GastkommentarLegendärer Börsianer

André Kostolanys Weisheiten sind quicklebendig

Vor 25 Jahren starb die ungarische Börsenlegende in Paris. Noch heute kennt wohl jeder Anleger das eine oder andere seiner Bonmots, mit denen er anschaulich und amüsant Tipps für das Börsenparkett vermittelte. Zu Recht sind Kostolanys Weisheiten unvergessen, findet Holger Schmitz, Vorstand der Schmitz & Partner AG. Er meint: Kostolanys Erkenntnisse haben bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren.

André Kostolanys Weisheiten sind quicklebendig

Zahlen, Daten und Fakten entscheiden darüber, ob der Kurschart an der Börse nach oben zeigt oder die Notierungen in den Sinkflug gehen – zumindest in der Theorie. In der Praxis hingegen spielen die Emotionen der Anleger eine wichtige Rolle. Einer der ersten, der das erkannte, war André Kostolany. Am 14. September jährt sich der Todestag des Börsenpapstes, mit dem ich von 1988 bis 1993 als Portfolio- und Fondsmanager bei der Fiduka Depotverwaltung in München eng zusammengearbeitet habe, bereits zum 25. Mal. Dennoch haben seine in eingängigen Bonmots verpackten Erkenntnisse nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt.

Langfristig denken und Ruhe bewahren

Was Kostolany auszeichnete, war nicht, dass er eine neuartige Anlagestrategie verfolgte. Vielmehr hatte er früh erkannt, wie die Emotionen der Anleger das Börsengeschehen beeinflussen und wie Angst oder Gier den Investmenterfolg gefährden. Darauf aufbauend formulierte er allgemein verständlich grundlegende Verhaltenstipps für das Börsenparkett. Bildhaft drückte er aus, was man tun oder eben lassen sollte. Jeder kennt beispielsweise seine Zitate, die zu langfristigem Denken und Gelassenheit auch in schwierigen Börsenzeiten ermutigen: „Kaufen Sie sich einige internationale Standardaktien. Gehen Sie dann in die Apotheke, holen sich Schlaftabletten, nehmen diese ein und legen sich einige Jahre schlafen.“ Oder auch: „Das Geld macht man an der Börse nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Hintern.“

Andre Kostolany, Bildquelle: Picture Alliance

Seine Verhaltensregeln haben bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren – und werden es auch nicht, solange es Kapitalmärkte gibt. Denn im Prinzip funktioniert die Börse heute noch genauso wie vor 100 Jahren, auch wenn es aufgrund von immer mehr und in Echtzeit verfügbaren Daten anders erscheint. Wichtig ist es, sich von der Informationsflut nicht verunsichern zu lassen, sondern den Blick nach vorne zu richten. „Kosto“ verglich daher die Börse mit dem Autofahren: Man solle nicht auf die Motorhaube, sondern 200 Meter voraus auf die Straße schauen.

Nicht von der Gier leiten lassen

Bei der Analyse des Marktgeschehens half ihm seine langjährige Erfahrung. Kostolany fand immer Parallelen zur Vergangenheit, anhand derer er aktuelle Entwicklungen einordnete – getreu dem Motto: Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Hätte er Bitcoin und Co. erlebt, hätte er die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und sofort auf die Tulpenblase in den Niederlanden in den 1630er-Jahren verwiesen, die schließlich mit einem lauten Knall platzte. Und auch bei den hochbewerteten US-amerikanischen Technologieaktien, den „Magnificent 7“, hätte er die Gefahren der hohen Erwartungen gesehen. Tatsächlich gibt es bereits Anzeichen dafür, dass die Hoffnungen der Anleger überzogen waren.

Ebenso behielt er in den 1980er-Jahren gegenüber Japan ein gesundes Misstrauen. Damals galt das Land als neues Mekka der Börsenwelt. Die KGVs lagen zum Teil im dreistelligen Bereich. Kostolanys Einschätzung: Die Anleger waren gegenüber den Risiken blind geworden, die Gier dominierte. Und er behielt Recht: Mit einer gigantischen Blase platzte die Euphorie – wie auch Anfang der 2000er beim „Neuen Markt“. Auch hier trat er stets als Warner und Mahner auf. Für ihn war die Börsenparty nichts anderes als Zockerei. Dafür wurde er von vielen Seiten belächelt. Zu Unrecht, wie sich nur wenige Monate nach seinem Tod – und für viele Investoren schmerzhaft – herausstellte.

Riskant, keine Aktien zu haben

Würde Kostolany auf das heutige Marktumfeld blicken, würde er sich über die Rekordstände an den Börsen freuen. Damit hätte er wohl gerechnet. Was ihn jedoch mehr als überrascht hätte, wären die zwischenzeitlichen Minuszinsen gewesen. Er hätte sich vermutlich gefragt, was er denn mit negativen Zinsen anfangen solle, wenn zudem noch erhöhte Inflationsraten die Realrenditen drücken. Seine Reaktion wäre es wahrscheinlich gewesen, noch mehr Aktien zu kaufen – zumal die Staatsverschuldung in den USA und Europa immer weiter steigt. Ohne Aktien geht es ohnehin nicht, wie er immer wieder betonte: „Kurzfristig ist es riskant, Aktien zu haben. Langfristig ist es riskant, keine Aktien zu haben.“ Vielleicht das wichtigste Bonmot Kostolanys, das man sich auch heute noch zu Herzen nehmen sollte.