Atlas Copco gilt als investitionswürdig
Von Volker Stoll*)
Die 2032er Bond-Spreads des schwedischen Industriespezialisten Atlas Copco haben sich seit der Emission im Februar 2022 um 42 Basispunkte (BP) ausgeweitet. Relativ zu qualitativ ähnlich aufgestellten Siemens-Bonds ist dies bei gleicher Laufzeit eine Underperformance von 29 BP. Dennoch besteht bei Atlas Copco kein Grund zur Sorge. Der Q2-Bericht bestätigt die sehr kontinuierliche Besserungstendenz der fundamentalen Ertrags- und Bilanzqualität des operativen Geschäfts seit 2018, als das Mining-Maschinen-Geschäft im Gegenwert von 9,6 Mrd. Dollar abgespalten wurde. Arrondierende und teils auch teure Akquisitionen wurden schnell integriert, waren bilanziell schnell verarbeitet und ermöglichen hohes und äußerst profitables Wachstum.
Wir verzeichnen bei Atlas Copo relativ zur engeren Industrie-Peergroup die niedrigste operative Ertragsvolatilität, die von einem ebenfalls in einem guten Bereich befindlichen niedrigen Verschuldungsgrad begleitet wird. Ende 2021 lag der Verschuldungsgrad Net Debt/Ebitda bei 0,7x. Nach dem aktuellen Zinsanstieg bieten die Euro-Bonds von Atlas Copco eine Rendite im Bereich von 0,6 bis 3% bei Laufzeiten von einem bis zehn Jahren. Die Ertrags- und Cashflow-Stärke im Verlauf des gesamten Sektorzyklus und die strategische Positionierung sollten bei Atlas Copco das Investment-Grade-Rating (Moody’s: A2) absichern.
Ausgeweitete Spreads
Investoren sollten die für Atlas Copco unüblich ausgeprägte Spread-Ausweitung am langen Ende im Blick behalten. Die Unternehmenskurve von Atlas Copco weitete sich seit Jahresanfang relativ zur Industrials-Marktkurve A+ um 57 BP stärker aus. Bei der mittleren Laufzeit ist die Lage deutlich besser. Die vierjährige Laufzeit weist hingegen nur eine um 4 BP stärkere Spread-Ausweitung relativ zu der Industriebenchmark auf. Am zweijährigen Horizont sind umgekehrte Effekte zu verzeichnen. Hier notierten die Spreads von Atlas Copco um wenige Basispunkte enger als die Industriebenchmark.
Der starke Anstieg der Unternehmenskurve ab 2025 relativ zu der Industriebenchmark bleibt dennoch bemerkenswert. Ausgeprägte unternehmensspezifische Risiken sehen wir derzeit aber nicht. Zwar ist ein wesentlicher Fertigungsanteil in Deutschland und in China allokiert. Eine potenzielle Unterbrechung der Gasversorgung in Deutschland könnte die Lieferfähigkeit von Atlas Copco daher zu einem gewissen Grad belasten. Auch könnten die zwischenzeitlich bedeutenden chinesischen Aktivitäten durch eine Marktabkühlung beeinträchtigt werden. Derzeit aber stufen wir diese Effekte auch unter Berücksichtigung des Internationalisierungsgrads als untergeordnet ein. Die Ursache für die starke Ausweitung am langen Ende sehen wir einerseits im tendenziell „geringeren“ Volumen der emittierten Bonds, was in Abwärtsphasen belastend wirken dürfte. Auch der Zeitraum und die Geschwindigkeit der Spread-Ausweitung spricht für markttechnische Gründe. Ob die Phase der Spread-Ausweitung beendet ist, dürfte damit vom verbliebenen Neupositionierungsbedarf der Investoren abhängen.
Die laufende Neuausrichtung mittels Akquisitionen setzte 2020 mit dem Kauf der Darmstädter Isra Vision für 1,1 Mrd. Euro einen Schwerpunkt in der Industrietechnik. Daneben findet sich eine lange Liste an kleineren Akquisitionszielen, die sich auf die Druckluft-, Energie-, Montage-, Pump- und Vakuumtechnik sowie Service fokussieren. Im Zeitraum von 2019 bis 2021 wurden die Akquisitionen intensiviert und insgesamt 2,3 Mrd. Euro investiert. Die Mittel für die Zukäufe wurden überwiegend operativ erwirtschaftet. Dabei wurde das Hauptstandbein, die Kompressortechnik, weiter ausgebaut. Die Vakuumtechnik konnte mittels eines überproportionalen Ergebniswachstums den zweiten Platz im Konzernranking festigen.
Die auf Konzernebene verzeichnete Gesamtkapitalrendite von 27% im Geschäftsjahr 2021 lässt auf eine insgesamt erfolgreiche Integration schließen. Die Industrietechnik steigerte seit der Akquisition von Isra Vision die Kapitalrendite sukzessive um 5 Prozentpunkte auf zuletzt im allgemeinen Industrievergleich attraktive 17%. Im Segmentvergleich markiert das Industriesegment im Atlas-Copco-Konzern das untere Ende der Renditebandbreite. Am oberen Ende liegt die Kompressortechnik mit 90%. Regional ist Atlas Copco gut diversifiziert. Asien-Pazifik ist mit 40% Umsatzanteil vor Europa mit 29% und Nordamerika mit 23% die größte Absatzregion. Der Konzern-Free-Cashflow stieg im Rahmen der verbesserten Aufstellung 2021 auf einen neuen Rekordwert von 2,1 Mrd. Euro und hat für Industrieunternehmen eine geringe Volatilität. Die Bond-Spreads von Atlas Copco blieben in der Coronakrise 2020 relativ eng. Dies dürfte auch der Finanzdisziplin der Schweden geschuldet sein, die die Verschuldungsrelation Net Debt/Ebitda in den vorigen fünf Jahren teils klar unter der Grenze von 0,7x hielten.
Die vorbildlichen nordischen Ingenieure hatten beim ESG-Rating lediglich in der Teildisziplin Governance noch Defizite. 2021 wurden hier aber bedeutende Verbesserungen verzeichnet, so dass auch streng an ESG-Scorings orientierte Investoren immer weniger Gründe finden, die Bonds der Schweden zu meiden. Der ESG-Gesamtscore von Atlas Copco ist im Industrievergleich überdurchschnittlich.
Relativ untypisch für zyklische Industriewerte notierte der in Euro denominierte CDS-Spread in der aktuellen Krisensituation 2022 zum langjährigen Mittel auf deutlich niedrigerem Niveau. Hingegen wiesen bedeutende Industrie-Peers steigende CDS-Kurse auf. Das CDS-Kursniveau von Atlas Copco sank zuletzt auf 40 Punkte, was 37% unter dem durchschnittlichen Niveau des Zeitraums von 2010 bis 2020 liegt. Der Tiefpunkt wurde aber nicht gänzlich erreicht. Die CDS-Spreads von Unternehmen ähnlicher Bonität wie z. B. Siemens und Airbus notierten mit 81 bzw. 155 BP hingegen deutlich über dem mittelfristigen Niveau.
Aufwertungspotenzial
Insgesamt sind aktuell vier Bonds für 1,8 Mrd. Euro emittiert. Das Emissionsvolumen liegt je nach Bond bei 300 oder 500 Mill. Euro. Ende 2021 verfügte das Unternehmen über mehrere revolvierende Kreditlinien im Volumen von etwa 1 Mrd. Euro. Auch die Kreditlinien sind in Euro denominiert, was dem Produktions- und Investitionsschwerpunkt Europa geschuldet sein dürfte. Prinzipiell könnten die Fälligkeiten von 2023 bis 2032 auch nach aktuellem Stand gut aus dem laufenden Cashflow bedient werden. In den kommenden Jahren erwarten wir daher keine größeren Emissionen. Der Emissionsspread des 2022 emittierten Eurobonds war um 10 bis 15 BP zu eng angesetzt. Die mittelfristigen Bonds notieren zwischen den Marktkurven A und A+ und hätten damit etwas Aufwertungspotenzial. Eine mittlere Laufzeit könnte zudem das Zinsänderungsrisiko eingrenzen und die erzielbare Rendite dennoch auf ein gewisses Niveau bringen. Die Rendite der vierjährigen Anleihe von Atlas Copco liegt bei 2,05% (Fälligkeit 8/2026).
*) Volker Stoll ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.