Lateinamerikanische AktienmärkteIn Mileis Bann

Argentiniens Aktienmarkt boomt nach Schocktherapie

Der argentinische Aktienmarkt hat sehr positiv auf die wirtschafts- und finanzpolitische Schocktherapie von Präsident Javier Milei reagiert. Dennoch bleibt erhebliche Risiken für das Land und damit auch für die Märkte bestehen. Argentinische Aktien sind daher nur etwas für Anleger mit starken Nerven.

Argentiniens Aktienmarkt boomt nach Schocktherapie

Argentiniens Aktienmarkt boomt nach Schocktherapie

Wirtschaft des Landes wird stärker – Inflation rückläufig – Erhebliche Risiken bleiben aber bestehen

Der argentinische Aktienmarkt hat sehr positiv auf die wirtschafts- und finanzpolitische Schocktherapie von Präsident Javier Milei reagiert. Dennoch bleibt erhebliche Risiken für das Land und damit auch für die Märkte bestehen. Argentinische Aktien sind daher nur etwas für Anleger mit starken Nerven.

Von Andreas Fink, Buenos Aires

Mit erheblichen Zuwächsen kommen argentinische Vermögenswerte allmählich auf den Radar der Weltmärkte zurück. Dies scheint sich insbesondere beim Index S&P Merval zu bestätigen, der in den letzten zwei Wochen, in Dollar gerechnet, einen Sprung von fast 20% gemacht hat. Banken und der Energiesektor, hier vor allem Öl und Gas, waren die bevorzugten Aktien. So konnten die Titel von Banco Galicia um mehr als 30% zulegen. Und Pampa Energía verbesserten sich um mehr als 20%. Auch die an Wall Street gehandelten argentinischen Werte stiegen zuletzt um bis zu 7%, angeführt von Despegar, Telecom Argentina (6,2%), Edenor (5,6%) und Banco Supervielle (2,9%).

Die Anleihen des Landes konnten ebenfalls wieder zulegen, nachdem ein deutlicher Anstieg seit September im April zum Halten gekommen war, als viele Schwellenländer Schwierigkeiten bekamen. „Argentiniens 10-jährige Anleihe rentierte Mitte August mit 17,8% drei- bis viermal so hoch wie die Rendite des einfachen Durchschnitts der lateinamerikanischen Länder, mit Ausnahme von Bolivien und Ecuador, deren Wirtschaft sich deutlich verschlechtert“, resümiert die Beraterfirma Quantum Finanzas des vormaligen Zentralbankchefs und Finanzstaatsekretärs Daniel Marx. 

Stärker geworden

„Die argentinische Wirtschaft ist heute viel stärker als noch vor ein paar Monaten“, so Quantum Finanzas. Sie weist einen Haushaltsüberschuss auf, die Bilanz der Zentralbank wurde bereinigt, die relativen Preise wurden angepasst, die Inflation ist rückläufig und es gibt eine beginnende wirtschaftliche Erholung, während gleichzeitig wichtige Reformen des regulatorischen Rahmens für die Entwicklung der Aktivitäten eingeführt werden. Zudem gebe es Spielraum für weitere deutliche Zuwächse, wenn es der Regierung gelingt, wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten zu bekommen. Dafür seien jedoch weitere Fortschritte in der vertrauensbildenden Politik erforderlich, so Quantum Finanzas.

Und hier stecken Präsident Javier Milei und sein Finanzminister Luis Caputo in einer Situation, in der drei schwere Probleme zeitgleich gelöst werden müssen, wobei die Verbesserung eines Defekts die beiden anderen zu verschlimmern droht. Um Argentinien an die Finanzmärkte zurückzubringen, muss das Land die Inflation unbedingt weiter senken. Aber gleichzeitig muss es Devisenreserven aufbauen, um seine Schulden bedienen zu können. Und um die Reserven zu stärken, braucht das Land neue Investitionen vor allem aus dem Ausland. Aber die fließen bislang nur spärlich, weil die Regierung die Wechselkurskontrollen nicht abschaffen kann, denn ihr fehlen ja die Reserven.

Es fehlen Dollar

Argentiniens größtes Problem ist also erneut: Es fehlen Dollar. Das liegt auch daran, dass der Agrarsektor seine Soja-Ernte lieber eingelagert hat, als die Bohnen zu einem ungewöhnlich niedrigen Weltmarktpreis und ungünstigem Wechselkurs zu verkaufen. Darum kamen 10 Mrd. Dollar weniger ins Land, als ursprünglich erwartet wurde. 

Im Juli haben Milei und Caputo erklärt, dass ihr Hauptaugenmerk auf der Inflationsbekämpfung liegt. Dafür werde die Zentralbank auf Neuemissionen verzichten, was die Menge der zirkulierenden Pesos reduzieren und dem Preisauftrieb den Treibstoff nehmen soll. Die Geldentwertung ist zwar deutlich gesunken, von 26% allein im Monat Januar auf 4% im Juli. Aber diese 4 Prozent bezogen auf den Vormonat stehen im Jahresvergleich für mehr als 150%. Milei will die Teuerung in diesem Jahr auf Monatswerte von unter 2% bekommen. Damit das gelinge, werde die Notenbank auch Dollar aus den Reserven verkaufen, um eine Abwertung des Peso oder eine deutliche Zunahme der parallelen Wechselkurse zu unterbinden. Tatsächlich hat die Zentralbank unter Milei bereits 12,3 Mrd. Dollar für Stützungskäufe aufgewendet, wie die Beratungsfirma EcoGo vorige Woche publizierte. Diese Marktintervention durch die liberale Regierung ist tatsächlich deutlich größer als die der linkspopulistischen Vorgänger.

Zweifel an den Märkten

An den Märkten hat diese Strategie wenig Gefallen gefunden. Und auch beim Internationalen Währungsfonds, dessen größter Schuldner Argentinien ist, kam sie alles andere als gut an; der Fonds akzeptiert es grundsätzlich nicht, dass seine Schuldner Reserve-Gelder für Stützungskäufe aufwenden. Sowohl der Fonds als auch Anleger befürchten, dass Argentinien 2025 die Devisen für den Schuldendienst fehlen könnten. Kommendes Jahr muss das Land etwa 19 Mrd. Dollar für den Zinszahlungen aufbringen. Milei und Caputo haben zur Beruhigung der Märkte veranlasst, die Goldreserven des Landes, gut 4 Mrd. Dollar, nach London auszulagern, wo das Gold als Sicherheit für kurzfristige Kredite bereitstehen könnte. Bei diesem Kassenstand dürfte es extrem schwierig werden, die Wechselkurskontrollen aufzuheben. Denn eine solche Umstellung dürfte einen Run auf Dollar auslösen, auf den die Zentralbank vorbereitet sein muss. Und das ist sie derzeit definitiv nicht, denn die Reserven liegen aktuell um mehr als 4 Mrd. Dollar im Minus. Und im Januar, nach den ersten Zahlungen für den Schuldendienst, könnten die „Rücklagen“ auf minus 10 Mrd. Dollar fallen, befürchtet die Ökonomin Marina dal Pogetto, Chefin der Consultancy EcoGo. 

Vor diesem düsteren Szenario bleibt Milei und Caputo nur die Hoffnung, dass eine Steueramnestie möglichst viele Landsleute dazu bewegt, ihre außerhalb des Finanzsystems angelegten Devisen aus Matratzen, Schießfächern oder von Auslandskonten zu holen. Zudem hat Caputo einen deutlichen Rabatt angeboten für all jene, welche die Vermögensteuer für fünf Jahre im Voraus begleichen. Die Fristen für Amnestie und Steuerrabatt enden im September. Zudem hofft die Regierung, dass das am 8. Juli in Kraft getretene „Anreizsystem für Großinvestitionen“ (RIGI) internationale Konzerne zu Investments verführt. Firmen, die in diesem Rahmen ins Land kommen, können ihre Gelder frei transferieren, ohne Währungskontrollen.

Wichtige Weichenstellung

Die wohl wichtigste Weichenstellung für Mileis Hasard-Programm wird aber in den USA stattfinden. Milei hofft, dass sein Verbündeter Donald Trump nach einem Wahlsieg am 5. November den IWF überzeugen kann, den Argentiniern nochmals Geld zu leihen, um die Währungskontrollen abschütteln zu können. Aber Argentinien ist schon heute der größte Schuldner des IWF.

Für die Börse heißt das: In den nächsten zwei Monaten könnten die Deviseneingänge aus der Steueramnestie und die vorgezogenen Vermögensteuern eine vorübergehende Beruhigung bringen, was sich kurzfristig positiv auf die Kurse auswirken könnte, mit Zuwachsraten wie in den letzten Wochen. Argentinien bleibt aber ein Pulverfass und sein Präsident ein Sprengsatz.