Adidas wird an der Börse zum Dauerläufer
Von Joachim Herr, MünchenZugegeben, es ist ein Luxusproblem: Schon drei Mal in diesem Jahr musste Adidas die Gewinnprognose für 2016 höherschrauben. Zumindest der erste Schritt war keine große Überraschung, auch etliche Aktienanalysten hatten damit gerechnet. Da stellt sich die Frage: Ist der Vorstand des Sportartikelkonzerns zu vorsichtig? Wer könnte es ihm verdenken – 2014 wurde das Topmanagement um Herbert Hainer heftig für verfehlte Vorhersagen kritisiert. In seinem letzten Jahr an der Spitze möchte Hainer so etwas auf keinen Fall mehr erleben.Andererseits verhehlt Robin Stalker, seit 16 Jahren an Hainers Seite Finanzchef, nicht den Ehrgeiz, Geschäftszahlen möglichst treffsicher anzukündigen. “Deutliche Abweichungen von der Prognose – in welche Richtung auch immer – sind nicht im Sinne unserer Aktionäre”, sagte er vor einem halben Jahr im Interview der Börsen-Zeitung. Korrektur wegen ChelseaMitte Februar folgte dann die erste Erhöhung, in der vergangenen Woche die dritte. Die ersten beiden verdankte das Unternehmen dem lebhaften Geschäft – für die gesamte Sportartikelindustrie sowie für Schuhe, Trikots und Jacken der Marke Adidas im Besonderen. Diese Entwicklung lässt sich schon seit einiger Zeit beobachten. Eine verbesserte Prognose war mehr oder weniger nur eine Frage der Zeit.Grund für die jüngste Korrektur war dagegen ein Sonderertrag, der sich offenbar relativ kurzfristig ergeben hat: Der englische Fußballklub FC Chelsea und Adidas beenden in gut einem Jahr vorzeitig ihren Ausrüstervertrag. Für entgangene Umsätze in der Zukunft – vor allem aus dem Verkauf der blauen Chelsea-Trikots mit den drei Streifen – erhält der Sponsor von dem Verein eine Entschädigung. Die treibt den für dieses Jahr erwarteten Nettogewinn von bisher 830 Mill. bis 850 Mill. Euro auf 900 Mill. Euro nach oben.Analysten interpretierten die Trennung von Chelsea, dem Sieger des Champions-League-Finales 2012 in München gegen den FC Bayern, ganz unterschiedlich. Herbert Sturm von der DZ Bank vermutet nun einen größeren finanziellen Spielraum von Adidas in den Verhandlungen mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Der Ausrüstervertrag mit der Nationalmannschaft läuft 2018 aus. Hainer berichtete auf der Adidas-Hauptversammlung in der vergangenen Woche von engen Gesprächen mit dem DFB. Zuzanna Pusz von der Berenberg Bank sieht die Sache mit Chelsea dagegen als Warnsignal. Die Entscheidung wecke Sorgen: Die Analystin befürchtet ein verstärktes Ringen um Sponsorenrechte im europäischen Fußball. Höhere KurszielePusz zählt schon seit längerem zu den skeptischen Begleitern von Adidas. Sie empfiehlt die Aktie zu halten und steckt ein Kursziel von 98 Euro. Im vergangenen Jahr riet sie noch zum Verkauf. Dasselbe Kursziel und die Einstufung “neutral” gibt J.P. Morgan an.Andere professionelle Branchenbeobachter empfehlen Adidas weiterhin zum Kauf und haben parallel zur Geschäfts- und Börsenentwicklung des Unternehmens in diesen Tagen ihre Kursziele erhöht: die HSBC zum Beispiel von 108 auf 130 Euro, Kepler Cheuvreux von 110 auf 128 Euro. Besonders optimistisch ist Jamie Bajwa von Goldman Sachs. Sein Kursziel steht bei 139,70 Euro. Aktuell sind es 109,50 Euro. Nach einer Übersicht der Agentur Bloomberg empfehlen derzeit 17 Analysten Adidas zum Kauf, 21 raten zum Halten und vier zum Verkauf.Die im vergangenen Jahr gestartete Rally der Aktie legte 2016 noch an Tempo zu. Mit einem Plus von fast 22 % seit Jahresanfang ist das fränkische Sportartikelunternehmen der mit Abstand beste Wert im Dax. Diese Meisterschaft gewann Adidas schon 2015, glich damit aber lediglich den Kursabstieg im Jahr zuvor aus. Bald eine Atempause?Nach dem Dauerlauf in den vergangenen Wochen braucht die Aktie nach Ansicht von Fred Speirs von der UBS erst einmal eine Atempause. Schon bevor Adidas die Gewinnprognose zum dritten Mal änderte, hob er zwar das Kursziel von 107 auf 114 Euro an, senkte aber sein Urteil von “Kaufen” auf “Neutral”. Das Verhältnis von Chancen und Risiken erscheint ihm auf dem aktuellen Kursniveau ausgeglichen. Zu denken gibt Speirs, dass sich die Stimmung im Markt für die Adidas-Aktie sehr stark verbessert habe und neue Impulse vorerst fehlten. Beeindruckend findet er andererseits das Wachstum der Stammmarke Adidas in allen Regionen und Produktgruppen sowie den frühen Erfolg des vor einem Jahr gestarteten Fünf-Jahres-Programms “Creating the New”. Schlüsselmarkt USADoch schon heute wagt Speirs die Vorhersage, dass Adidas im Jahr 2020 das selbst gesteckte Margenziel nicht erreichen wird. Er rechnet mit einer operativen Umsatzrendite von 8,3 %. Das Management ist da viel zuversichtlicher: Vorstandschef Hainer gibt seinem Nachfolger Kasper Rorsted das Ziel vor. Zweistellig soll die Marge in vier Jahren sein. So soll der Abstand zum Weltmarktführer Nike verkürzt werden, der zuletzt auf 14 % kam. Adidas strebt nach 6,5 % im vergangenen Jahr für 2016 eine Verbesserung auf 7 % an.Die vor kurzem beschlossene Trennung von der Marke Taylormade mit Golfschlägern und Zubehör ist ein Baustein, um die Profitabilität zu verbessern. Auch Reebok hinkt der Marge der Marke Adidas weit hinterher. Hainer und seine Mannschaft wollen trotzdem daran festhalten. Ihr Argument: Das Segment Fitness, auf das sich Reebok konzentriert, wächst stark. Dritter und wohl wichtigster Ansatzpunkt ist das Geschäft in den USA. Dort lag die operative Umsatzrendite zuletzt bei nur 2,7 %. Zum Vergleich die stärkste Region China: Dort erzielt Adidas 39 %.In den USA investiert der Konzern seit einiger Zeit viel ins Marketing, um in dem zuvor vernachlässigten Markt aufzuholen. Offenbar mit Erfolg: Adidas sei derzeit in Nordamerika die am stärksten wachsende Marke, sagt Hainer. Und es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis der aggressive Aufsteiger Under Armour in seinem Heimatmarkt USA wieder vom zweiten Platz verdrängt werde. Bis das Nordamerika-Geschäft eine verbesserte Prognose wert sein könnte, dürfte es aber noch dauern.