Anleiherenditen stürzen 2016 ab

Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank zeigt enorme Auswirkungen

Anleiherenditen stürzen 2016 ab

Von Kai Johannsen, FrankfurtIm unmittelbarem Vergleich der zehnjährigen Bundrendite zu Jahresbeginn (rd. 0,60 %) und zum Jahresultimo 2016 (rd. 0,2 %) sieht es so aus, als wäre gar nicht mal viel passiert. Aber dieser Eindruck täuscht enorm. Am 4. Januar 2016 eröffnete der Markt morgens um 8:00 Uhr das neue Handelsjahr mit einer Rendite von 0,597 %. Das war zugleich das Jahreshoch, d.h. eine derartig hohe laufende Verzinsung wurde während der gesamten folgenden zwölf Monate in diesem Laufzeitenbereich nicht mehr erreicht. Die Rendite des Benchmark-Papiers der Eurozone, an dem sich alle Emittenten des gemeinsamen Währungsraumes in Form von Renditeabständen (Spreads) messen, fiel fast kontinuierlich in den folgenden Wochen und Monaten zurück. Es ging immer näher in Richtung Nulllinie. Die Bundesanleihen mit geringeren Laufzeiten sackten nach und nach unter die Nulllinie, also ins Negative. Investoren werden verdrängtImmer tiefer getrieben wurden die Renditen der europäischen Staatsanleihen – und damit nicht der Bundesanleihen – durch das Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank, das 2016 noch ausgeweitet wurde, so zum Beispiel um den Erwerb von Unternehmensanleihen. Die Käufe der EZB selbst drückten die Renditen in immer tiefere Regionen. Hinzu kamen die Verdrängungseffekte: Investoren, die noch positive Renditen wollten oder negative Sätze nicht mehr akzeptieren konnten, wurden in längere Laufzeiten gedrängt oder kauften Papiere mit schlechteren Ratings mit der Folge, dass auch in diesen Segmenten die Renditen immer heftiger unter Druck kamen.Bei der zehnjährigen Bundrendite kam der Sprung ins Negative dann im Juni zustande. Am Markt gab es über Tage nur noch ein bestimmendes Thema: Kommt es bei dem Referendum über den Ausstieg Großbritanniens aus der EU nun zum vielfach befürchteten “Brexit” oder nicht, d.h. bleiben die Briten doch noch in der Staatengemeinschaft. Diese Unsicherheit über das Votum ließ die Anleger die sicheren Häfen ansteuern, so dass die Rendite erstmals am 14. Juni ins Negative fiel und auch im roten Bereich schloss (Tagestief: – 0,03 %,Schluss: – 0,001 %, Schluss am 13. Juni: + 0,011 %). In den Folgetagen setzte sich die Rendite wieder vom Minus ab. Als am 24. Juni dann der Vote für den Brexit bekannt wurde, stürzte die Rendite tief ins Minus, so groß war die Verunsicherung an den Finanzmärkten und damit die Flucht in sichere Bundesanleihen. Lag die Rendite am 23. Juni abends noch bei + 0,10 %, wurden bereits bei der Eröffnung am 24. Juni – 0,15 % gesehen, das Tief war an diesem denkwürdigen Tag bei – 0,17 %. Auch in den Folgetagen ging es fast stetig immer weiter herunter. Das historische Tief markierte die zehnjährige Bundrendite am 6. Juli mit – 0,204 %.Auch in anderen Laufzeitenbereichen ging es 2016 tief herunter. Die 30-jährigen Bundesanleihen eröffneten das Jahr mit 1,449 %, was zugleich das Jahreshoch war. Das historische Tief wurde ebenfalls am 6. Juli gemessen, und zwar mit 0,346 %. Fast stetig ging es im zweijährigen Bundsegment nach unten. Nach – 0,35 % zum Jahresbeginn wurde das historische Tief erst am 29. Dezember mit – 0,841 % gesehen. Die Ausweitung des EZB-Programm im Dezember zeigte hier Wirkung.