Goldener September für Allianz-Aktionäre
GELD ODER BRIEF
Goldener September für die Allianz-Aktionäre
Von Michael Flämig, München
Allianz-Aktionäre blicken auf einen goldenen September zurück. Der Aktienkurs des Münchner Versicherers ist allein vom 7. bis 15. September um 5,5% auf 233,45 Euro gestiegen. Damit hat der Kurs den höchsten Stand seit dem Jahr 2002 erreicht. Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte kann also Zuspruch vom Kapitalmarkt vorweisen, kurz bevor er einen Vertrag für seine dritte Amtsperiode erhält.
Der September-Hype ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Der Dax ist im gleichen Zeitraum nur um 1,1% gestiegen, auch der Stoxx Europe 600 Insurance bleibt mit einem Plus von 4,8% zurück. Vor allem aber hat die Allianz-Aktie mit dem Bewertungssprung ihre teils unterdurchschnittliche Performance im laufenden Jahr wettgemacht.
Sie hat nun die Nase vorne vor den beiden Vergleichsindizes. Der Dax wurde überrundet, und der Versicherungsindex läuft im Jahr 2023 weiterhin rund 10 Prozentpunkte schlechter als die Allianz. Auch auf Basis von zwölf Monaten und von zehn Jahren liegt der Versicherer vorne – in anderen zeitlichen Abgrenzungen ist die Allianz teils nur durchschnittlich.
Analysten optimistisch
Die Analysten sehen die Zukunft des Versicherers ebenfalls optimistischer. Beispielsweise hat J.P. Morgan jüngst das Kursziel von 240 auf 270 Euro erhöht – am Donnerstag schloss die Allianz-Aktie bei 228,55 Euro. Die meisten Kapitalmarktexperten raten den Investoren zum Kauf. Von 24 Analysten, die die Aktie laut Bloomberg beobachten, geben 18 eine entsprechende Empfehlung ab, beispielsweise mit der Einstufung mit „Overweight“. Fünfmal halten sie ein Halten für angemessen, eine Empfehlung zielt auf Verkauf. Der jüngste Kurssprung sollte dennoch nicht überbewertet werden. Denn die Allianz-Aktie hatte Nachholbedarf. Beispielsweise ist ihr die Munich Re im Jahr 2023 weit enteilt. Außerdem dürften mit dem Kursanstieg charttechnische Hürden gerissen worden sein, die den Aufschwung der Aktie zusätzlich befeuert haben. Vor allem hat die Wiederaufnahme des Aktienrückkaufs am 11. September die Kursentwicklung unterstützt, zumal das Handelsvolumen lediglich überschaubar ist. Das Volumen des Rückkaufprogramms, das am 29. Mai gestartet worden ist, beträgt bis zu 1,5 Mrd. Euro. In einer ersten Tranche, die am 11. August abgeschlossen wurde, hat die Allianz 750 Mill. Euro ausgegeben. Die zweite Hälfte soll bis Ende Dezember über die Bühne gehen.
Nächster Rückkauf steht an
Kamran Hossain von J.P. Morgan rechnet bereits damit, dass die Allianz zur Vorlage ihrer Quartalszahlen am 10. November das nächste Rückkaufprogramm verkündet. Mag sein, schließlich dürfte das entsprechende Geld in München vorhanden und Unterstützung für den Aktienkurs willkommen sein. Michael Huttner von Berenberg erwartet ein Volumen von 1 Mrd. Euro. Er merkt aber vorsichtshalber an, dass dies auch im Februar 2024 zur Bilanzvorlage präsentiert werden könnte. Doch ob die Aktionäre langfristig auf den Rückenwind durch Aktienrückkäufe spekulieren sollten, erscheint mehr als zweifelhaft. Mit der ersten Tranche des laufenden Rückkaufs hat die Allianz nämlich eine symbolträchtige Marke erreicht. Sobald die Aktien eingezogen werden, sinkt die Stück-Zahl unter 400 Millionen: Aktuell sind 403,3 Millionen Aktien im Umlauf, in der ersten Tranche 2023 hat die Allianz knapp 445.000 Stück zurückgekauft.
Strukturell höhere Dividende
Die Marke ist auch deswegen relevant, weil sie letztmals Ende 2004 unterschritten wurde – die damalige Aktienzahl war der Ausgangspunkt zahlreicher Umbauschritte. Seit einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht im Jahr 2003 hatte die Allianz nie weniger als 384,7 Millionen Aktien (ohne eigene Aktien). Kapitalerhöhungen sorgten in den Folgejahren für einen Anstieg auf bis zu 457 Millionen Aktien. Beispielsweise wurden allein 25 Millionen Aktien aufgrund der Fusion mit der damaligen italienischen Tochtergesellschaft Ras ausgegeben.
Allerdings wird die Allianz, die im Dezember 2024 einen Kapitalmarkttag veranstaltet, ihre Großinvestoren nicht auf Aktienrückkauf-Entzug setzen können, ohne ein Ersatzangebot in der Tasche zu haben. Die wohl anhaltend hohen Zinssätze am Kapitalmarkt könnten es aus Investorensicht sinnvoll erscheinen lassen, statt des Rückkaufs eine strukturell höhere Dividende zu erhalten. Dafür müsste die Ausschüttungsquote, die bisher 50% des auf Anteilseigner entfallenden Jahresüberschusses beträgt, erhöht werden. Eine höhere Dividende wäre für zahlreiche Anleger auch besser planbar als die Kombination aus Ausschüttung und Rückkaufen. Aktuell hat die Allianz zudem ihren Anteilseignern versprochen, die Dividende je Aktie jährlich um möglichst 5% zu erhöhen.
Zukunftsmusik
Doch dies ist Zukunftsmusik. Berenberg ist kurzfristig auch aus einem eher technischen Grund positiv gestimmt. Im letzten Quartals jeden Jahres sowie im Januar sei es traditionell am profitabelsten, im Besitz der Allianz-Aktie zu sein. Dafür gebe es neben der Allianz-Praxis, dann häufig einen weiteren Aktienrückkauf anzukündigen, einen einfachen Grund: Der Versicherer erhöhe zum Jahresende in der Regel die Prognose oder formuliere sie optimistischer. Für November rechnet das Research-Haus damit, dass die Allianz das Gewinnziel von 13,2 bis 15,2 Mrd. Euro präzisiert. Das Erreichen der oberen Hälfte der Bandbreite werde dann offiziell anvisiert, so die Erwartung.