Aktienmarkt

Zuversicht für Argentinien

Argentiniens Aktienindex boomt. Nach den Vorwahlen im August mehren sich die Hoffnungen auf eine Marktöffnung von Lateinamerikas drittgrößter Volkswirtschaft. Im Fokus steht dabei der ultraliberale Ökonom Javier Milei, der die Vorwahl gewann. Seine Reformideen sind radikal – und schwer durchzusetzen.

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Marktfreundliche Parteien gewinnen Vorwahlen – Aktienmarkt haussiert

Argentiniens Aktienindex boomt. Nach den Vorwahlen im August mehren sich die Hoffnungen auf eine Marktöffnung von Lateinamerikas drittgrößter Volkswirtschaft. Im Fokus steht dabei der ultraliberale Ökonom Javier Milei, der die Vorwahl gewann. Seine Reformideen sind radikal – und schwer durchzusetzen.

Von Andreas Fink, Buenos Aires

Die Überraschung bei den argentinischen Vorwahlen beflügelt die Wertpapiermärkte. Dass sich am 12. August fast 60% der Wähler für die zwei wichtigsten marktfreundlichen Parteien entschieden hatten, sehen viele Anleger als Zeichen für eine nachhaltige Wende der politischen Stimmung. Sowohl die siegreiche ultraliberale Gruppierung „La Libertad Avanza“ als auch das zweitplatzierte Bündnis „Juntos por el Cambio“ befürworten entschieden die Öffnung der argentinischen Wirtschaft, ein möglichst schnelles Ende der Währungskontrollen und deutliche Reformen des Arbeitsmarktes, des Steuersystems sowie er-
hebliche Reduktionen der Staatsausgaben.

Die Peronisten, deren abgelaufene Regierungszeit von dramatischen internen Streitereien geprägt war, kamen bei den Vorwahlen nur auf den dritten Platz und es erscheint nicht ausgeschlossen, dass es der Peronismus beim offiziellen Wahlgang am 22. Oktober erstmals seit der Rückkehr zur Demokratie vor 40 Jahren nicht in die Stichwahl schafft, die am 19. November stattfinden könnte. Diese würde erforderlich, falls keine Präsidialformel im ersten Wahlgang mehr als 45% erreicht. Zum Gewinn der Präsidentschaft können gemäß der Verfassung von 1994 auch 40% der Stimmen reichen, wenn der Zweitplatzierte nicht mehr als 30% der Stimmanteile einfährt.

Die Figur, die Argentinien – und auch viele Anleger – derzeit elektrisiert, ist der ultraliberale Führer Javier Milei. Der 52-jährige Ökonom ist, wie Donald Trump oder Jair Bolsonaro ein Außenseiter des Politikbetriebs, erst seit zwei Jahren ist er Abgeordneter des Kongresses. Und, anders als Trump, der sich auf die republikanische Partei stützte, und Bolsonaro, dessen Rückhalt das Militär war, kam der Ökonom Milei ohne traditionellen Apparat auf fast 30% der Stimmen in der Vorwahl und macht sich nun große Hoffnung, durch die Mobilisierung unter den etwa 30% Nicht-Wählern die Präsidentschaftswahl am 22. Oktober zu gewinnen.

Das erscheint nicht unmöglich, aber die großen Fragezeichen stellen sich ab dem 10. Dezember. Wie will Milei ohne parlamentarische Mehrheit und eigenen Apparat den ausgebluteten Staat übernehmen? In Argentinien sind durch eine Inflation von mehr als 120% weite Teile des Mittelstands verarmt. Am Tag nach der Stichwahl veranlasste der peronistische Finanzminister – und Spitzenkandidat – Sérgio Massa eine Abwertung des Peso um 25%, die nichts anderes bewirkte, als die Preise weiter zu treiben. In den vier Regierungsjahren von Alberto Fernández sind die Preise um 600% gestiegen.

Viele Punkte in Mileis Programm klingen revolutionär, sind aber schwer zu realisieren. So versprach Milei, den Dollar anstelle des erschöpften Peso einzuführen, aber das erscheint kaum möglich in einem Land ohne Devisenreserven. Sollte Milei, wie angekündigt, die Hälfte der Ministerien schließen, muss er sich auf eine Prozesslawine einstellen, die von heftigen Protesten auf den Straßen begleitet werden dürfte. Wegen seiner Radikalität, seiner Reizbarkeit und dem großen Potenzial für politische Unruhen erscheint Milei vielen Marktteilnehmern immer noch als ein Risiko. Darum wollen am kommenden Donnerstag die drei wichtigsten ökonomischen Berater Mileis in New York mit 25 Vertretern großer Investmentfonds zusammenkommen, um die Pläne des selbst deklarierten „Anarcholiberalen“ zu präsentieren. Milei hat in mehreren Interviews wiederholt, dass er alleine die USA und Israel als strategische politische Partner für seine Präsidentschaft ansieht. Politische Allianzen mit China lehnt er ebenso ab wie eine Vertiefung institutioneller Kontakte mit dem links regierten Brasilien, auch vom Ausbau der Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur hält er nichts.

Die Aussicht auf einen deutlichen Kurswechsel in Buenos Aires war seit Jahresanfang deutlich gestiegen, nachdem eine Dürre die Deviseneinnahmen des Landes um 25 Mrd. reduzierte. Das brachte die Peronisten um die Möglichkeit, große Wahlgeschenke zu verteilen. Ausländische Hedgefonds verstanden das zuerst und kauften bereits im ersten Halbjahr argentinische Aktien. Im letzten Jahr hat sich der Wert von Argentiniens Flaggschiff-Aktienindex, dem S&P Merval, mehr als verdreifacht, wobei zwei Drittel dieses Gewinns im bisherigen Jahresverlauf 2023 erzielt wurden. Im August ist der Merval um über 30% gestiegen. Tatsächlich waren viele argentinische Anteile durch die desaströse Politik der Peronisten in den letzten Jahren an den Märkten weit unter ihren realen Wert gefallen. Der Chef der Börse von Buenos Aires, Adelmo Gabbi, sagte Ende August, dass Anleger, die jetzt in den argentinischen Aktienmarkt einsteigen, immer noch zu „sehr niedrigen Preisen“ einkaufen.

Bisher halten sich die Anleger jedoch weitgehend an in den USA notierte argentinische Aktien in US-Dollar, anstatt sie direkt an der argentinischen Börse in den volatilen Pesos zu kaufen.

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