Anleger brauchen bei Infineon Geduld
Geld oder Brief
Anleger benötigen mit Infineon Geduld
Von Stefan Kroneck, München
Es hat wie ein Hoffnungsschimmer für Anleger von Technologiewerten gewirkt. Als der Bereichschef der Autosparte von Infineon, Peter Schiefer, vorige Woche auf einer Veranstaltung mit Analysten höher als vom Markt erwartete Wachstumsraten für die größte Division des Halbleiterherstellers in Aussicht stellte, sprang die Aktie von Infineon binnen zwei Handelstagen von 30,60 Euro auf 33,25 Euro. Nach geringfügigen Kursverlusten in den Tagen darauf notierte der Titel von Deutschlands größtem Chipkonzern am Donnerstag zeitweise wieder über der Schwelle von 33 Euro. Mancher Optimist könnte das als Auftakt für eine Jahresendrally deuten. Schließlich sind die Fundamentaldaten des Autobereichs, der über zwei Fünftel des Konzernumsatzes ausmacht, besser als gedacht.
Charttechnisch betrachtet liegt die Aktie noch unter der 200-Tage-Linie von 33,40 Euro. Wird diese Marke überschritten, zeige der Aktienkurs klar nach oben, sagen Experten in den Handelsräumen. Eine erneute Widerstandslinie liegt bei 38,50 Euro. Der Anteilschein hat also noch einen langen Weg vor sich, um in diese Richtung zu gehen. Das bedeutet, dass Aktionäre sich bei Infineon in Geduld üben müssen. Die Mehrheit der Analysten, die Infineon im Blick haben, trauen dem Papier einen Schub zu. Von 22 befragten Experten empfehlen 80% die Aktie zum „Kaufen“, 20% zum „Halten“. Deren durchschnittliches Kursziel für die nächsten zwölf Monate liegt bei 46 Euro. Das markiert ein Niveau, welches die Aktie auf Basis des in 1,3 Milliarden Papiere aufgeteilten Grundkapitals bislang noch nie erreicht hat. Das Allzeithoch lag im November 2021 bei 43,41 Euro. In einer jüngsten Studie bekräftigte die DZ Bank zwar ihre Kaufempfehlung, senkte aber den fairen Wert für Infineon von 45 auf 42 Euro. Die genossenschaftliche Großbank verwies auf die schwache Entwicklung in einigen Segmenten.
Flaute in Teilsegmenten
Bei der Präsentation der Zahlen fürs Frühjahrsquartal Anfang August räumte Infineon-Vorstandschef Jochen Hanebeck ein, dass die Branchenlage ein „gemischtes Bild“ zeige mit „Licht und Schatten“. Einerseits sorgten Elektromobilität und erneuerbare Energien für eine stabil hohe Nachfrage, andererseits hält die Flaute bei Konsumenten-Anwendungen wie PCs und Smartphones an. Letzteres dämpft die Stimmung der Anleger in Bezug auf Chipwerte. Hinzu kommen die globale Wirtschaftsschwäche und die gestiegenen Marktzinsen, die Gift für die Börsen sind.
Trotz dieses Durchhängers ist das Geschäftsmodell dem CEO zufolge intakt. Infineon konzentriert sich vor allem auf Anwendungen in Bereichen, die eine Transformation der Technologie durchmachen wie zum Beispiel die Autoindustrie. Hanebeck spricht in diesem Zusammenhang von „strukturellen Wachstumstreibern für den grünen und digitalen Wandel“. Im Sommer überraschte Infineon den Markt mit der Ankündigung, deutlich mehr in den Ausbau hochmoderner Fertigungskapazitäten zu investieren.
Das dämpft aber tendenziell die Gewinnerwartungen der Anleger. Entsprechend fiel die Reaktion auf die Nachricht aus: Die Aktie ging in den Keller. Der Kurs brach von über 40 Euro auf 34 Euro ein. Im September sackte der Kurs auf nahezu 30 Euro ab. Im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 (30. September) dürfte Infineon firmeneigene Bestwerte erwirtschaftet haben. Analysten rechnen im Schnitt mit einem Anstieg des Umsatzes von 14,2 Mrd. auf 16,2 Mrd. Euro und einem Zuwachs des operativen Ergebnisses (Segmentergebnis) von 3,38 Mrd. auf 4,38 Mrd. Euro, was einer rekordhohen Umsatzrendite von 27% entspräche nach zuvor erwirtschafteten 23,8%.
Zwar wird dem Dax-Mitglied im angelaufenen Geschäftsjahr 2024 ein Plus bei den Erlösen auf 17,1 Mrd. Euro und beim Segmentergebnis auf 4,42 Mrd. Euro zugetraut, allerdings schrumpfte die Marge dann auf 25,8%. Der Gewinn je Aktie dürfte um 2 Cent auf 2,30 Euro zurückfallen, lautet die Konsensschätzung.
Maue Dividenden
In Bezug auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für 2023 liegt Infineon mit 12,6 unterhalb des für den deutschen Leitindex ermittelten Durchschnittswerts von 15,9. Nimmt man das als Maßstab, hätte die Aktie Kurspotenzial. Im Vergleich zu Nvidia ist der Hype an den Börsen um die künstliche Intelligenz allerdings an Infineon vorbeigegangen. Der US-Anbieter trumpft in diesem Bereich mit seinem speziellen Geschäftsmodell auf. Am Markt bringt Nvidia umgerechnet 1,1 Bill. Euro auf die Waage. Das ist das 26-Fache der Marktkapitalisierung von Infineon (43 Mrd. Euro). Zugleich ist das komplett im Streubesitz befindliche Unternehmen zurückhaltend bei Dividenden. Zuletzt überwies Infineon 0,32 Euro je Aktie – ein Plus von 5 Cent. Die von 351 Mill. auf 417 Mill. Euro gewachsene Ausschüttungssumme entspricht nur 19% des Konzerngewinns. Die Dividendenrendite für 2022 beträgt magere 1,2%. Auf Tagesgeldkonten bekommt man als Neukunde teils mehr als das Dreifache. Die vom Vorstand formulierte Dividendenpolitik, die Aktionäre „angemessen an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens zu beteiligen“, klingt vage. Wenn es danach geht, müsste Infineon für 2023 deutlich mehr ausschütten.
Aufgrund der Vorleistungen in Milliardenhöhe wird sich Infineon voraussichtlich aber erneut nicht spendabel zeigen. Näheres dazu wird man zur Bilanzvorlage am 15. November erfahren. Angesichts dessen bleibt für die Aktionäre die Hoffnung, dass der Aktienkurs sich in die von Analysten mehrheitlich erwartete Richtung entwickelt.