Anleihen: Immer kürzere Laufzeiten bei der Verschuldung
Gastbeitrag
Restlaufzeiten bei Anleihen werden kürzer
Von Thomas Romig *)
Vor bald zwei Jahren leitete die Federal Reserve die Zinswende ein, die EZB folgte wenig später. Inzwischen liegen die Leitzinsen in den USA im Intervall von 5,25 bis 5,5% und in der Eurozone bei 4,5%. Zudem haben die Währungshüter begonnen, die Anleihebestände in ihren Bilanzen zu reduzieren. Die Effekte der restriktiven Geldpolitik auf die Marktwirtschaft sind vielfältig. Unternehmen, die sich jahrelang günstig refinanzieren konnten, sehen sich mit deutlich ausgeweiteten Credit Spreads und gestiegenen Kupons konfrontiert. Sie sind gezwungen, ihre Finanzierungsstrategien an das neue Zinsumfeld anzupassen.
An den Rentenmärkten hat sich die durchschnittliche Restlaufzeit der ausstehenden Anleihen stark verkürzt. Im europäischen Investment Grade-Bereich ist diese seit Ende des Jahres 2021 von knapp zehn Jahren auf unter acht Jahre gesunken. Im High Yield-Segment sieht es ähnlich aus, hier beträgt die durchschnittliche Restlaufzeit inzwischen nur noch 3,6 Jahre. Während es sich im Investment Grade-Segment eher um eine Normalisierung der Fälligkeiten nach einer Phase hoher Neuemissionen im Zuge der günstigen Kreditfenster nach der Corona-Pandemie handeln dürfte, ist die durchschnittliche Restlaufzeit für europäische Hochzinsanleihen so niedrig wie nie.
Das ist bemerkenswert, da die Zinsstruktur in Europa und in den USA im Moment invers ist. Für das Absinken der Restlaufzeiten gibt es in diesem Umfeld zwei plausible Erklärungen. Entweder emittieren Unternehmen absichtlich eher kurzlaufende Schuldverschreibungen oder die starke Nachfrage der Investoren nach Kurzläufern zwingt sie dazu. Wenn Unternehmen bereit sind, sich zu höheren kurzfristigen Zinsen zu refinanzieren als über langlaufende Schuldtitel mit geringeren Kuponzahlungen, ist das erst einmal mit höheren Kosten verbunden. Das Kalkül dahinter: Die Konzerne spekulieren darauf, dass die Zinssätze in der Zukunft sinken, mit der Absicht, sich später zu attraktiveren Bedingungen zu refinanzieren. Sie möchten daher langfristige Verpflichtungen zu hohen Zinsen vermeiden. Auf der anderen Seite können Investoren in einem Umfeld steigender Zinssätze kurzfristigere Anleihen bevorzugen. Diese weisen aufgrund der geringeren Duration weniger Preisschwankungen auf und sind flexibler, da sie eine schnellere Reallokation des eingesetzten Kapitals ermöglichen.
Unternehmen kann es dann mangels Nachfrage schwerfallen, langlaufende Schulden am Markt zu platzieren. Eine Veränderung in den Vorlieben der Anleger könnte daher ebenfalls zur Verringerung der durchschnittlichen Laufzeit von Anleihen beigetragen haben.
Solche Trends bergen jedoch Risiken, vor allem dann, wenn die Zinssätze hoch bleiben. Mit der Verkürzung der Laufzeiten erhöht sich das Liquiditätsrisiko der Unternehmen. Anstehende Verbindlichkeiten müssen entweder zu höheren Kosten refinanziert oder ein signifikanter Teil des Cash Flows für den Schuldendienst aufgewendet werden. Dies drückt die Profitabilität und limitiert das für zukünftige Investitionen verfügbare Kapital. Die finanzielle Belastung durch kurze Laufzeiten und hohe Zinssätze verschärft zudem das Kreditrisiko, da sie zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit führen kann. Eine Verschlechterung der Bonitätsbewertung kann die Finanzierungskosten erhöhen und die Aufnahme neuer Schulden erschweren, insbesondere dann, wenn die Umsätze aufgrund der schlechten Wirtschaftslage zurückgehen. Dies kann wiederum einen Teufelskreis in Gang setzen, in dem höhere Zinskosten die Finanzen weiter belasten, was potenziell zu weiteren Herabstufungen der Kreditwürdigkeit führen kann.
Herausforderungen
Das gegenwärtige Umfeld hält einige Herausforderungen für Anleiheanleger bereit. Auf der einen Seite liegen die Credit Spreads vor allem im High Yield-Segment nach wie vor auf attraktivem Niveau. Allerdings sind die Risiken für Herabstufungen und Ausfälle durch die Kombination geringer Laufzeiten und hoher Zinsen gestiegen. Die schwache globale Wirtschaftslage tut ihr Übriges und erfordert ein sehr selektives Vorgehen bei Anlageentscheidungen im Fixed Income-Bereich.
*) Thomas Romig ist Geschäftsführer der Assenagon Asset Management S.A. und verantwortet den Bereich Multi Asset Portfolio Management.