GASTBEITRAG

Anleihen und Aktien von Großbanken gehen getrennte Wege

Börsen-Zeitung, 11.3.2016 Stehen die europäischen Großbanken wirklich so schlecht da, wie uns die Aktienpreise weismachen wollen? Tatsächlich haben insbesondere Institute mit großen Investment-Banking-Sparten jüngst heftige Verluste eingefahren, was...

Anleihen und Aktien von Großbanken gehen getrennte Wege

Stehen die europäischen Großbanken wirklich so schlecht da, wie uns die Aktienpreise weismachen wollen? Tatsächlich haben insbesondere Institute mit großen Investment-Banking-Sparten jüngst heftige Verluste eingefahren, was zu einem Abverkauf der Unternehmensanteile geführt hat. Allerdings darf das Börsengeschehen nicht mit der fundamentalen Lage des Bankensektors verwechselt werden. Denn der Grund für die vermeintliche Schieflage ist der tiefgreifende Restrukturierungsprozess, den die Branche seit der Finanzkrise durchläuft. Dieser Prozess ist notwendig, um das Eigenkapital der Banken zu stärken, und er geht mit Dividendenkürzungen und Kapitalerhöhungen einher. Keine Frage: Das sind keine guten Nachrichten für Aktionäre. Für Investoren am Anleihemarkt sieht die Sache allerdings anders aus, denn sie profitieren unmittelbar von der stärkeren Eigenkapitalbasis der Banken.In Europa sind die Banken entscheidend für die Unternehmensfinanzierung – anders als in USA, wo sich die Firmen stärker über den Anleihemarkt mit Kapital eindecken. In den Jahren seit der Finanzkrise war deutlich spürbar: Wenn es den Banken nicht gut geht, leidet Europas Wirtschaft. Das erklärt die Nervosität, mit der jede Eintrübung im Bankensektor an der Börse aufgenommen wird. Und das erklärt auch, warum EZB-Präsident Mario Draghi den Banken so große Aufmerksamkeit widmet. Der Stresstest hat jedoch gezeigt, dass die europäischen Banken, und insbesondere die sogenannten systemrelevanten Finanzinstitute, in den vergangenen Jahren Beeindruckendes bei der Umsetzung von Basel III geleistet haben. Alle großen Banken erfüllen schon jetzt die Anforderungen. So übertrifft etwa die Deutsche Bank, die zuletzt für negative Schlagzeilen gesorgt hat, die bis Ende 2016 geforderte Eigenkapitalquote von 10,75 % mit einem Polster von 177 Basispunkten. Puffer gewachsenFür Anleiheinvestoren bedeutet dies nichts anderes, als dass der Puffer zwischen dem Kapital der Anteilseigner und den risikogewichteten Aktiva gewachsen ist. Damit steigt die Sicherheit von Bankanleihen. Nachrangige Anleihen profitieren davon besonders stark: Im Falle eines Zahlungsausfalls werden diese Bonds erst nach anderen Papieren bedient, im Gegenzug zahlen die Emittenten höhere Kupons. Da dank der zunehmend komfortablen Kapitalausstattung das Risiko eines Zahlungsausfalls sinkt, die Kupons aber gleich bleiben, verbessert sich das Risiko-Rendite-Profil von nachrangigen Anleihen deutlich. Darüber hinaus verfügen insbesondere sogenannte Legacy Bonds, die noch unter den Bestimmungen von Basel II emittiert wurden, teilweise über sehr viel bessere Konditionen als die neueren Contingent-Convertible-Anleihen (Coco-Bonds). Bei Cocos sind etwa die Kupons voll diskretionär, das heißt, ihre Zahlung ist nicht garantiert und hängt von der Einhaltung bestimmter Kapitalgrenzen ab.Aus diesen Gründen gewinnen klassische nachrangige Anleihen unter Basel III an Attraktivität für Investoren, die sich außerhalb des Senior-Segments nach Alternativen umschauen. Aus Sicht der Banken verlieren die Papiere jedoch ihren regulatorischen Vorteil. Viele Institute versuchen daher, diese Positionen in ihren Bilanzen auszutauschen, wodurch sich für die Anleiheinvestoren zusätzliche Chancen ergeben. So hat etwa kürzlich die Deutsche Bank einige alte Floating Rate Notes zu 100 % zurückgezahlt, obwohl diese am Tage zuvor noch bei 60 % gehandelt wurden. Große FortschritteObwohl bei den Eigenkapitalquoten bereits große Fortschritte erzielt wurden, dürfte der Anpassungsprozess noch einige Jahre andauern und nicht ganz erschütterungsfrei ablaufen. Vor allem bei den Häusern, die dem Investment Banking in der Vergangenheit große Bedeutung zugemessen haben, dürfte er eher holprig vonstattengehen. In diesen Unternehmensbereichen wurden teils exzessive Risiken eingegangen. Während die neu berufenen Führungsspitzen versuchen, ihre Institute umzubauen und diejenigen Geschäftsbereiche zu stärken, die verlässlich Kapital generieren, werden diese Banken weiterhin von Erblasten eingeholt. Diese Neugestaltung wird sich zweifellos noch hinziehen, und insbesondere die Lösung von Rechtsstreitigkeiten braucht Zeit. Damit werden auch weiterhin Rückstellungen für Restrukturierungen und die Bereinigung von Altlasten nötig sein. Auf der anderen Seite werden manche Banken auch künftig sogenannte Goodwill-Abschreibungen auf übernommene Firmenwerte vornehmen müssen, deren Kaufpreis den aktuellen Zeitwert überschreitet. Für Anleiheinvestoren ist entscheidend, dass diese Wertberichtigungen keinen Einfluss auf die Kapitalisierung der Banken haben. Verbesserung der ErträgeObwohl besonders die Investmentsparten weiter von kurzfristigen Marktbewegungen beeinflusst werden dürften, ist die Lage der europäischen Großbanken weit besser, als es derzeit den Anschein macht. Solange es nicht zu einer globalen Rezession kommt, dürften sich die Erträge früher oder später wieder deutlich verbessern. Auch wenn die Weltwirtschaft mit schwachem Wachstum und der Neuausrichtung in China zu kämpfen hat, spricht wenig dafür, dass eine weltweite Krise ins Haus steht. Auch das Umfeld niedriger Zinsen wirkt sich keineswegs nur negativ auf das Kerngeschäft aus. Denn Banken verfügen sowohl bei den Einlage- als auch bei den Kreditzinsen über Preissetzungsmacht, wie etwa das Beispiel von Credit Suisse zeigt. Das Institut, das wie die Deutsche Bank zuletzt Verluste vorgelegt hat, wirtschaftet mit einer internen Marge von 1,86 %. Auf Herz und Nieren prüfenFür Anleiheinvestoren zählt: Die großen Banken werden ihre aktuellen Herausforderungen meistern können, ohne vom Pfad der Eigenkapitalstärkung abzukommen. Selbstverständlich sollten Anleger jede Anleihe auf Herz und Nieren prüfen. Aber es gibt keinen Grund zum Zweifel, dass solide finanzierte Banken ihre Kupons auch in Zukunft pünktlich zahlen werden. Während kurzfristige Stimmungsschwankungen am Markt Aktieninhaber weiterhin nervös machen dürften, können Anleiheinvestoren daher optimistisch in die Zukunft blicken.—-Anthony Smouha, CEO von Atlanticomnium und Fondsmanager bei GAM