Abwärtstrendkanal weist auf neue Jahrestiefstände des Euro hin
Technische Analyse
Abwärtstrendkanal weist auf neue Jahrestiefstände des Euro hin
Von Stefan Grothaus *)
*) Stefan Grothaus ist Senior-Devisenanalyst der DZ Bank.
Zur Erinnerung: vor einem Jahr notierte Euro-Dollar unterhalb der Parität und im Tief mussten für einen Euro im September 2022 nur 0,9536 Dollar gezahlt werden. Vor diesem Hintergrund mutet die seit dem Sommer anhaltende Euro-Schwäche zunächst wenig dramatisch an. Ausgehend von dem Juli-Hoch bei 1,1276 Dollar verzeichnete die Gemeinschaftswährung aber immerhin Verluste von rund 6,5%. In der Nachbetrachtung interessant ist dabei, dass das Juli-Hoch ziemlich genau dem 61,8%-Fibonacci-Retracement der langen Abwärtsbewegung des Euro von Januar 2021 (1,2349 USD) bis September 2022 entspricht. Aktuell zeigt sich der Kurs nun nicht weit vom 38,2% Fibonacci Retracement (1,0635 Dollar) dieser Bewegung.
Allerdings befindet sich der Euro derzeit auch in einem ausgeprägten charttechnischen Abwärtstrendkanal, der erst in der vergangenen Woche, wie schon Anfang September, einen Erholungsversuch des Euro ausgebremst hatte. Die Obergrenze dieses Trendkanals liegt aktuell bei rund 1,0600 Dollar, während sich die Untergrenze bei etwa 1,035 Dollar bewegt. Derzeit kann sich der Euro noch oberhalb der wichtigen Marke von 1,05 Dollar halten, in der Vergangenheit hatte sich der Euro zwar des Öfteren an dieser Größe orientiert, für eine Klassifizierung als echte Unterstützungsmarke reicht es aber nicht, da auch zu häufig Durchbrüche nach unten verzeichnet wurden. Aus charttechnischer Sicht stellt sich nun die Frage, welchen Weg Euro-Dollar in den kommenden Tagen und Wochen einschlagen.
Nimmt man hierzu zunächst die charttechnischen Tagesindikatoren näher unter die Lupe, gibt es deutliche Hinweise, die für eine zuversichtliche Positionierung gegenüber dem Euro sprechen.
Im positiven Bereich
Das Momentum ist erst jüngst in den positiven Bereich eingetreten und signalisiert damit einen weiteren Anstieg der Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar. Schon etwas länger zeigen sich zudem sowohl der MACD als auch die Stochastik mit Niveaus oberhalb ihrer jeweiligen Signallinie positiv gestimmt. Damit weisen alle drei Trendindikatoren in die gleiche Richtung. Der RSI bewegt sich zudem in seinem neutralen Bereich, so dass von dieser Seite noch keine Warnungen ausgehen.
Folgt der Euro diesen grundsätzlich positiven Kurzfristsignalen, könnte zunächst das sehr nahe liegende Hoch vom 2. Oktober bei 1,0592 Dollar einen gewissen Widerstand ausüben. Ansonsten ist jedoch die obere Grenze des Abwärtstrendkanals (1,06 Dollar) die entscheidende Größe, die durch das dort liegende Hoch vom 6. Oktober eine zusätzliche Relevanz bekommt. Kurzfristige Rückschläge sollten durch eine Unterstützung beim Tief vom 13. Oktober bei 1,0496 Dollar aufgehalten werden. Blickt man jedoch etwas über das Tagesgeschäft hinaus und betrachtet die Indikatoren auf Wochensicht, so lässt sich feststellen, dass alle hier betrachteten Trendindikatoren mehr oder weniger deutlich nach Süden weisen und dies bereits seit einigen Wochen.
Sowohl Stochastik als auch MACD liegen spürbar unter ihren jeweiligen Signallinien und beide machen auch keine Anstalten sich ihnen wieder zu nähern. Noch trüber sieht es bei dem Momentum aus, dass sich immer weiter in den negativen Bereich bohrt. Angesichts dieser deutlich abwärts gerichteten Entwicklung könnte man vielleicht auf eine überverkaufte Lage schließen, jedoch liegt der RSI noch über dem von uns bevorzugten Warnniveau von 30 Punkten und damit im neutralen Bereich.
Jahrestief in Reichweite
Mit Blick auf die kommende Woche muss damit mit einer erneuten Abwärtsbewegung des Euro gerechnet werden. Die bereits genannte Unterstützung bei 1,0496 Dollar sollte hier kaum die notwendige Hilfe sein, so dass schon bald das Tief vom 3. Oktober bei 1,0448 Dollar, das zugleich auch das Jahrestief bedeutet, in Reichweite kommt. Auch diese Marke muss sich erst bewähren, könnte aber auf Wochensicht die Bewegung begrenzen. Jenseits des Jahrestiefs fallen aber bis zur Untergrenze des aktuellen Abwärtstrendkanals nur wenige weitere Unterstützungsmarken auf. Hier käme allenfalls der runde Wert von 1,0400 Dollar in Frage.
Sollten sich in dieser Betrachtung jedoch die Tagesindikatoren als stärker erweisen, muss der Euro es aber auch schaffen den Abwärtstrendkanal, nach oben zu durchbrechen und Niveaus von über 1,06 Dollar erreichen. Als nächster Widerstand stünde dann das Hoch vom 12. Oktober bei 1,064, dem letzten vergeblichen Ausbruchsversuch aus dem Trendkanal, im Weg. Zumindest auf Wochensicht sollte dann aber spätestens im Bereich von 1,07 Dollar Schluss sein, hatte der Euro doch in der Vergangenheit bereits einige Male (Juni und September) hier zumindest eine Pause eingelegt.
Euro-Dollar steht vor der spannenden Entscheidung, ob es ihm gelingen kann, den Abwärtstrendkanal zu durchbrechen. Die Indikatoren auf Tagessicht lassen dies zumindest möglich erscheinen. Dann wäre auf Wochensicht sogar der Weg bis 1,07 Dollar nicht überraschend. Allerdings hatte sich der Abwärtstrendkanal bereits mehrfach bewährt, so dass auch aktuell ein Ausbruch wohl die weniger wahrscheinliche Richtung ist. Entsprechend muss sich das Währungspaar wohl perspektivisch auf ein neues Jahrestief und Kurse bis hinab auf 1,04 Dollar vorbereiten.
*) Stefan Grothaus ist Senior-Devisenanalyst der DZ Bank.