jeweils mehr als 4%, Köln/Bonn (3%), Stuttgart und Düsseldorf (jeweils leicht unter 3%).

Die Bruttowertschöpfung der Finanz- und Versicherungsdienstleister in Hessen beziffert das Statistische Landesamt auf Anfrage auf 22,1 Mrd. Euro und damit auf 17,9% des bundesdeutschen Werts von 123,2 Mrd. Euro. Daten für Frankfurt sind nicht erhältlich, doch dürfte die Stadt erheblichen Anteil daran haben. „Bei der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung und beim Bruttoinlandsprodukt betrug der Anteil Hessens an Deutschland 8,4%“, schreibt die Statistikbehörde und verweist darauf, dass der Vergleich der 17,9% mit diesem Wert die quantitative Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt für Deutschland gut verdeutliche.

Frankfurt profitiert unter anderem von der Konzentration auf Konzernzentralen, wo etwa Regulierungs-, Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsexperten zusammengezogen werden, der Ansiedlung bedeutender Aufsichtsinstitutionen und neuerdings des Hauptsitzes des International Sustainability Standards Board (ISSB), was der Stadt einen Schub als Nachhaltigkeitshub verleihen dürfte. Sieben der zehn größten Banken in Deutschland haben ihre Zentralen in Frankfurt. Die vereinten Bilanzsummen von Deutscher Bank, DZ Bank, KfW, Commerzbank, J.P. Morgan SE, Helaba und ING Deutschland summieren sich auf 3,9 Bill. Euro und damit 35% der gesamten deutschen Banken-Bilanzsumme von 11 Bill. Euro. In München sind von den Top-10-Banken HVB und BayernLB vertreten, in Stuttgart ist es die LBBW.

Der Brexit-Effekt ist derweil weit schwächer ausgefallen als ursprünglich erwartet. Statt der einst kolportierten 8.000 bis 10.000 Stellen wurden im Zuge des Austritts Großbritanniens aus der EU rund 3.500 Stellen nach Frankfurt verlagert bzw. dort aufgebaut. 111 und damit mehr als die Hälfte der etwa 200 Auslandsbanken in Deutschland haben laut Helaba ihren Hauptsitz in Frankfurt.

Auch die Aufsichtsbehörden haben in der Main-Metropole Personal aufgebaut. Deutlich wird das insbesondere an der EZB, die laut Helaba 1998 mit rund 500 Mitarbeitern startete und mittlerweile über 4.100 Beschäftigte in Frankfurt hat, rund 30% davon in der Finanzaufsicht. Hinzu kommen in Frankfurt etwa 4.700 Mitarbeiter der Bundesbank, 860 der BaFin und 140 der EU-Versicherungsaufsicht EIOPA. Hoffnungen ruhen auch darauf, dass die geplante europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA mit 250 Mitarbeitern in Frankfurt angesiedelt wird.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.