IM INTERVIEW: WIEBKE HOLZAPFEL UND THOMAS KOPP

Anlegerklagen gegen Griechenland wegen Umschuldung unzulässig

Bundesgerichtshof verwirft angebliche vertragliche Ansprüche

Anlegerklagen gegen Griechenland wegen Umschuldung unzulässig

– Herr Dr. Kopp, Frau Holzapfel, der Bundesgerichtshof hat am 19. Dezember 2017 über Anlegerklagen wegen der Umschuldung griechischer Staatsanleihen entschieden. Worum geht es?Kopp: Die Hellenische Republik führte zur Bewältigung der Finanzkrise 2012 eine Umschuldung unter anderem ihrer Staatsanleihen durch, die griechischem Recht unterstanden. Die Anleihebedingungen enthielten keine Umschuldungsklauseln. Das griechische Parlament erließ zum Zweck der Umschuldung ein Gesetz, das regelt, dass durch Entscheidung einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger die Anleihebedingungen geändert werden und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen vorgesehen werden kann und diese Entscheidung durch Beschluss des Ministerrats für allgemeinverbindlich erklärt werden kann.- Welche Bedingungen hatte dann das Angebot im Februar 2012?Kopp: Die neuen Anleihen sollten einen wesentlich geringeren Nennwert und andere Laufzeiten haben. Das Umtauschangebot wurde von der weit überwiegenden Mehrheit angenommen und ein entsprechender Gläubigerbeschluss mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit gefasst, der den Umtausch auch für die dissentierende Minderheit verbindlich machte.- Davon waren auch deutsche Anleger betroffen?Holzapfel: Ja. Anlegerschutzvereinigungen empfahlen unmittelbar nach der Umschuldung, juristische Schritte gegen Griechenland zu prüfen, weil die Umschuldung ihrer Ansicht nach gegen Völker- und Europarecht verstoße. Verfahren vor deutschen Gerichten, so die Schutzvereinigungen, seien für deutsche Anleger der direkteste und kostengünstigste Weg, um sich gegen die Umschuldung rechtlich zur Wehr zu setzen. So kam es, dass vor deutschen Gerichten seit 2012 eine Vielzahl von Anlegerklagen erhoben wurde. – Wie wurde entschieden?Holzapfel: Die rechtlichen Begründungen der Klagen variierten, überzeugten die Gerichte jedoch nie. Mitte März 2016 entschied der Bundesgerichtshof, dass aufgrund der Staatenimmunität Griechenlands Anlegerklagen auf deliktischer Grundlage unzulässig sind. In Reaktion verfolgten die Anleger seitdem vorwiegend angebliche vertragliche Ansprüche, denn darüber hatte der BGH nicht explizit entschieden. Um solche Klagen ging es in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom Dezember 2017.- Was stellte der BGH fest?Kopp: Dass Griechenland auch für diese Klagen auf vermeintlich vertraglicher Grundlage Staatenimmunität genießt. Diese Klagen sind als unzulässig abzuweisen, weil bereits die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist. Der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität besagt, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, soweit es um Beurteilung hoheitlichen staatlichen Handelns geht. – Wenn ein privater Emittent seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt, kann er sich nicht auf hoheitliche Sonderrechte berufen. Was ist hier anders?Kopp: Die Emission von Anleihen ist in der Tat privatrechtliches Handeln, und insoweit genießt ein staatlicher Emittent im Regelfall auch keine Immunität. Für die Frage der Staatenimmunität ist aber nicht die ursprüngliche Emission entscheidend, sondern der Kern des Rechtsstreits, und im Kern wandten sich die Kläger gegen das Umschuldungsgesetz. Ein privater Emittent kann nun mal kein Gesetz erlassen.- Welche Bedeutung haben die Entscheidungen des BGH?Kopp: Für Deutschland ist höchstrichterlich geklärt, dass Anlegerklagen gegen Griechenland wegen der Umschuldung 2012 unzulässig sind. Für angebliche deliktische Ansprüche wissen wir dies seit dem Urteil des BGH vom März 2016 und seit dem Urteil vom Dezember 2017 nunmehr auch für angebliche vertragliche Ansprüche. Es ist unerheblich, wie ein Anleger seine Klage rechtlich begründet.- Unterliegt die Umschuldung keiner gerichtlichen Überprüfung?Kopp: Doch, sie unterliegt der gerichtlichen Kontrolle, nur eben nicht durch deutsche Gerichte. Der griechische Staatsgerichtshof stellte fest, dass die Umschuldung nicht gegen die griechische Verfassung und sonstiges höherrangiges Recht verstößt. Holzapfel: Und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte rechtskräftig fest, dass die Umschuldung nicht gegen die Eigentumsgarantie und das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt.—-Dr. Thomas Kopp ist Partner, Wiebke Holzapfel Associate bei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton. Die Kanzlei hat Griechenland vertreten. Die Fragen stellte Walther Becker.