Argentinien verblüfft den Markt

Hundertjährige Anleihe stößt auf starke Nachfrage - Volumen von 2 auf 2,75 Mrd. Dollar angehoben

Argentinien verblüfft den Markt

Das große Interesse an einer 100-Jahres-Anleihe Argentiniens verdeutlicht die verzweifelte Suche der Märkte nach Rendite. Während viele Marktakteure den Zins von 7,92 % für bedenklich niedrig ansehen, glauben viele in Argentinien an einen vorzeitigen Rückkauf. Für die Regierung ist der Deal Notwendigkeit und Prestige-Kosmetik.Von Andreas Fink, Buenos AiresArgentiniens Emission einer Dollar-Anleihe mit 100 Jahren Laufzeit hat an den Finanzmärkten Erstaunen ausgelöst. Sowohl in New York, wo die Papiere im Volumen von 2,75 Mrd. Dollar ausgegeben wurden, als auch in Argentinien, das nun jährlich etwa 200 Mill. Dollar an die Zeichner wird überweisen müssen. Als Finanzminister Luis Caputo die Geldaufnahme am Montagmorgen ankündigte, war ein Anleihevolumen von 2 Mrd. Dollar zu einer Rendite von 8,25 % im Gespräch. Aber die große Nachfrage an den Papieren bewog die Regierung, das Volumen zu erhöhen und ermöglichte eine Reduzierung der Rendite auf 7,92 %. Investoren reichten nach Angaben der argentinischen Regierung Gebote für 9,75 Mrd. Dollar ein.Das Land, das erst seit seiner Einigung mit dem New Yorker Hegefonds Elliott Management vor einem Jahr wieder an die internationalen Kreditmärkte zurückkehren konnte, hat eine turbulente Vita auf den Finanzmärkten. Seit 1951 war es sechsmal zahlungsunfähig. Der Default von 2001 gilt bis heute mit mehr als 100 Mrd. Dollar Ausfall als der schwerste Staatsbankrott in der Geschichte. Exzessive LiquiditätPopulismus und Korruption machten Inflation und Budgetexzesse zu chronischen Begleitern des wirtschaftlichen und sozialen Abstiegs eines Staates, der, gemessen an seinen natürlichen Voraussetzungen in einer Liga mit Australien und Kanada spielen müsste. Aber er wurde von einem Kartell aus gierigen Politikern, mafiösen Gewerkschaften und wettbewerbsabgeneigten Unternehmern zu einem Wurmfortsatz der Weltwirtschaft und einem Paria der Finanzmärkte degradiert. Dass nun, gerade mal 20 Monate nach dem Abtritt einer Regierung, die nicht nur den Schuldendienst verweigerte, sondern auch noch sämtliche Statistiken fälschen ließ, fast 10 Mrd. Dollar für Marathon-Bonds zusammenkommen, zeugt zu allererst von der exzessiven Liquidität der Finanzmärkte. Und von deren Bereitschaft, auch unsicheres Terrain zu beschreiten, wenn Gewinne winken. Auch die winkende Aufnahme des Landes in den MSCI Emerging Markets mag Finanzminister Caputo bewogen haben, die Langläufer-Anleihe nun zu begeben. Im Finanzdistrikt von Buenos Aires wird ferner vermutet, dass konkrete Anfragen von Großanlegern Caputo zu dem Manöver motiviert haben.Aber wem nutzt die 100-Jahres-Anleihe? Zunächst der Regierung von Mauricio Macri, deren reale Bilanzen weitaus weniger strahlen als die Perspektiven auf den Finanzmärkten. Macri braucht die 2,75 Mrd. Dollar, um das Budgetdefizit nicht ausufern zu lassen. In ihrem Haushaltsentwurf hatte die Regierung mit einem Dollar-Kurs von 17,92 Peso kalkuliert. Doch aufgrund des steten Zustroms von Anleger-Dollar pendelt die US-Währung seit Monaten um die 16-Peso-Marke, während die Preise immer noch um 1,5 bis 2 % im Monat steigen. Die ungünstige Kostenstruktur haben ausländische, aber auch argentinische Unternehmer von Investitionen in der Realwirtschaft abgehalten, was dazu führt, dass Argentiniens Industrie weiter in der Rezession steckt. Allein eine Rekordernte dürfte dem Land in diesem Jahr ein schwaches Wachstum bescheren. Weil Macris Koalition Cambiemos bei den Parlamentswahlen im Oktober selbst im Falle eines guten Abschneidens keine eigene Mehrheit in den beiden Kammern zusammenbringen dürfte, wirken die Hoffnungen auf eine nachhaltige Steuerreform in 2018 eher irreal.Das alles wissen die Emerging-Market-Experten, aber sie fürchten offenbar keinen Rückfall in den Populismus Kirchner’scher Prägung, auch nicht bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2019. Darum ließen sich die Anleger auf den 7,9-Prozent-Deal ein. Dieser Zinssatz erscheint vielen im Norden als zu niedrig, aber in Buenos Aires wird er vielfach als zu teuer empfunden, schließlich konnten selbst die armen Nachbarn aus Bolivien und Paraguay zu Sätzen um die 4 % Kredite aufnehmen. Immerhin hat sich Minister Caputo die Möglichkeit offengehalten, die Anleihen zurückzukaufen.