AT1-Bonds sind riskant wegen Kündigungsrisiko
Von Corinna Dröse *)Contingent Convertibles (Cocos) wurden durch Basel 3 als Hybridkapitalinstrumente eingeführt, um Banken die Aufnahme von zusätzlichem Kernkapital (Additional Tier 1 Capital, AT1) und damit eine Verbesserung ihrer Kapitalausstattung zu ermöglichen. Die endgültige Klarstellung der Produktanforderungen an Cocos für die Anerkennung als AT1 haben entsprechend zu einem erhöhten Aufkommen an AT1-Emissionen in den Jahren 2014 und 2015 geführt. Danach ist das Volumen der neu emittierten AT1 etwas zurückgegangen, es werden jedoch weiterhin regelmäßig neue AT1 emittiert. Nur geringer AnteilInsgesamt ist der Anteil der AT1-Anleihen, gemessen an anderen Emissionen von Banken, in den vergangenen Jahren jedoch recht gering geblieben. Das erklärt sich dadurch, dass Banken maximal 1,5 % ihres Tier-1-Kapitals in Höhe von insgesamt 6 % der Risikoaktiva durch AT1-Instrumente bilden können und die darüber hinaus geforderten Polster weitgehend in CET1-Kapital gehalten werden müssen. Allerdings können Banken AT1-Kapital zur Erfüllung der Leverage Ratio nutzen und auf die TLAC- und MREL-Quoten anrechnen, obwohl es sich dabei um für diesen Zweck vergleichsweise teure Instrumente handelt. Auch schützen AT1-Anleihen die Gläubiger von Nachranganleihen und Senior-Non-Preferred-Anleihen (SNP) im Fall einer Restrukturierung oder Abwicklung vor Verlusten bzw. können dazu beitragen, das Ausmaß der Verluste, die auf diese Assetklassen entfallen, zu reduzieren.Insgesamt haben bisher überwiegend große und finanzkräftige Banken Cocos emittiert. Die Papiere sind in erster Linie für institutionelle Investoren attraktiv, die Emissionen in Benchmarkgröße und mit guter Liquidität bevorzugen, was viele kleinere Banken bisher von der Emission abgehalten hat. Die Emission von Cocos setzt zudem eine stetige Rentabilität des Emittenten voraus, da für eine erfolgreiche Platzierung die Perspektive auf ausreichend Gewinn, der regelmäßige Kuponzahlungen ermöglicht, vorhanden sein muss. Zudem sind Cocos aufgrund ihrer Struktur und des zugrundeliegenden Risikoprofils weniger einfach verständlich als Aktien oder andere Bankanleihen. Ein Investment in eine AT1 erfordert daher eine regelmäßige und fachkundige Überwachung, so dass die Papiere nicht alle Investoren ansprechen. Überwiegend in DollarDie Mehrheit der AT1-Emissionen mit einem Gesamtwert von 307 Mrd. Euro ist bisher in Dollar erfolgt. Die Papiere wurden jedoch nicht von amerikanischen Banken emittiert, die Preferred Shares zur Bildung von zusätzlichem Kernkapital nutzen, sondern von großen, international tätigen Banken, die über umfangreiche Kapitalmarkt- oder Handelsaktivitäten verfügen und ihre Eigenkapitalquoten durch in Dollar denominierte AT1 gegen Währungsschwankungen absichern. Das Volumen der in Euro emittierten Bonds ist dagegen mit 62 Mrd. Euro überschaubar. Die Mehrheit der in Euro begebenen Cocos wurde von spanischen Banken emittiert, gefolgt von Banken in Großbritannien und Irland, aus Belgien und den Niederlanden sowie Italien.Seit Einführung der Cocos haben sich die Rahmenbedingungen für diese Instrumente verändert. Unmittelbar nach der Bankenkrise, als hohe Verluste das Eigenkapital vieler Banken stark dezimiert hatten, sollten Banken möglichst schnell verlusttragendes Eigenkapital aufbauen können, das wie hartes Kernkapital in der Lage ist, Verluste bei Fortführung des Geschäftsbetriebs (Going Concern) zu absorbieren und damit eine erheblich verbesserte Verlusttragfähigkeit zu schaffen. Viele Banken haben sich mittlerweile jedoch von der Finanzmarktkrise erholt und sind in der Lage, wieder hartes Kernkapital durch die Ausgabe neuer Aktien und die Einbehaltung von Gewinnen zu bilden.Im September 2011 hat die durchschnittliche CET1-Quote der EU-Banken bei 7,9 % gelegen, die zu der Zeit bestehende Basel-III-Anforderung an das CET1-Kapital lag bei 7 %. Vor diesem Hintergrund schien die Verlustbeteiligung eines Instruments, die dann eintritt, wenn die CET1-Quote unter 5,125 % oder 7 % sinkt, durchaus realistisch. Mittlerweile wurden jedoch die regulatorischen Anforderungen an das CET1-Kapital durch die Einführung zusätzlicher Kapitalpuffer (antizyklischer Kapitalpuffer, Systemrisikopuffer), die durch CET1-Kapital erfüllt werden müssen, deutlich angehoben. Die SREP-Quoten (Anforderung der Säule 2) für das CET1-Kapital der großen Banken liegen mittlerweile bei etwa 9 % bis 11 %. Die EU-Banken weisen derzeit eine durchschnittliche CET1-Ratio von 14,2 % auf. Das macht die Verlustbeteiligung eines Cocos in der Form einer Wandlung oder Abschreibung selbst bei einem hohen Trigger von 7 % des CET1-Kapitals im Going-Concern-Fall unwahrscheinlich, da vermutlich bereits bei Unterschreiten der SREP-Quote von der zuständigen Aufsicht die Abwicklung oder Restrukturierung der Bank angeordnet wird. Dennoch stehen AT1-Instrumente bei einer Restrukturierung zur Verlustabsorption zur Verfügung, wie die Fälle Banco Popular und Banca Monte dei Paschi gezeigt haben. Banken erzielen GewinneDas größte Risiko bei AT1-Anleihen bleibt entsprechend die Bonität des Emittenten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die AT1 der Deutschen Bank, die jeweils auf die verschiedenen Probleme der Bank mit einer deutlichen Ausweitung der Risikoprämie reagierte. Das Kuponausfallrisiko bei AT1 als Folge eines zu geringen ausschüttungsfähigen Betrags (ADI) ist mittlerweile deutlich gesunken. Einerseits erzielen die meisten Banken wieder regelmäßig Gewinne, aus denen Kuponzahlungen und Ausschüttungen vorgenommen werden können, anderseits wurden die Anforderungen an den ADI durch die Teilung der geforderten SREP-Quoten in Anforderung und Empfehlung gesenkt.Es gibt jedoch auch Risiken, die sich aus einer Veränderung der regulatorischen Rahmenbedingungen ergeben. Beispielsweise sind die CRR2 und BRRD2 noch nicht abgeschlossen. Daraus könnte beispielsweise die zukünftige Nichtanerkennung einzelner Papiere, die nicht unter EU-Recht begeben wurden, resultieren. Die Gestaltung der Übergangsfrist für die Anerkennung entscheidet dann darüber, ob Banken von der Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung zum Nennwert (Regulatory Par Calls) Gebrauch machen können. Auch ein Wegfall der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Kuponzahlungen, die derzeit in einigen Ländern diskutiert wird, kann zu Kündigungen zum Nennwert (Tax Par Calls) führen.Bei AT1-Papieren, die deutlich über pari notieren, würde die vorzeitige Rückzahlung des Titels zum Nennwert zu einer erheblichen Einschränkung in der Rendite führen. Doch auch wenn keine Kündigung erfolgt, obwohl diese aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen möglich ist, kann allein das Risiko zu für Investoren nachteiligen Ausweitungen der Spreads führen.—-*) Corinna Dröse ist Senior-Credit-Analystin bei der DZ Bank.