Als die Börsen bebten: 25 Jahre "Schwarzer Montag"
Von Thorsten Kramer, FrankfurtWer damals dabei war, wird es seinen Lebtag nicht vergessen: Heute vor 25 Jahren ist der Dow Jones Index so heftig eingebrochen wie kein zweites Mal seit dem Zweiten Weltkrieg. Binnen weniger Stunden sackte er um mehr als 500 Punkte oder 22,6 % ab, und weil dafür kein echter Anlass ersichtlich war, machte sich Panik breit – und die riss die Börsen weltweit ins Minus. Vom “Schwarzen Montag” ist seither die Rede. Und dabei schwingt viel Ehrfurcht mit.Die Verkaufsaufträge gingen damals waschkörbeweise ein, wie Zeitzeugen sich noch ganz genau erinnern, die Telexgeräte quollen über: “Viele Makler waren total überfordert, manche Kollegen übernachteten sogar in der Börse”, erzählt Fidel Helmer, der schon damals für das Bankhaus Hauck & Aufhäuser in Frankfurt tätig gewesen ist. Viele hatten damals schließlich Angst davor, dass sich der Crash aus dem Jahr 1929 wiederholt, der letztlich zur Weltwirtschaftskrise führte. Flut von VerkaufsordersNachdem die Aktienkurse in den Vereinigten Staaten jahrelang kräftig gestiegen waren und die Notierungen sich weit von der fundamentalen Basis gelöst hatten, verunsicherten im Jahr 1987 das große Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten sowie die Schwäche des Dollar die Investoren. Als dann der damalige Finanzminister James Baker eine Zinsanhebung andeutete und die US-Wertpapieraufsicht in Erwartung von Turbulenzen eine vorsorgliche Schließung der Börse ins Gespräch brachte, zogen so viele Anleger die Reißleine, dass es der New Yorker Börse mangels Kauforders lange Zeit gar nicht möglich war, den Handel aufzunehmen. Die Akteure warfen mehr als 600 Millionen Aktien auf den Markt, fünfmal so viele wie üblich. Zum enormen Ausmaß des Kurseinbruchs trug schließlich bei, dass viele der damals noch recht neuen Computersysteme sehr ähnlich aufgesetzt waren und in einer Art Kettenreaktion immer und immer mehr automatische Verkaufsaufträge generierten, sobald die Notierungen bestimmte Schwellen unterschritten hatten, um die Verluste zu begrenzen. Mancher Makler ging deshalb mit einem horrenden Minus aus dem Handel.Eine Stabilisierung zeigte sich im Dow Jones Index in den folgenden Tagen zwar recht schnell, im weiteren Verlauf schwankte er dann aber hin und her, und das alte Niveau erreichte er erst 15 Monate später wieder: Der Crash hing sehr vielen Marktteilnehmern noch lange nach. Die Börsenbetreiber führten in Reaktion auf den “Schwarzen Montag” Circuit Breaker ein, also eine Regel, die zum automatischen Handelsstopp führt, sobald der Markt um ein bestimmtes Maß abgesackt ist. Für umfassende Sicherheit an den Märkten sorgt aber auch das nicht.Besonders eindrucksvoll wurde dies im Mai vor zwei Jahren sichtbar, als der Dow Jones beim sogenannten “Flash Crash” binnen Minuten um mehr als 9 % einbrach – und binnen Minuten ein Börsenwert von rund 800 Mrd. Dollar verrauchte. Eine Handelsunterbrechung hätte es erst ab einem Einbruch des Gesamtmarktes um 10 % gegeben. Damals löste ein einziger Händler mit einem im Grunde ganz alltäglichen Termingeschäft den Kursrutsch aus, weil das Volumen der Transaktion sehr groß gewesen war und die Computer inzwischen mit einem Vielfachen der Geschwindigkeit laufen, die sie 1987 schafften. In jüngerer Vergangenheit gab es dann manchen weiteren, im Vergleich aber eher kleineren Kurseinbruch vornehmlich an den US-Börsen, aber jüngst auch in Indien – was zeigt, dass die Infrastruktur vieler Börsenbetreiber den etwa durch den Hochfrequenzhandel enorm steigenden Anforderungen schlicht und einfach immer noch nicht gewachsen ist. Weltweit werden die Börsenbetreiber weiterhin hart daran arbeiten, die Infrastruktur zu optimieren. Und Gesetzgeber werden mehr Regulierung auf den Weg bringen. Aber dennoch ist zu befürchten, dass es immer wieder einmal zu “Schwarzen Montagen” an den Märkten kommen wird. Algorithmen bereiten SorgeDie größten Sorgen sind in diesem Zusammenhang derzeit mit dem für viele undurchsichtigen Hochfrequenzhandel verbunden, in dem hochkomplexe Algorithmen zum Einsatz kommen – durchaus zu Recht, wie der Fall “Knight Capital” zeigt: Ein außer Kontrolle geratenes Handelsprogramm des Börsenmaklers hatte Anfang August die gesamte New Yorker Börse in Atem gehalten, weil plötzlich massenhaft Kaufaufträge die Märkte fluteten. Knight Capital benötigte anschließend eine Finanzspritze von Investoren, um zu überleben. Ob es künftig aber tatsächlich ausreicht, wenn diese Algorithmen den Aufsichtsbehörden vorgelegt werden sollen, wird sich erst mit der Zeit zeigen.