Analysten sehen bei Zalando Kurspotenzial
Analysten sehen bei Zalando Kurspotenzial
Von Karolin Rothbart, Frankfurt
Der Online-Modehandel kommt nach dem pandemiebedingten Boom einfach auf keinen grünen Zweig. Noch immer halten Verbraucher im Zuge der Inflation ihr Geld lieber zusammen und verzichten darauf, von der Couch aus ständig neuen Fashion-Trends hinterherzujagen. So musste die Branche in Deutschland auch im dritten Quartal einen zweistelligen Umsatzrückgang verkraften.
Ganz so miserabel lief es für den größten aller Player in Europa, den Berliner Dax-Konzern Zalando, im gleichen Zeitraum zwar nicht. Der Erlös sank dort von Juli bis September gegenüber dem Vorjahr nur um gut 3%. Doch auch in der Hauptstadt ist man nicht vor den strukturellen Problemen in der Branche gefeit. "Das Marktumfeld blieb im dritten Quartal herausfordernd und hat unsere Fähigkeit, zu wachsen, begrenzt", sagte Finanzchefin Sandra Dembeck zur Präsentation der Geschäftszahlen.
Für das Gesamtjahr besteht aus Sicht des Managements nun definitiv keine Chance mehr auf Wachstum. Dabei hatten die schleppende Nachfrage und durch volle Lager ausgelöste Rabattschlachten in der Branche schon 2022 zu einer erstmaligen Stagnation bei Zalando geführt. Zunehmend mischen daneben auch neue Billiganbieter aus China wie Shein oder Temu den Markt auf und jagen der Branche Kunden ab.
Seitdem versucht das Unternehmen wie viele Konkurrenten unter anderem durch Einsparungen gegenzusteuern. In der Auftragsabwicklung sind die Kosten im Verhältnis zum Umsatz in den ersten neun Monaten etwa um zweieinhalb Prozentpunkte gesunken. Auch im Marketing überlegt sich der Konzern mittlerweile genauer, wo das Geld hinfließen soll, er hat die Kosten im gleichen Zeitraum in Relation zum Umsatz um 0,6 Prozentpunkte gedrückt. Ein im Februar angekündigtes Personalabbauprogramm, bei dem mehrere hundert Stellen gestrichen werden sollten, ist zudem nun abgeschlossen. Zu den weiteren Maßnahmen zählt eine Erhöhung der Plattformgebühren für Geschäftspartner und ein bereits 2022 eingeführter Mindestbestellwert für den kostenlosen Versand. An der kostenlosen Retour hält Zalando hingegen weiter fest.
Auf der Ertragsseite machen sich die Maßnahmen bereits bemerkbar. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag nach neun Monaten bei knapp 42 Mill Euro. Ein Jahr zuvor waren es noch minus 14,5 Mill. Euro. Die Prognose für das bereinigte Ebit ließ Zalando entsprechend zuletzt unangetastet. Mit 300 bis 350 Mill. Euro soll es bis zu 90% über dem Vorjahreswert liegen.
Boss, Inditex und H&M wachsen
An der Börse überwog bis zuletzt dennoch die Skepsis. Mit einem Kursrutsch von etwa einem Drittel ist in diesem Jahr kaum ein Dax-Wert so stark unter die Räder gekommen wie Zalando. Ähnlich düster sieht das Bild beim Hamburger Rivalen About You aus, dessen Papiere sich im gleichen Zeitraum um etwa 28% verbilligt haben. Beim britischen Online-Versandhändler Asos ging es um rund ein Fünftel abwärts.
Nun ist es nicht so, dass die Menschen in Zeiten von Inflation und geopolitischen Krisen dem Shopping komplett abschwören. Kauflaune ist durchaus noch vorhanden, sie wird nur nach der Pandemie auch wieder verstärkt im stationären Einzelhandel ausgelebt, wie Hugo Boss, Inditex und H&M zeigen. Alle drei Unternehmen erzielen den Großteil ihrer Erlöse noch immer in ihren physischen Geschäften, sie alle verzeichneten zuletzt teils eine deutlich gestiegene Nachfrage. Anleger konnten sich entsprechend im bisherigen Jahresverlauf über Kurszuwächse von 10%, 36% und sogar 44% freuen.
Aus Sicht von Analysten ist das Ende der Fahnenstange damit bei den Werten zwar noch nicht erreicht. Deutlich mehr Kurspotenzial schreiben sie nach den Einbrüchen nun allerdings wieder Online-Händlern wie Zalando und About You zu. So taxieren bei Bloomberg gelistete Beobachter den durchschnittlichen Zwölf-Monats-Zielkurs von About You auf 6,06 Euro, was einem Plus von 42% im Vergleich zum derzeitigen Kurs entspricht. Der Zielkurs von Zalando liegt derzeit sogar 57% über dem aktuellen Wert.
"Da die Aktien knapp über dem IPO-Preis von 2014 gehandelt werden, glauben wir, dass sich das Chancen-Risiko-Profil nach oben verschoben hat und halten an unserer Kaufempfehlung fest", schrieb Deutsche-Bank-Analyst Adam Cochrane Anfang November. So wie er sehen das 20 weitere Analysten auf Bloomberg. Acht raten dagegen zum Halten der Papiere. Drei Analysten würden sie verkaufen.
Die langfristigen Ziele von Zalando sind zumindest ambitioniert. Im europäischen Modemarkt, der in den kommenden Jahren schätzungsweise 450 Mrd. Euro schwer werden soll, wollen die Berliner künftig mehr als 10% bedienen. Dabei bereitet ihnen ihre Größe heute schon einige bürokratische Probleme. Von der EU-Kommission war der Konzern im April als eine von 19 "sehr großen Online-Plattformen" ausgemacht worden, die im Rahmen des Digital Services Act nun besondere Auflagen erfüllen müssen. Bei Nichtbeachtung drohen Bußgelder von bis zu 6% des Jahresumsatzes. Gegen die Einstufung hatte der Modehändler Ende Juni geklagt.
"Sandra Dembeck: Der Preis darf nicht das einzig Relevante sein"