Anleger bereiten die Zinswende vor

Angelsächsische Investoren schichten Gelder in Anleihen um - Deutsche Experten gehen ins Risiko

Anleger bereiten die Zinswende vor

Schroders und andere angelsächsische Investoren nehmen Gewinne am Aktienmarkt mit und schichten einen Teil ihrer Anlagen in den Rentenmarkt um. Diese Nachfrage stabilisiert die Renditen und sollte ein Debakel à la 1994 verhindern, sagen Marktbeobachter. Deutsche Profiinvestoren hingegen setzen auf einen langsamen, stetigen Zinsanstieg – und kaufen derweil Schwellenländer- sowie High-Yield-Anleihen.Von Grit Beecken, FrankfurtDer Markt ist dabei, die zweite “Tapering-Dosis” zu verdauen. Im kommenden Monat will die US-Notenbank Federal Reserve die Geldpolitik weiter ganz leicht straffen und künftig monatlich nur noch für 65 Mrd. Dollar Anleihen am Markt aufkaufen. Bis Ende 2013 waren es 85 Mrd. Dollar. Zwar führt diese Straffung noch lange nicht zu einer Zinswende, viele Investoren bereiten sich dennoch auf diesen Zeitpunkt vor.Ein Indiz dafür bot am Mittwoch die rege Nachfrage nach der ersten variabel verzinsten US-Staatsanleihe. Das Finanzministerium sammelte 15 Mrd. Dollar mit dem Papier ein, das Anleger an steigenden Zinsen teilhaben lässt. Die Laufzeit liegt bei zwei Jahren, die Anfangsrendite bei 0,1 %. Reguläre US-Staatspapiere mit zweijähriger Laufzeit warfen am Mittwoch deutlich bessere Erträge ab: 0,35 %. Marktbeobachter interpretieren die hohe Nachfrage nach dem Floater daher so, dass viele Investoren bereits auf absehbare Zeit mit einem Zinsanstieg in den USA rechnen. Warum sonst sollten sie das Papier kaufen und nicht die höher rentierenden Artverwandten?Die Zinswende wird – wenn sie eintritt – allerdings nicht zu Turbulenzen am Rentenmarkt führen, so wie es 1994 war, sagen Marktbeobachter. Denn schon jetzt schichten angelsächsische Investoren von Aktien in Anleihen um.So hat Schroders in der vergangenen Woche angekündigt, einen größeren Teil ihrer Pensionsportfolien von Aktien in Rentenpapiere umzuverteilen. Andere Pensionskassen haben der “Financial Times” über ähnliche Pläne berichtet. Schließlich haben sie in den vergangenen Jahren gut am Aktienmarkt verdient.Die aktuell steigende Volatilität an den Börsen und die Turbulenzen in den Schwellenländern steigern nun ihr Sicherheitsbedürfnis. Sie nehmen für eine kurze Zeit niedrigere Renditen am Bondmarkt in Kauf und warten auf den Zinsanstieg. Deutsche Vermögensverwalter können das grundsätzlich nachvollziehen (siehe untenstehendes Interview). Bei ihren institutionellen Kunden in Deutschland beobachten sie diesen Ansatz aber nicht. Denn das Gros der deutschen Anleger investiert aus regulatorischen Gründen ohnehin den Großteil der Vermögenswerte in Rentenpapiere.”Das Beste, was einem deutschen institutionellen Anleger im jetzigen Umfeld passieren kann, ist ein langsamer, stetiger Zinsanstieg”, sagt Hans-Jörg Frantzmann, Leiter Institutional Asset Management bei Fidelity in Deutschland. Schließlich halten viele von ihnen die Anlagen bis zur Endfälligkeit. Wenn Zinssteigerungen – wie im vergangenen Jahr oft zu beobachten war – Kursverluste auslösen, haben sie die Chance genutzt und neue Mittel zu höheren Zinsen anzulegen. Versicherer kaufen AktienGleichzeitig haben viele Versicherer aber auch ihr Engagement am Aktienmarkt erhöht. Legten Lebensversicherer 2011 nur 1 % der neuen Mittel in Anteilsscheinen an, waren es 2012 schon 5,2 %. Zahlen für 2013 liegen noch nicht vor, im dritten Quartal 2013 lag die gesamte Aktienquote der deutschen Lebensversicherer bei 2,8 %. Frantzmann erwartet, dass auch die deutschen institutionellen Anleger diese Engagements überdenken werden. Denn: “Wir sind im Prinzip im sechsten Jahr eines Aktien-Bullenmarkts, da ist ein sehr kritisches Hinterfragen des Bewertungsniveaus der Aktienmärkte durchaus nachvollziehbar.”Anbieter von Spezialfonds berichten, dass diese Überlegungen einige Anleger derzeit in High-Yield- und Schwellenländeranleihen treiben. “Wir haben in einigen Segmenten des Rentenmarktes signifikante Kursrückgänge gesehen”, sagt Frantzmann. “Daher sagen sich einige Investoren: Wir legen uns jetzt für einige Jahre ein Laufzeit-Portfolio hin, das Assets mit einem schwächeren Rating enthält.” Dann bekämen die Anleger über diese Laufzeit vielleicht Renditen in Höhe von 4 %, müssten dafür aber höhere Risiken in Kauf nehmen.Bis sie in den USA oder Deutschland ähnliche Erträge sehen, werden noch etliche Monate bis Jahre vergehen. “Die jüngste Entscheidung der Fed bestätigt, dass Tapering in vollem Gange ist. Auch der Wirtschaftsaufschwung bestätigt sich”, sagt Philipp Waldstein, Geschäftsführer der Meag. Beides spreche für höhere Zinsen. “2014 rechnen wir trotzdem nur mit einem moderaten Anstieg der Zinsen auf dem Kapitalmarkt. Denn ein Großteil davon wurde bereits im alten Jahr vorweggenommen, und das Umfeld ist weiter von einer niedrigen Inflation geprägt”, so der Wertpapierexperte.Auch in Deutschland werden die Zinsen steigen, sagt Christian Lenk, Analyst der DZ Bank: “Zuletzt stärker in den Fokus gerückte Deflationsängste und eine größere Unsicherheit über den Tapering-Kurs der Fed lassen einen volatilen Zinspfad erwarten, wobei wir minimal höhere Renditen prognostizieren.” Mittelfristig dürften diese Sorgen seiner Ansicht nach aber in den Hintergrund rücken, “so dass wir bis zum Jahresende weiter einen deutlichen Zinsanstieg insbesondere am langen Ende sehen”.Sein Kollege Hendrik Lodde erwartet, dass die durch die Tapering-Entscheidung wegfallende Nachfrage nach US-Treasuries nur bedingt zu spüren sein wird. “Die robuste gesamtwirtschaftliche Entwicklung, gepaart mit einem Anstieg des Preisniveaus, sollte auf Sicht dreier Monate die Renditen der zehnjährigen Treasuries auf 2,90 % und zum Jahresende auf 3,50 % ansteigen lassen.”Gleichzeitig erwarten die meisten Analysten nach wie vor einen anhaltend starken Aktienmarkt. Angesichts der anziehenden Weltkonjunktur gehen sie nicht davon aus, dass die jüngsten Rekordstände das Ende der Hausse gewesen sind. So erwartet HSBC im laufenden Jahr ein Kursplus von 4 % für den S & P 500. Die Deutsche Bank sieht den Dax am Jahresende bei 9 800 Punkten – daran ändern auch die jüngsten Rücksetzer der Indizes und die Umschichtungspläne großer Investoren nichts.