LEITARTIKEL

Angst vor dem Yuan

An den internationalen Finanzmärkten geht die Angst um und zwar die Angst um China. Nach einer Anpassung des chinesischen Wechselkurssystems, mit der die chinesische Zentralbank einem marktseitig aufgebauten Abwertungsdruck des chinesischen Yuan...

Angst vor dem Yuan

An den internationalen Finanzmärkten geht die Angst um und zwar die Angst um China. Nach einer Anpassung des chinesischen Wechselkurssystems, mit der die chinesische Zentralbank einem marktseitig aufgebauten Abwertungsdruck des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar ein Stück weit nachgegeben hat, scheint nichts mehr so wie vorher zu sein. Nun erleiden die Währungen zahlreicher Schwellenländer immer neue Schwächeanfälle, die manche bereits zum Anlass nehmen, eine neuerliche asiatische Finanzkrise zu prophezeien. Auch an Aktienmärkten lässt sich der auffällige Baissetrend, egal ob in Frankfurt, London, New York oder Tokio, an dem Leitmotiv “Sorgen um China” festmachen.Dass sich Unruhe über Chinas wackeliger wirkenden Konjunkturtrend breitmacht, ist verständlich. Weniger verständlich ist, dass die Ängste erst mit der überraschenden Bekanntgabe eines veränderten Wechselkursregimes für den Yuan am 11. August so vehement hochgekommen sind und sich nun immer weiter fortpflanzen. Seit diesem Datum wird der zuvor von der Zentralbank mehr oder weniger willkürlich festgelegte offizielle Mittelkurs des Yuan zum Dollar, um den die Devise im Handel um bis zu 2 % schwanken darf, nun täglich sehr nahe an dem im Vortagshandel ermittelten Spotkurs fixiert. Im Ergebnis hat diese Anpassung über die ersten Tage hinweg eine Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar von etwa 3 % provoziert, seitdem aber tendieren die Spotkurse und damit auch der offizielle Mittelkurs äußerst stabil und weichen nur noch wenig von einem Niveau bei etwa 6,40 Yuan zum Dollar ab.China-Ökonomen, die diesen Anpassungsschritt als eine zur Behebung von Konjunkturproblemen gedachte, willkürliche, kompetitive Abwertung der chinesischen Regierung ansehen, muss man mittlerweile mit der Lupe suchen. Es handelt sich um eine Währungsreform, deren Timing in erster Linie auf die anstehende Entscheidung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einer möglichen Aufnahme des Yuan in den Kreis der offiziellen Reservewährungen gemünzt ist und in zweiter Linie die möglicherweise in Kürze anstehende Zinsanhebung der US-Notenbank im Visier hat, die einem weiteren Auftrieb des Dollar Vorschub leistet. Peking schafft sich mit dem neuen Wechselkursmodus einen gewissen Freiraum, um einer andauernden, passiven Aufwertung im Sog des Dollartrends zu entgehen und damit der heimischen Geldpolitik mehr Spielraum etwa für weitere Lockerungsschritte zu geben.An den Märkten allerdings scheint man eher den Crashpropheten Gehör zu schenken, die den Abwertungsschritt als eine Verzweiflungstat einer chinesischen Regierung werten, der die Kontrolle über eine immer heftiger einbrechende Konjunktur entglitten zu sein scheint und die nun zur Behebung der Misere in einen Währungskrieg einzutauchen bereit ist. Dies ist freilich barer Unsinn. Chinas Finanzreformagenda und das Ziel, den Yuan als Reservewährung zu etablieren, diktieren einen Schritt hin zu stärker marktgesteuerten Wechselkursen. Nachdem Peking über die erste Jahreshälfte hinweg eisern an einer Politik des starken Yuan festhielt, der die rapide Aufwertung des Dollar gegenüber praktisch allen anderen Währungen mit vollzog, schien es bei zuletzt schwächeren Exporten und verschärfter Erzeugerpreisdeflation freilich opportun, eine Währungsreform mit einem Entlastungseffekt für Exporteure und Industrie zu verbinden. Die einmalige und mittlerweile durch Interventionen sogar im Zaum gehaltene Abwertung ist ein willkommener Begleiteffekt, aber keinesfalls die eigentliche Stoßrichtung des neuen Wechselkursregimes.Die Vorstellung, dass China seine Wirtschaft über die Währungsschiene wieder in Schwung zu bringen versucht, ist realitätsfern. Zum einen weisen chinesische Exportgüter einen sehr hohen Importanteil von etwa 35 % auf, der in die Produktion eingeht und Wechselkurseffekte nivelliert. Zum anderen ziehen die Reaktionen auf das neue Yuan-Regime die Währungen der asiatischen Handelspartner Chinas mit in die Tiefe, so dass es für breite Ausschnitte des chinesischen Außenhandels keine vorteilhaften Wettbewerbseffekte gibt. Abgesehen davon ist die chinesische Konjunkturperformance in erster Linie vom heimischen Nachfrage- und Investitionstrend geprägt, so dass es einer riesigen Abwertung jenseits von 20 % bedürfte, um beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts einen spürbaren Effekt auch nur in der Nachkommastelle zu generieren.——–Von Norbert HellmannChina steht unter dem Verdacht, seine Wirtschaft über die Währungsabwertungsschiene wieder in Schwung bringen zu wollen. Das ist jedoch realitätsfern.——-