GASTBEITRAG

Aktive Anleihe-Investments bieten Chancen

Börsen-Zeitung, 25.7.2018 Ob es nun ein Klischee ist oder eine Untertreibung: Wir leben in interessanten Zeiten. Politische Unsicherheiten, eine sich verändernde Geldpolitik und ein widerstandsfähiges globales Wachstum zählen zu den signifikantesten...

Aktive Anleihe-Investments bieten Chancen

Ob es nun ein Klischee ist oder eine Untertreibung: Wir leben in interessanten Zeiten. Politische Unsicherheiten, eine sich verändernde Geldpolitik und ein widerstandsfähiges globales Wachstum zählen zu den signifikantesten Herausforderungen für Anleiheinvestoren. Die Renditen zehnjähriger US-Treasuries sind in der jüngsten Zeit auf ihren höchsten Stand seit vier Jahren gestiegen. Dies führte dazu, dass manche Kommentatoren bereits das Ende des seit 37 Jahren währenden Bullenmarktes für Anleihen heraufbeschworen. Wesentlich anfälligerNatürlich erreichten die Anleiherenditen auch während des langen Bullenmarktes Hochs – wie von 2004 bis 2006, als die Federal Reserve einen leichten Straffungszyklus einleitete. Dieses Mal könnte die Situation jedoch wirklich anders aussehen. Warum? Weil die Duration, sprich die Sensitivität gegenüber Zinsänderungen, höher ist als je zuvor. Das bedeutet, dass die Märkte wesentlich anfälliger für eine nachhaltige Zinserhöhung sind als in früheren Stressphasen.Dabei ist schon allein die niedrige Basis, von der der Renditeanstieg ausgeht, gefährlich. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Gesamtrendite eines Anleiheindex sich aus zwei Faktoren zusammensetzt: dem Kupon bzw. der Zinszahlung sowie der Wertentwicklung des Kapitals. Wenn während des langen Bullenmarktes die Märkte in unruhiges Fahrwasser gerieten und die Kapitalrendite negativ war, dienten die Kuponzahlungen als Puffer. Sie stellten sicher, dass die Gesamtrenditen insgesamt positiv blieben. Die Renditen sind heute deutlich niedriger, was wesentlich weniger Spielraum für diesen Mechanismus lässt, da die in der jüngsten Zeit begebenen Anleihen mit den aktuellen Kuponsätzen beginnen. Das verringert den Schutz, der bisher existierte. Diese interessanten Zeiten sind also mit Herausforderungen verbunden, bieten jedoch auch Chancen, besonders für aktive Investoren. Diese genießen die Freiheit verschiedener Anlagemöglichkeiten und sind nicht gezwungen, sich eng an Marktindizes zu halten, wo Rücksetzer wahrscheinlich sind. Die wahllosen Käufe, die wir bei rückläufigen Renditen beobachteten, dürften nicht aufhören, wenn sich die Situation umkehrt. Besonders da preisunempfindliche Käufer wie Zentralbanken ihre Anleihekäufe zurückschrauben. Die Wertpapierauswahl dürfte wichtiger werden. In der Vergangenheit ist die Kreditstreuung im Einklang mit den allgemeinen Credit-Spreads gestiegen. Mit anderen Worten: Ein weniger korrelierter Markt bietet größere Chancen für aktive Manager, die beim Credit Research über das Verfahren und die Expertise verfügen, Investmentgelegenheiten zu identifizieren und ungünstige Situationen zu vermeiden. MarktunabhängigDer eindeutigste Vorteil eines aktiven Investmentansatzes ist es, nicht von der Entwicklung des Gesamtmarktes abhängig zu sein. Da Anleiheindizes auf den Anleiheemissionen basieren, leiten diese Benchmarks die Investoren unvermeidlich zu den am höchsten verschuldeten Unternehmen, die die meisten Anleihen begeben haben. Aktive Investoren können ihre Portfolios so positionieren, dass sie Exposures in Unternehmen aufbauen, die über höhere Cash-flows und klar definierte Rückzahlungsstrategien verfügen. Darüber hinaus können Kredit- und Zinsrisiko voneinander getrennt und der Fokus auf Anleihen mit kürzerer Duration als der Gesamtmarkt gelegt werden.In Zeiten, in denen an den Aktienmärkten zunehmend passive Ansätze vorherrschen, lohnt sich der Hinweis, dass sich die Rentenmärkte stark von den Aktienmärkten unterscheiden. Ihr Aufwärtspotenzial ist möglicherweise begrenzt, so dass sie sich mehr um das Abwärtspotenzial, sprich das Ausfallrisiko, sorgen müssen. Hier kann die aktive Kreditanalyse einen echten Vorteil bieten.Eine weitere Überlegung ist die große Auswahl am Anleihemarkt. Selbst die Anleiheemissionen ein und desselben Unternehmens bieten typischerweise unterschiedliche Laufzeiten und Niveaus innerhalb der Kapitalstruktur. Dies kann von vorrangig unbesicherten bis zu nachrangig bedingten Emissionen reichen. Ein aktiver Investor, der diese Emissionen eingehend analysiert, würde sich darauf konzentrieren, die risikobereinigte Rendite seiner Entscheidungen zu maximieren und nicht wie in einem Index alle Emissionen eines Unternehmens wahllos zu kaufen. Liquidität in Frage gestelltLiquidität ist ebenfalls wichtig. Eine zunehmende Regulierung hat die Liquidität in Zeiten, zu denen Banken weniger als früher geneigt sind, als Marketmaker zu handeln, in Frage gestellt. Es ist daher unerlässlich, die Dynamik sowohl der wachsenden als auch der schrumpfenden Positionen bei der Betrachtung der Gesamtrenditedynamik jeder aktiven Investmententscheidung zu berücksichtigen. Ausführungsstrategien spielen im Gesamtprozess weiterhin eine wichtige Rolle.Da ein Zeitraum beispielloser Zentralbankpolitik endet, handelt es sich in der Tat um interessante Zeiten für die Anleihemärkte. “Mögest du in interessanten Zeiten leben”, lautet ein altes chinesisches Sprichwort. Doch für qualifizierte, aktive Investoren bietet ein Markt, der sich durch größere Unsicherheit und breitere Streuung auszeichnet, durchaus Chancen, die erwarteten Ergebnisse zu erzielen.—-Karsten-Dirk Steffens, Head of Wholesale Deutschland, Österreich und Schweiz von Aviva Investors