LEITARTIKEL

Abschied von der Parität

Es ist noch nicht lange her, da schien ein Kurs von 95 US-Cent je Euro eine zwangsläufige Entwicklung zu sein, auch 90 US-Cent wurden als Kursziel aufgerufen. Es ist still um die Euro-Bären geworden. Schon im vergangenen Herbst verabschiedete sich...

Abschied von der Parität

Es ist noch nicht lange her, da schien ein Kurs von 95 US-Cent je Euro eine zwangsläufige Entwicklung zu sein, auch 90 US-Cent wurden als Kursziel aufgerufen. Es ist still um die Euro-Bären geworden. Schon im vergangenen Herbst verabschiedete sich eine ganze Reihe von Häusern von der Prognose, der Euro werde bald schon billiger als ein Dollar sein. Den Abschied von dieser Erwartung verstärkten nun ausgerechnet die beiden Notenbanken, welche zuvor die Paritätsspekulationen am meisten angeheizt hatten. Die Geldpolitik in den USA und der Eurozone könnte im kommenden Jahr nämlich weit weniger divergieren, als Marktakteure aktuell noch auf der Rechnung haben. Sollte sich jedoch die Zinsdifferenz der beiden Währungsräume – insbesondere im kurzen Laufzeitenbereich – weniger stark als erwartet zugunsten des Dollar ausweiten, spräche kaum noch etwas für eine deutliche Fortsetzung der Dollar-Rally.Die Aufwertung des Greenback setzte im Frühjahr 2013 ein, als der damalige Präsident der Federal Reserve, Ben Bernanke, erstmals ein Ende der ultralockeren US-Geldpolitik andeutete, wofür später der Begriff Tapering geprägt wurde. Seither hat der Dollar-Index, der den Wert des Greenback gegenüber sechs anderen Industrieländer-Währungen abbildet, mehr als ein Fünftel an Wert gewonnen – und damit die Ausweitung der Zinsdifferenz zwischen Eurozone und USA weitgehend vorweggenommen.Die Prognose der Parität von Euro und Dollar beruhte im Wesentlichen auf der Erwartung, dass die Federal Reserve den US-Leitzins strafft, während die Europäische Zentralbank (EZB) weiter auf dem Gaspedal stehen wird. Die jüngsten geldpolitischen Schritte und die sie begleitende Kommunikation sprechen zwar weiter für ein divergierendes Verhalten der beiden global wichtigsten Notenbanken, doch die Divergenz wird wohl 2016 geringer ausfallen, als dies vielfach noch am Markt erwartet wird. Während die Prognose einer weiterlaufenden Dollar-Aufwertung auf der Erwartung einer moderaten EZB und einer falkenhaften Fed beruhte, ergibt sich nun ein differenzierteres Bild: Die Fed wird wohl nur moderat ihre Zinsen erhöhen, wohingegen die Lockerung der EZB zurückhaltend ausfallen könnte. Von Seiten der US-Notenbank zeichnet sich nach der jüngsten Pressekonferenz ihrer Präsidentin Janet Yellen ein eher langsamer Zinserhöhungszyklus ab. Zwar hat die US-Notenbank noch kurz vor Weihnachten erstmals seit Juni 2006 wieder ihren Leitzins angehoben und damit einen weiteren Schritt von der Krisenpolitik weg gemacht. Doch mit einem oberen Rand von 0,5 % ist der US-Leitzins damit historisch betrachtet noch immer extrem niedrig. Zudem äußerte sich Yellen eher skeptisch im Hinblick auf globale Risiken für das US-Wachstum und verwies darauf, dass die von der Fed stark beachtete Kerninflationsrate (Verbraucherpreisanstieg ohne die volatilen Komponenten Energie und Lebensmittel) in den USA noch nicht wieder auf die Zielmarke von 2 % gestiegen ist. Ohne anziehende Inflation keine weiteren Zinsschritte, lautete die implizite Botschaft der Fed-Chefin. Zudem hat sich das makroökonomische Umfeld in den Vereinigten Staaten zuletzt eingetrübt. Die nächste Rezession scheint näher als die letzte zu sein.Während der US-Zinsausblick also moderater als erwartet ist, hat die EZB jüngst mit einer eher zurückhaltenden Lockerung der Geldpolitik überrascht. Eine Ausweitung der Anleihekäufe und weitere Senkung der Einlagezinsen wird zunehmend unwahrscheinlich. Dafür sprechen zwei Gründe: Trotz des aktuell billigen Öls läuft der Basiseffekt bei der Inflation 2016 langsam aus, so dass sich das Fenster für weitere Lockerungsübungen der EZB zunehmend schließen wird. Zudem bleibt nach Einschätzung vieler Volkswirte die Eurozone auf moderatem Wachstumskurs. Beides spricht für eher steigende Renditen am Sekundärmarkt, so dass der Euro von dieser Seite kaum noch Gegenwind bekommen dürfte.Es müssen nicht 1,23 Dollar sein, wie sie kürzlich die Saxo Bank als möglichen Euro-Kurs in einem Jahr ausgegeben hat, aber eine Aufwertung des Euro erscheint vor diesem Hintergrund nicht unwahrscheinlich. Das heißt allerdings nicht, dass die Parität im Jahresverlauf nicht doch noch gerissen wird. Dies dürfte dann aber eher ein Überschießen in der volatilen Schlussphase der Dollar-Rally sein, als dass es einen nachhaltigen Trend aufzeigt. Vielmehr dürfte die Zeit der Unterbewertung der Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar langsam zu Ende gehen.——–Von Stefan Schaaf Die Geldpolitik in der Eurozone und in den USA könnte im neuen Jahr weit weniger divergieren als angenommen. Eine Euro-Aufwertung erscheint deshalb möglich.——-