GASTBEITRAG

Am globalen Anleihenmarkt ist die Rotation in vollem Gang

Börsen-Zeitung, 17.12.2016 Es ist nicht leicht derzeit für Anleger im Bondmarkt: mit Staatspapieren ist kaum noch etwas zu holen. Die Renditen großer Staatsanleihen-Indizes betragen weltweit weniger als 1 %. In Europa müssen Anleger vielerorts sogar...

Am globalen Anleihenmarkt ist die Rotation in vollem Gang

Es ist nicht leicht derzeit für Anleger im Bondmarkt: mit Staatspapieren ist kaum noch etwas zu holen. Die Renditen großer Staatsanleihen-Indizes betragen weltweit weniger als 1 %. In Europa müssen Anleger vielerorts sogar für das “Privileg”, in Staatsanleihen investieren zu dürfen, zahlen.Eine Möglichkeit, dieser Renditemisere zu entfliehen, stellen beispielsweise Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating dar. Für das Jahr 2016 beobachten wir Rekordzuflüsse in Dollar-denominierte Anleihen und zugleich einen neuen Trend von stark steigenden Volumina in sogenannten “Reverse Yankees”. Daran sollte auch der Ausgang der US-Wahlen im Wesentlichen nichts ändern. “Reverse Yankees” sind Anleihen, die von US-Unternehmen außerhalb des Dollars aufgelegt werden.Die Geldzuflüsse in Unternehmensanleihen sind sowohl in Europa als auch in den USA seit einiger Zeit enorm. Zum einen ist dies auf neue Anleger zurückzuführen, die aus Anlageklassen mit “Null-Rendite” flüchten. Zum anderen erhöhen auch existierende Anleger zum Teil ihre Allokation in Unternehmensanleihen. Für steigendes Kaufinteresse in Europa sorgt auch der Aufkauf von Unternehmensanleihen durch die Europäische Zentralbank.Noch beeindruckender ist jedoch die Nachfrage nach in Dollar emittierten Unternehmenspapieren und deren Emissionsvolumina. Neuemissionen könnten dieses Jahr einen neuen Höchststand erreichen: Bis Ende Oktober wurden allein im Dollar-Segment Unternehmensanleihen im Wert von rund 1,2 Bill. Dollar emittiert, 5 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Für das volle Jahr zeichnet sich ein neuer Rekordwert ab.Wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind das im Vergleich zu Europa viel aktivere Verhalten der US-Unternehmen bei Fusionen und Übernahmen sowie Aktienrückkaufprogramme von Unternehmen. Zum anderen kaufen viele Unternehmen ältere Anleihen zurück und ersetzen sie durch neue, meist länger laufende Bonds. Damit verlängern sie auch ihr Fälligkeitsprofil, was aus Gläubigersicht positiv zu werten ist. Trotz der hohen Anzahl der neu begebenen Papiere hat sich die Kreditqualität bei neuen Anleihen nicht verschlechtert: Über 60 % der Emissionen in den ersten drei Quartalen 2016 verfügen über ein Rating von “A” oder darüber, was leicht über dem Vorjahreswert liegt. Gefragte “Reverse Yankees”Aus Unternehmenssicht ist der Zeitpunkt für solche Transaktionen nahezu ideal, da die Aufnahme von Fremdkapital dank der historisch niedrigen Zinsen günstig ist. Einen relativ neuen Trend in diesem Jahr stellen die stark steigenden Volumina von auf Euro lautenden Emissionen durch US-Unternehmen (sogenannte “Reverse Yankees”) dar. Hauptgrund hierfür ist der Umstand, dass in Europa die Zinsen – und damit auch die Kupons – niedriger sind als in den Vereinigten Staaten.Bereits sind erste Unternehmenspapiere in Euro mit einem Kupon von 0 % emittiert worden. Für europäische Anleger liegt die Attraktivität solcher US-Anleihen darin, ihr Portfolio zu diversifizieren. Zudem können sie hierdurch am höheren Wirtschaftswachstum in den USA profitieren, ohne ein Währungsrisiko einzugehen. Allerdings müssen Anleger im Auge behalten, dass die Anzahl der neu begebenen Reverse Yankees auch wieder schnell schrumpfen könnte. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn sich US-Unternehmen angesichts von steigenden Kosten für Währungsabsicherungen die Emission von Euro-Anleihen zweimal überlegen.Die relativ hohen Zinsen im Dollar-Raum führen dazu, dass die Nachfrage nach US-Unternehmensanleihen durch Investoren aus Europa und Asien seit einiger Zeit zunimmt. Viele Neuemissionen sind deshalb stark überzeichnet. Diese Umlagerung, in der Börsensprache als Rotation bezeichnet, aus Niedrigzinsregionen dürfte zum Teil vorübergehender Natur sein. Hierfür sprechen sicherlich die derzeit höheren Renditen und teilweise auch höheren Risikoaufschläge (Spreads), die Anleger im US-Dollar-Raum erhalten.Bemerkenswert ist, dass selbst der Anstieg der Währungsabsicherungskosten, die beispielsweise bei Anlegern aus der Eurozone für US-Dollar-Investments anfallen können, nicht zu einer Verringerung der Nachfrage geführt hat. Gemäß einer Analyse der US-Notenbank wächst das ausländische Interesse an Dollar-Unternehmensanleihen ungebremst.Auch unter Ausklammerung von temporären Zins- und Spreadvorteilen erscheinen US-Papiere für internationale Anleger als langfristig attraktiv durch strukturelle Vorteile. Schließlich handelt es sich um einen lange etablierten und gut entwickelten Markt mit hohen Volumina.Global anzulegen bedeutet Engagements mit Blick auf die Marktreife, eine bestmögliche Diversifikation und Liquidität abzuwägen. Gerade der letztgenannte Aspekt spielt eine zunehmend wichtige Rolle. Auch wenn man die neuen Rekordstände bei Neuemissionen kritisch sehen kann, so bringen sie Vorteile für Anleger: Seit dem Jahr 2000 hat sich das durchschnittliche Volumen pro Emission in den USA mehr als verdoppelt und liegt nun bei rund 900 Mill. für Dollar-Anleihen (bei Nicht-Finanzinstituten sogar 1,3 Mrd. Dollar). Für Emissionen in Euro liegt der Durchschnitt bei rund 400 Mill. Euro, verglichen mit 270 Mill. Euro im Jahr 2000.Größere Emissionen sind erfahrungsgemäß liquider, der Ein- und Ausstieg wird somit für Anleger deutlich erleichtert. Bemerkenswert war zum Beispiel Anfang dieses Jahres die Emission des Bierkonzerns Anheuser-Busch zur Refinanzierung der Übernahme des Rivalen SAB Miller. Zwei der zu diesem Zweck in Dollar emittierten Anleihen haben eine Größe von je 11 Mrd. Dollar, was sie zu den liquidesten Instrumenten am globalen Markt für Unternehmensanleihen macht – ein großer Vorteil für Anleger. Umdenken gefordertExtrem niedrige oder gar negative Renditen in bestimmten Anleihensegmenten zwingen viele Anleger zum Umdenken. Dabei fällt der Blick verständlicherweise auf globale Märkte außerhalb des Euroraums, wo die Verzinsung noch ansprechend ist.Generell ist davon auszugehen, dass das globale Zinsniveau bis auf weiteres auf niedrigem Niveau verharrt, auch wenn die US-Notenbank gegen Jahresende die Leitzinsen leicht angehoben hat.Die starke Reaktion der Anleihemärkte nach dem Ausgang der US-Wahlen preist höhere Zinsen bereits ein. Die höheren Renditen sowie das relativ robuste Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten sollten jedoch auch mittelfristig den Zufluss von Kundengeldern in globale Unternehmensanleihen fördern – und die Rotation in diesem Anlagesegment weiter antreiben.—-Christian Hantel, Portfoliomanager Vontobel Fund – Global Corporate Bond Mid Yield