Aktionäre in der Defensive
Von Thorsten Kramer, FrankfurtEuropas Aktienmärkten steht eine spannende Handelwoche bevor. Mit dem Ifo-Geschäftsklima für Deutschland und dem Auftragseingang für die US-Industrie stehen richtungsweisende Konjunkturdaten zur Veröffentlichung an, zudem nimmt nun auch in Europa die Quartalsberichtssaison Tempo auf. Aktienstrategen erwarten unter dem Strich eine leichte Aufwärtsbewegung. Aber das Sentiment ist weiterhin angespannt.Belastet von gewachsenen Konjunktursorgen, verbuchten die Aktienmärkte innerhalb der Eurozone in der nun abgelaufenen Handelswoche Verluste. Der Dax fiel um 3,7 % auf 7 460 Punkte, wobei der Kursrutsch am Mittwochvormittag den Akteuren regelrecht einen Schrecken einjagte. Eine Reihe von automatischen Verkaufsorders drückte den Index kurzerhand um rund 200 Punkte, ohne dass Händler dafür eine Erklärung parat hatten. Der Euro Stoxx 50 gab binnen fünf Tagen um 2,2 % auf 2 575 Punkte nach.Beide Indizes notieren inzwischen unter ihren Niveaus vom Jahreswechsel, ebenso wie die Leitindizes an den Börsen in Paris, Mailand und Madrid – ein Beleg dafür, dass die Zypern-Krise und das politische Ränkespiel in Italien die Anleger verunsichern. Sie positionieren sich nach wie vor sehr defensiv, und dies rückt in Europa die Aktienmärkte in London und Zürich in den Fokus des Interesses. Der britische FTSE 100 notierte vor dem Wochenende denn auch um 6,6 % über dem Stand vom Jahresbeginn, der Schweizer Leitindex SMI rückte in den ersten viereinhalb Monaten des Börsenjahres sogar schon um 11,7 % vor.Angesichts des weltweiten Geldmengenwachstums und der robusten Entwicklung an den Anleihemärkten in Spanien und Italien geht die Commerzbank davon aus, dass sich der deutsche Aktienmarkt in diesem Jahr aber in jedem Fall besser behaupten wird als in den beiden Vorjahren, in denen der Dax vom zyklischen Hoch um 32 % bzw. um 17 % absackte. Bereits auf dem aktuellen Niveau biete sich eine Nachkaufgelegenheit, Rückschläge im Zuge der bislang enttäuschenden Berichtssaison sollten zum Aufstocken von Positionen genutzt werden, rät Anlagestratege Andreas Hürkamp.Zuversicht zeigt auch die WGZ Bank. Sie konstatiert, dass der Aktienmarkt angeschlagen ist. Die Argumente für ein Aktieninvestment – expansive Geldpolitik, moderate Bewertung und ein Mangel an real rentierlichen Anlagealternativen – seinen aber immer noch dieselben. Ähnlich argumentiert die Schweizer Bank Julius Bär. Für Konjunkturoptimisten seien es zwar schwierige Zeiten, dennoch sei davon auszugehen, dass sich die Weltwirtschaft stetig erholt. Die Marktanalysten des Instituts gehen zudem davon aus, dass nun die Diskussion über zusätzliche Stimuli der Europäischen Zentralbank intensiver geführt wird. Bundesbankpräsident Jens Weidmann brachte in einem Interview bereits eine weitere Zinssenkung ins Spiel, auch wenn er dann zurückruderte, zudem kursierten Gerüchte über ein Kreditanreizprogramm. “Wir halten es für wahrscheinlich, dass beide Maßnahmen in den kommenden Monaten von der EZB beschlossen werden”, so Julius Bär.Nachdem zuletzt japanische und US-Aktienkurse deutlich gestiegen sind, glaubt die Helaba im weiteren Jahresverlauf sogar an einen Favoritenwechsel. “Nach der laufenden Korrektur versprechen Standardwerte aus dem Euroraum das größte Ertragspotenzial”, sagt Anlagestratege Markus Reinwand. Ob sich die Wachstumsunsicherheiten bereits legen könnten, wird für Deutschland der Ifo-Index am Mittwoch zeigen. Der Konsens erwartet den viel beachteten Frühindikator bei 106,3 Zählern und damit um 0,4 Punkte unter dem Stand des Vormonats.