GASTBEITRAG

Anleger, hört die Signale!

Börsen-Zeitung, 10.8.2018 Im laufenden Börsenjahr sind die Investoren bislang arg gebeutelt worden. Nahezu jede Wette, auf die sich die Mehrheit eingeschossen hatte, ist nicht aufgegangen - zumindest ist das der Stand Anfang August. Beispiel...

Anleger, hört die Signale!

Im laufenden Börsenjahr sind die Investoren bislang arg gebeutelt worden. Nahezu jede Wette, auf die sich die Mehrheit eingeschossen hatte, ist nicht aufgegangen – zumindest ist das der Stand Anfang August. Beispiel gefällig? Weil die Erwartungen an das Wachstum der Weltwirtschaft hoch gesteckt waren, setzten viele Anleger zu Jahresbeginn auf Aktien in ihrem Portfolio. Doch die scharfe Kurskorrektur im Februar und März ließ diese Hoffnungen schneller platzen, als sich manch Börsianer sortieren konnte. Wenig später setzte eine Spekulationswelle auf einen fallenden Dollar ein – ein Flop, wie sich schnell zeigte. Der nächste Fehlversuch folgte auf dem Fuß: Höhere Ölpreise und steigende Zinsen in den USA sorgten für eine Flucht aus Anleihen der Emerging Markets in lokaler Währung, die noch im März und April geradezu gehypt wurden. Danach bewies dann der Ausgang der Wahlen in Italien, dass die Länder an der südlichen Peripherie der Eurozone, die von Anlegern gern als Schutzgebiet vor global steigenden Zinsen genutzt wurden, nicht so effektiv wie erwartet sind. Und schließlich ist bislang auch die Wette auf Verluste bei langlaufenden US- Anleihen nicht aufgegangen, weil die Inflation in der weltgrößten Volkswirtschaft partout nicht auf Trab kommen will. So stellt sich zum Ende dieses langen Sommers die Frage, ob Wetten, auf die sich der Konsens der Investoren unabgesprochen geeinigt hat, wirklich eine gute Gelegenheit darstellen oder einfach nur leichtsinnige Spekulation sind? Von den aufgezählten Beispielen klang die Emerging-Market-Story wegen der deutlichen Erholung der Rohstoffpreise zweifellos am überzeugendsten – und war gerade deshalb für viele Anleger ein schmerzhafter Fehlgriff. Die Nachfrage nach Papieren aus den Schwellenländern hatte sich schlicht und ergreifend ihr eigenes Momentum geschaffen. Immer mehr Investoren waren der Meinung, dass es klug ist, auf diesen Zug aufzuspringen. Nach dem starken Anstieg der Ölpreise wechselte die Meinung dann schlagartig. Weil höhere Inflationsraten und sich ausweitende Handelsdefizite in Ländern wie der Türkei oder Argentinien drohten, flossen die Gelder aus den Schwellenregionen ebenso schnell wieder ab, wie sie gekommen waren.Was dabei nicht übersehen werden sollte: Der Kapital-Exodus hat neue, gute Einstiegsgelegenheiten kreiert. So können einige Öl-abhängige Währungen wie etwa der russische Rubel oder der kolumbianische Peso mittlerweile getrost als deutlich unterbewertet angesehen werden. Und auch die Korrektur bei Schwellenländer-Anleihen hat ihre positiven Seiten. Brasiliens fünfjährige Real-Anleihen zum Beispiel rentieren mittlerweile mit deutlich über 10 %, während sich Geschäftsbanken Kredite bei der Notenbank zu 6,5 % besorgen können und der inflationäre Druck in dem Land am Zuckerhut gering ist. Übervorsichtige InvestorenDass so viele Wetten nun nicht aufgegangen sind, lässt viele Investoren übervorsichtig agieren, und sie ziehen wahrscheinlich in vielen Fällen zu schnell die Reißleine. So ist es unserer Einschätzung zufolge zu früh, die Erwartung auf höhere Inflationsraten in den Industrieländern zu begraben. Die Folgen höherer Ölpreise machen sich erst langsam und mit Verzögerung bemerkbar. So hat das Inflationstempo zum Beispiel in Deutschland im Juni den höchsten Stand seit einem Jahr erreicht. Und der Offenmarktausschuss der Fed hat auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause erkennen lassen, dass der gute Zustand der US-Wirtschaft durchaus weitere Zinsschritte erlaubt. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung, lange Laufzeiten im Anleiheportfolio unterzugewichten.Was aber könnte die nächste Investmentstory sein, der die Luft ausgeht? Für Unternehmensanleihen stehen die Chancen nicht schlecht. Der jüngste Einbruch bei den Emerging-Markets-Papieren hat die Blaupause dafür geliefert. Eine solche Korrektur muss nicht heute oder morgen eintreten, aber die Investoren sollten die Sache im Auge behalten. Ein guter Indikator dafür, wann die Spekulation ein Thema für sich entdeckt und ein Trend womöglich vor dem Ende steht, sind die Zu- und Abflüsse bei ETFs. Investoren, die spät auf einen Zug aufspringen, suchen meist den schnellen Gewinn und haben einen kurzfristigen Anlagehorizont. Daher drehen sie ihre Positionen schnell. Wenn es also starke Zuflüsse bei einzelnen Anlageklassen oder in Sektoren gibt und die Volatilität dort deutlich steigt, ist das ein häufig ein Zeichen dafür, dass die Konsenswetten beginnen kontraproduktiv zu wirken. Eine Korrektur ist dann nicht mehr allzu weit.Auch die Bewegungen auf den Derivatemärkten wie etwa das Open Interest bei einzelnen Instrumenten liefern Hinweise. Während der Kursturbulenzen in diesem Jahr haben viele Investoren gezögert, ihre Bonds direkt zu verkaufen. Stattdessen haben sie mit Derivaten das Beta in ihrem Anleiheportfolio gemanagt. Die Schlussfolgerung daraus ist: Optionen und synthetische Indizes genau im Blick zu behalten, dürfte der derzeit wohl effektivste Weg sein, um herauszufinden, wie es mit der Wette auf Unternehmensanleihen steht. —-Kenneth Orchard, Portfoliomanager bei T. Rowe Price