TECHNISCHE ANALYSE

Alles schon wieder ausgestanden?

Von Christoph Geyer *) Börsen-Zeitung, 21.8.2019 In diesen Tagen wird wieder viel von saisonalbedingten Turbulenzen gesprochen; von Murmeltiertag ist die Rede und natürlich von Herbststürmen, wobei diese natürlich ebenso der Saison geschuldet sind....

Alles schon wieder ausgestanden?

Von Christoph Geyer *)In diesen Tagen wird wieder viel von saisonalbedingten Turbulenzen gesprochen; von Murmeltiertag ist die Rede und natürlich von Herbststürmen, wobei diese natürlich ebenso der Saison geschuldet sind. Ist es aber wirklich so, dass es sich lediglich um wiederkehrende Ereignisse handelt, oder steckt dieses Mal mehr dahinter? Der technische Analyst blickt ja weniger darauf, welche Daten und Ereignisse an den Märkten zu bewerten sind, als vielmehr auf die Reaktion der Marktteilnehmer, wenn diese Ereignisse bekannt werden. Hoffnung schwindet Dabei konnte in den vergangenen Wochen und Monaten beobachtet werden, dass einige Krisen oder drohende Krisen mehr oder weniger von den Marktteilnehmern ignoriert wurden. Zum Beispiel der Handelskrieg zwischen den USA und China wurde zwar immer wieder thematisiert, hatte aber bis vor wenigen Wochen kaum einen nennenswerten Einfluss auf die US-Börsen. Offenbar ging die Mehrzahl der Händler davon aus, dass man sich schon irgendwie einigen würde und dann alles wieder gut ist. Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, schwindet diese Hoffnung an den Börsen zusehends. Auch die aufflammenden Konflikte in verschiedenen Regionen der Erde, hier sei als Beispiel Hongkong genannt, sind bisher an den Börsen nur unterproportional berücksichtigt worden. Erst in den letzten Tagen, als die Lage zu eskalieren drohte, rückte das Thema – besonders an den asiatischen Börsen – in den Fokus.Bis Ende Juli war die Börsenlage entsprechend noch erfreulich. Der US-Markt pendelte zwar ohne große Aufwärtstendenz lediglich seitwärts, konnte sich aber immerhin auf Rekordniveau halten. Dies war über Wochen umso verwunderlicher, als dass einige Indikatoren an den amerikanischen Märkten sowohl Verkaufssignale als auch Divergenzen gebildet hatten. Wie so oft, wenn Warnsignale (und nicht anderes liefern Indikatoren) ignoriert werden, kommt es häufig umso heftiger. Es ist das Festhalten an der Überzeugung, dass alles in bester Ordnung sei. Die Erkenntnis, dass es eventuell nicht so wäre, kommt dann oft durch eine weitere, neue Situation oder Krise, die dann das berühmte Fass zum Überlaufen bringt.In den USA war Ende Juli, rein technisch betrachtet, der Startschuss für eine Konsolidierung gefallen. Mit dem Unterschreiten der Unterstützungslinie bei ca. 27 000 Punkten zogen auch die Umsätze merklich an.Dies zeigte bereits, dass die Abgabebereitschaft bei den Marktteilnehmern deutlich zugenommen hatte. Innerhalb weniger Tage wurden bei weiter zunehmenden Umsätzen über 1 000 Punkte abgegeben. Die Erholungsbewegung Anfang August hielt nicht lange an und wurde nicht von der Breite der Börsianer getragen, was ebenfalls an den Umsätzen sichtbar wurde. Auch wenn nun eine Erholung anstehen sollte – die Indikatoren deuten dies inzwischen an – dürfte noch keine Entwarnung zu erwarten sein.Für die kommenden Wochen hält die Historie der US-Märkte im Schnitt eher eine Seitwärtstendenz bereit. Etwas anders stellt sich die Lage beim Dax dar. Der deutsche Leitindex zeigt historisch im Mittel bereits seit Anfang August einen Abwärtstrend, welcher sich in diesem Jahr bisher auch so eingestellt hat. Genau wie beim Dow Jones warnten bereits sehr frühzeitig die Indikatoren mit Divergenzen und Verkaufssignalen vor einem deutlicheren Rückgang. Die Abgabebereitschaft begann schon in den letzten Julitagen und hielt bis Anfang August an. Zuletzt konnte zwar eine gewisse Stabilisierung beobachtet werden, die aufkeimende Angst vor einem Konjunktureinbruch hat aber die Volatilität zunehmen lassen. Neuer AbwärtstrendEs ist deutlich zu erkennen, dass sich ein neuer kurzfristiger Abwärtstrend etabliert hat. Die seit Jahresbeginn bestehende Aufwärtsbewegung wurde längst gebrochen. Im Rahmen der Abwärtsbewegung wurde auch die Unterstützung bei ca. 11 600 Punkten erreicht. Der Kampf um diese Unterstützungslinie ist noch nicht entschieden. Sollte es der Dax schaffen, wieder nach oben zu drehen, stellt sich die Frage, ob die letzten Tops wieder erreicht oder sogar überwunden werden können. Dies müsste der Fall sein, um nach der Dow-Theorie keinen neuen Abwärtstrend zu etablieren. Würde die Erholungsbewegung zwar einsetzen und auch den kurzfristigen Trend brechen aber die alten Hochs nicht mehr erreicht werden, hätte sich ein neuer Abwärtstrend gebildet.Für eine anstehende Erholungsbewegung sprechen einige Faktoren. Als Erstes ist hier die aktuelle Umsatzentwicklung zu nennen. Während der Stabilisierungsphase konnte diese leicht anziehen und damit eine gewisse Kaufbereitschaft erkennen lassen. Der Commodity Channel Index hat ein Kaufsignal generiert und beim RSI ist eine Divergenz zu beobachten. Auch wenn der MACD-Indikator mit einem Signal noch auf sich warten lässt, sind dies doch Anzeichen für eine Erholungsbewegung. Lediglich der Durchschnitt der vergangenen Jahre deutet darauf hin, dass es im Herbst zumindest turbulent zugehen dürfte. Nach einem weiteren Abwärtsschub bieten sich aber meist auch gute Einstiegschancen. *) Christoph Geyer ist technischer Analyst bei der Commerzbank.