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Aktionärsrechte-Richtlinie auf der Zielgeraden

Von Wolf Brandes, Frankfurt Börsen-Zeitung, 20.8.2020 Eine interessante Vorstellung: Der CFO eines deutschen Konzerns lässt sich vor seiner Präsentation in Mailand eine aktuelle Liste mit den Aktionären kommen - keine Woche alt sind die Zahlen....

Aktionärsrechte-Richtlinie auf der Zielgeraden

Von Wolf Brandes, FrankfurtEine interessante Vorstellung: Der CFO eines deutschen Konzerns lässt sich vor seiner Präsentation in Mailand eine aktuelle Liste mit den Aktionären kommen – keine Woche alt sind die Zahlen. Nach dem Termin fragt er ab, was sich seit der Präsentation im Aktionärskreis getan hat. Noch ist das Wunschmusik, doch mit dem Inkrafttreten von Arug II werden solche Auskunftspflichten und die Schnelligkeit der Datenübermittlung vorgeschrieben. Wunschmusik mancher Anteilseigner ist derzeit auch noch, zu einer Hauptversammlung eines französischen Unternehmens eingeladen zu werden. Grenzüberschreitend fallen solche Informationen bisweilen unter den Tisch. Mit Arug II soll damit Schluss sein. Die Kette zwischen den Emittenten, die über Hauptversammlungen und Unternehmensereignisse informieren, und den Aktionären, soll schnell und sicher funktionieren. Knappe FristenDie neu gefasste Aktionärsrechterichtlinie und deren Umsetzungsgesetz (Arug II) werden die Kommunikation zwischen Unternehmen und Aktionären verbessern. Ziel ist einerseits, dass Unternehmen ihre Aktionäre besser und schneller identifizieren können; andererseits geht es darum, dass Informationen zu Hauptversammlungen und Unternehmensereignissen die Anteilseigner schneller und zuverlässiger erreichen – europaweit. Daher werden durch Arug II die Pflichten für Intermediäre auf ein EU-einheitliches Niveau gehoben. Arug II als deutsche Umsetzung der Shareholder Rights Directive II (SRD II) gilt vollumfänglich ab dem 3. September.Was auf den ersten Blick sinnvoll ist und schlüssig klingt, bereitet der Finanzbranche und den Emittenten Kopfzerbrechen. Um die Anforderungen von Arug II zu erfüllen, müssen Datensätze harmonisiert und Prozesse angeglichen werden. Wegen der Herausforderungen hat die Bankenseite versucht, SRD II auch wegen Corona noch einmal zu verschieben; Finanzmarktverbände hatten eine Verschiebung um ein Jahr verlangt. Dieses Ansinnen wiesen Aktionärsvereinigungen prompt zurück. In einem Brief an die EU-Kommission stellten sie klar, eine Verzögerung sei nicht akzeptabel. Intermediäre wie Banken und Verwahrstellen hätten Zeit genug gehabt, um die Implementierung voranzutreiben. Der Stichtag 3. September sei auch so gewählt worden, dass die meisten Hauptversammlungen schon einberufen worden sind (darauf kommt es an) und somit die Neuregelung im Wesentlichen die Hauptversammlungen des nächsten Jahres betreffen. Die EU-Kommission ließ sich nicht von dem beschlossenen Zeitplan abbringen und hat eine Verschiebung des Termins der Umsetzung der Richtlinie abgelehnt.Die Implementierung ist für alle Beteiligten jedoch alles andere als einfach. “Die Umsetzung der SRD II in nationales Recht der Mitgliedstaaten ist europaweit eine Herkulesaufgabe und wird sicherlich am Anfang überall ruckeln. In Deutschland hatten wir den Vorteil, dass Banken und Emittenten von Anfang an zusammengearbeitet haben”, sagt Stefanie Heun, Expertin für Kapitalmärkte und Marktinfrastrukturen beim Bankenverband BdB. Banken fungieren im Sinne des Gesetzes als Intermediäre zwischen Emittent und Aktionären. Sven Hemeling, Leiter Primärmarktrecht beim Deutschen Aktieninstitut, ergänzt: “Die Herausforderung bei den HV-Prozessen ist für alle Beteiligten, von unterschiedlichen nationalen Prozessen auf einen weitgehend einheitlichen europäischen Standard umzustellen.” Angesichts der knappen Fristen, die die rechtlichen Vorgaben für die Abläufe vorsehen, gehe es nicht ohne automatisierte Prozesse. Das Aktieninstitut, das die Aktiengesellschaften, also die Emittenten im Blick hat, betont ebenfalls die Bedeutung des “intensiven Dialogs” zwischen den Beteiligten.Für BdB-Expertin Heun sind neben technischen Fragen der Umsetzung auch rechtliche Aspekte offen. “Es ist noch unklar, wie das deutsche Einladungssystem zur HV künftig unter Arug II funktionieren kann”, sagt sie. “Die europäischen Vorgaben sind nur schwer in nationales Gesellschaftsrecht einzubetten. In Deutschland sind die starren Vorgaben bei Hauptversammlungen eine besonders große Herausforderung.”Ungeachtet des Aufwands in der Implementierung von Arug II sind die meisten Schritte gemacht. “Wir haben frühzeitig die notwendigen Schnittstellen rund um die Hauptversammlung und Shareholder Identification implementiert. Da jedoch nicht alle Marktteilnehmer zum Stichtag, dem 3. September, ihre Vorbereitungen abgeschlossen haben werden, erwarten wir in den ersten Monaten ein deutlich höheres Arbeitsaufkommen”, sagt Christof Schwab von Computershare, einem führenden Hauptversammlungsdienstleister in Europa. Holpriger StartBeim Thema Shareholder Identification wird man sich die neuen Regeln erst mal anschauen, heißt es. “Es wird noch eine Zeit dauern, bis ein einheitliches Verständnis und Qualitätsniveau für die erforderlichen Daten und Prozesse erreicht ist”, sagt Axel Jester von der WM Gruppe, die auch die Börsen-Zeitung herausgibt. Der Spezialist für die Erfüllung der Anforderungen ist einer von mehreren Dienstleistern bei der Umsetzung und Anwendung von Arug II und bietet eine europaweite digitale Portallösung, das WM-SRD-Hub.Dass es zum Stichtag einen holprigen Start bei den neuen Regeln zur Identifizierung der Aktionäre und zur Ausübung der Aktionärsrechte geben wird, sieht man in der Branche gelassen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass alle Unternehmen gleich am 4. September eine Abfrage zu ihrer Aktionärsstruktur machen. Während früher bei einer (freiwilligen) Abfrage zur Zusammensetzung der Anteilseigner mit fünf bis sechs Wochen Rücklauf zu rechnen war, wird sich der Zeitraum demnächst nach und nach verkürzen. Mitte nächsten Jahres werden die Schwierigkeiten der Implementierung von Arug II wohl vergessen sein.