SERIE: DIE REFORM DER DAX-INDEXREGELN (4) - IM INTERVIEW: THOMAS MEYER ZU DREWER, LYXOR

"Amazon hätte es schwer, im Dax zu landen"

ETF-Experte hält Kriterium Profitabilität für problematisch - "Blind einen Index zu kaufen, ist nicht ratsam"

"Amazon hätte es schwer, im Dax zu landen"

Herr Meyer zu Drewer, die angedachte Indexreform der Dax-Familie betrifft auch viele Produkte wie ETFs. Welche Auswirkungen hat ein möglicher Wechsel auf einen Produzenten wie Ihr Haus?Wir begrüßen jede Maßnahme, die einen Index modernisiert und dessen Qualität verbessert. Dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Anforderungen an Indizes zu stellen sind. Einerseits sollen sie den Markt repräsentieren, den sie abbilden. Außerdem sollen sie liquide und investierbar sein. Das ist beim Dax keine Frage. Aber es ist darüber hinaus gut, wenn Indizes ausreichend Mitglieder haben. Das kann dann unter Umständen so weit gehen wie bei einem MSCI All Countries World mit rund 3 000 Aktien aus fast 50 Ländern. Stellen die angedachten Maßnahmen wirklich eine Verbesserung aus Sicht eines Produktproduzenten dar?Wenn die Pläne, den Dax 30 um zehn Aktien aus dem MDax zu erweitern, umgesetzt werden, ist das Gewicht dieser zehn Aktien im Dax eher gering. Da muss man sich fragen, ob das sinnvoll ist. Das ist ungefähr so, als ob man die Bundesliga um sechs Vereine aus der Zweiten Liga erweitert. Damit wird die Erste Bundesliga auch nicht spannender und die Zweite Bundesliga wird stark geschwächt. Übertragen auf die Dax-Familie: Mit zehn weiteren Aktien wird der Dax 30 nicht wirklich breiter gestreut, der MDax aber geschwächt. Wie könnte man aus Sicht von Investoren den deutschen Markt besser abbilden beziehungsweise was müsste einen Index auszeichnen, damit er repräsentativ ist?Die Kriterien Marktkapitalisierung und Liquidität müssten angepasst werden, da in der Vergangenheit zum Teil ein verzerrtes Bild entstanden ist. Etwas problematisch ist das diskutierte Kriterium Profitabilität, denn damit könnten bestimmte Unternehmen ausgeschlossen werden. Beispielsweise Wachstumswerte, die noch nicht profitabel sind, aber in Zukunftsbranchen wie im Bereich der Digitalisierung tätig sind. Selbst wenn Tesla und Amazon deutsche Unternehmen wären, hätten sie es sonst schwer, in einem Dax zu landen. Aus Sicht des ETF-Anbieters: Wie gehen Sie mit einem Dax 30 oder einem neuen Dax 40 um?Wir setzen das Regelwerk des Indexanbieters um, wenn Werte ausgetauscht oder hinzugefügt werden. Wenn es zu der Umstellung kommt und zehn Aktien neu in den Dax aufgenommen werden, führt das zu einer erheblichen Nachfrage?Ich kann aus meiner Erfahrung nicht bestätigen, dass am Tag der Aufnahme in einen Index die Kurse generell automatisch steigen müssen. Warum gibt es keine klaren Zusammenhänge?Wir reden hier nur von einem kleineren Segment des Marktes, den ETFs, die bei Indexanpassungen Aktien an einem bestimmten Tag erwerben oder veräußern müssen. Aber es gibt noch viel mehr Teilnehmer im Markt, die sich vielleicht im Vorfeld bereits anders positioniert haben. Was wäre aus Sicht eines Investors ein guter Index, um den deutschen Markt abzubilden?Als Anleger muss man sich immer überlegen, wie ein Index strukturiert ist. Wenn ich ein MSCI-World-Produkt kaufe, muss ich wissen, welche Währungsrisiken beispielsweise damit verbunden sind. Oder man sollte auch wissen, dass bei diesem Index der Anteil der USA bei knapp 60 % liegt. Blind einen Index zu kaufen, ist nicht unbedingt ratsam. Wenn man sich breit aufstellen will, ist es vielleicht besser, nicht nur auf Deutschland zu setzen, sondern Euroland oder Europa zu wählen. Da ist sicherlich der Stoxx Europe 600 Index zu nennen. Andererseits steht der Dax für die deutsche Wirtschaft. Will zum Beispiel ein institutioneller Investor Deutschland nur beimischen, dann greift er zum Dax. Für eine Anlagestrategie mit Schwerpunkt Deutschland stehen zudem MDax, TecDax und SDax zur Verfügung. Das Interview führte Wolf Brandes.