MARKTCHANCEN 2016

Anleger kommen an Unternehmensanleihen nicht vorbei

Finanzstruktur der Firmen gilt als solide - High-Yielder haben gutes Potenzial - EZB verdrängt die Investoren - Credits werden noch schwankungsanfälliger

Anleger kommen an Unternehmensanleihen nicht vorbei

Von Kai Johannsen, FrankfurtUnternehmensanleihen (Credits) und insbesondere die Hochzinsanleihen (High-Yielder) stehen vor einem sehr interessanten neuen Jahr. Weite Anlegerkreise werden aufgrund der guten Perspektiven nicht an diesem Anlagesegment vorbeikommen. Aus konjunktureller Sicht droht Credits kein Gegenwind, denn die Wirtschaft in der Eurozone befindet sich auf einem als moderat anzusehenden Erholungspfad. Anzeichen einer ausgeprägten Schwächephase, die auch auf Europa abfärben würde, sind auch in der US-Konjunktur nicht auszumachen.Die meisten Unternehmen sind zudem in finanzieller Hinsicht weiterhin solide aufgestellt. Große Ausfallraten bei europäischen Unternehmen müssen für 2016 nach Einschätzung von Experten nicht einkalkuliert werden. Im Hinblick auf Mergers & Acquisitions (M & A), Dividendenhöhe und auch die Investitionstätigkeit war 2015 schon eine etwas aggressivere Herangehensweise als in so manchen anderen Jahren zu konstatieren. Aber die befürchteten Exzesse sind bislang ausgeblieben. “Dass das billige Geld der internationalen Notenbanken die Unternehmen zu Überschwang verleitet hätte, konnten wir nicht feststellen. Ein ausgeprägtes Releveraging, also ein starker Schuldenaufbau, war auf breiter Front nicht zu beobachten. Und darüber hinaus können viele Unternehmen von einem günstigen Euro/Dollar-Wechselkurs sowie den im Jahresverlauf deutlich gefallenen Rohstoffpreisen profitieren. Insbesondere der Ölpreis zeigt hier positive Effekte”, sagt Rolf Schäffer, der bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) den Bereich Credit Strategy leitet. Die US-Unternehmen erscheinen ihm im Credit-Zyklus jedoch weiter fortgeschritten zu sein, weshalb er im Vergleich zu den Pendants in Europa dort keine Spread-Einengungen erwartet. Draghi unterstütztAber nicht nur die Faktoren Konjunkturerholung und die solide Aufstellung der Finanzstruktur der Firmen sprechen in Europa für engere Spreads der Unternehmensanleihen sowohl im Investment-Grade-Bereich als auch bei den High-Yieldern, also Papieren aus dem Non-Investment-Grade-Segment. Als ein treibender Faktor könnte sich 2016 auch das Quantitative Easing (QE) der Europäischen Zentralbank (EZB) erweisen. Anfang Dezember 2015 hat EZB-Chef Mario Draghi die Märkte mit seinen beschlossenen Ausweitungen des laufenden Staatsanleihekaufprogramms zwar erst mal enttäuscht. Aber die Reaktion der Märkte war nur von kurzer Dauer, die Verluste schnell wieder ausgebügelt, wie an den Staatsanleihen, zum Beispiel den Bundesanleihen, abzulesen war. Im neuen Jahr wird die EZB das Staatsanleihekaufprogramm nun erst einmal so routiniert fortsetzen, wie das auch 2015 der Fall gewesen ist. Dies für sich genommen stellt schon einmal einen unterstützenden Faktor für den Credit-Markt dar. Denn die EZB weitet die Käufe nun auch auf Anleihen regionaler bzw. kommunaler Emittenten aus. Das bedeutet, dass auch in diesen Segmenten die Renditen weiter nach unten gedrückt werden. Anleger werden sich nach Alternativen umsehen, es kommt durch die EZB-Staatsanleihekäufe zu einem Verdrängungsprozess, auch Crowding-out genannt.Sollte sich an den Märkten auch 2016 abzeichnen, dass es nur geringe Inflationserwartungen gibt und dass die Teuerung bzw. Disinflation in den deflationären Bereich abrutschen könnte, dann wird die EZB nachlegen. Es könnte zu einer nochmaligen Ausweitung des QE kommen, genau die starke Ausweitung, die Marktteilnehmer schon für Dezember 2015 erwartet hatten. Dann könnte es durchaus sein, dass die EZB den Einlagensatz noch tiefer absenkt, aber auch Anleihen staatsnaher Emittenten kauft. Das wären zum Beispiel Infrastruktur- oder Versorgungsunternehmen. Sie haben einen hohen Staatsbezug bzw. besitzen eine hohe staatliche Unterstützungswahrscheinlichkeit. Sollte sich tatsächlich Deflation abzeichnen, ist laut Analysten auch mit direkten EZB-Käufen von Unternehmensanleihen am Sekundärmarkt zu rechnen. Spreads engen sich einDiese Perspektiven bzw. die tatsächlichen Käufe der EZB in Corporates – ob nun staatsnah oder nicht – hätten auf die Credits zwei Effekte. Zum einen würden die Käufe die Renditen weiter drücken und die Spreads weiter einengen. Man wird aber auch eine weitere Investorenverdrängung in andere Fixed-Income-Segmente beobachten können. So werden Investoren, die vielleicht vorher ganz klassisch im Investment-Grade-Bereich aktiv waren, auf die High-Yielder ausweichen. Dadurch kommt es dann auch bei den High-Yieldern zu niedrigeren Renditen und engeren Spreads.Doch das ist aus Anlegersicht nicht die einzige günstige Perspektive. Nicht nur die Käufe der EZB bzw. Verdrängungsprozesse treiben die Renditen nach unten und die Spreads auf engere Niveaus. Entsprechende Wirkungen lassen sich auch aus dem bei weiten Investorenkreisen vorhandenen Anlagedruck ableiten. Dieser Anlagedruck wird auch 2016 aller Voraussicht nach sehr hoch bleiben. Denn die Renditen der sicheren Staatsanleihen, wozu auch Bundesanleihen zählen, werden 2016 nicht auf deutlich höhere Niveaus ansteigen. Dafür spricht zum einen nicht die Konjunktur- bzw. Inflationsentwicklung, und andererseits sprechen dafür auch nicht die Käufe der EZB bzw. der nationalen Notenbanken des Euroraumes.Die Renditen werden durch diese zwei Faktoren Konjunktur/Inflation sowie EZB-Käufe nach oben hin gedeckelt bleiben. Die Anleger werden deshalb weiterhin auf der Suche nach Rendite bzw. nach Rendite-Pick-up sein. Seit Jahren bleiben den Anlegern damit nur drei Auswegmöglichkeiten hierfür. Sie gehen in längere Laufzeiten und niedrigere Bonitäten oder halten in Währungen außerhalb des Euro nach Opportunitäten Ausschau. Diese Ausweichbewegungen werden dann weiterhin auch bei den längeren Laufzeiten, schlechteren Bonitäten, aber auch bei Produkten in anderen Währungen für niedrigere Renditen sorgen. Es ist ein Effekt, der durchaus das Potenzial hat, sich weiter selbst zu verstärken. “Es sollte sich bei den Anlegern wieder die Erkenntnis durchsetzen, dass die Suche nach Rendite unabdingbar bleibt und Risiken wieder in Kauf genommen werden müssen, insbesondere da diese nun wieder deutlich attraktiver bepreist werden als im April 2015”, sagt LBBW-Credit-Experte Schäffer. Ausfälle überschätztSchäffer sieht vor diesem Hintergrund durchaus noch etwas Einengungspotenzial für die europäischen Credits, also positive Perspektiven für 2016. Die absoluten Spread-Niveaus liegen auch noch über dem langjährigen Durchschnitt. “Bei den Investment-Grade-Credits werden derzeit rund 10 % Ausfälle über einen Zeitraum von fünf Jahren am Markt eingepreist. Bei den High-Yieldern sind es sogar 30 % über fünf Jahre. Wir gehen davon aus, dass es in beiden Segmenten über die kommenden fünf Jahre zu weniger Ausfällen kommen wird”, prognostiziert Schäffer. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch die Historie in Betracht zu ziehen. In Europa gab es bei den Investment-Grade-Namen bislang noch nicht annähernd eine Ausfallrate von 4 % über einen Zeitraum von fünf Jahren. Bei den High-Yieldern in Europa hat man zwar schon mal Ausfallraten von 30 % beobachten können. Ein derartig hohes Niveau erscheint angesichts einer aktuellen Ausfallrate von um die 2 % und des erwarteten konjunkturellen Umfeldes sowie der finanziellen Aufstellung der Unternehmen derzeit als sehr unwahrscheinlich.Schäffer rechnet bei High Yield Bonds aus den USA im kommenden Jahr mit einem Total Return (Summe aus Kuponertrag sowie Spread-/Renditeveränderung) von um die 5,8 %, bei den europäischen Pendants stellt er einen Gesamtertrag von rund 4,8 % in Aussicht (jeweils über die Kurve hinweg betrachtet). Allerdings ist die Welt der Investment-Grade-Credits und High-Yielder 2016 nicht ausnahmslos rosig. Die EZB-Käufe und die damit einhergehenden Verdrängungsprozesse werden weiterhin die Liquidität in vielen Segmenten des Rentenmarktes beeinträchtigen. Das wiederum macht den Markt auch schwankungsanfälliger. Blitzcrashs, wie sie 2015 im April am Staatsanleihemarkt und Ende September am Credit-Markt beobachtet wurden, sollten die Anleger auch für 2016 einkalkulieren. Renditen unter nullSollten bei den Unternehmensanleihen im neuen Jahr – vom kurzen Ende der Kurve her – immer mehr Laufzeitenpunkte auf oder eben auch unter die Nulllinie rutschen, können sich dadurch auch Auswirkungen auf die Refinanzierung der Unternehmen ergeben. Denn mehr und mehr Anlegerkreise sind nicht gewillt, Bonds mit negativen Renditen auf die Bücher zu nehmen, oder dürfen das nicht. Sie werden dann auch als Nachfrager für solche Bonds wegfallen. Unternehmen könnten aus diesem Umstand heraus dazu gezwungen sein, bei den anstehenden Emissionen in längere Laufzeiten zu gehen, die dem Anleger dann noch eine positive Rendite bieten, obwohl diese Laufzeitenpunkte aus den Funding-Erwägungen heraus vielleicht überhaupt nicht gewählt worden wären.