Attraktive Bonds von Royal Dutch Shell
Von Achim Wittmann*)
Der Ölpreis hat in den vergangenen Monaten eine erstaunliche Rally hingelegt. Notierte die Rohölsorte Brent im November vorigen Jahres noch bei 40 Dollar je Barrel, liegt der Preis nun mit 64 Dollar je Barrel wieder auf Vorkrisenniveau. Zuletzt gab das extrem kalte Wetter in Texas dem Ölpreis Auftrieb. Daneben sind das disziplinierte Agieren der Opec+-Staaten auf der Angebotsseite sowie die Hoffnung auf konjunkturelle Besserung auf der Nachfrageseite wesentliche Gründe für die Preisentwicklung. Insgesamt liegt die Nachfrage jedoch noch ein deutliches Stück unterhalb des Vorkrisenniveaus.
Die Anleihespreads der Branchenunternehmen, gemessen am iBoxx Oil & Gas, spiegeln die starke Preiserholung am Ölmarkt nur bedingt wider. Zwar haben sich diese analog zum Gesamtmarkt (iBoxx Non-Financials) seit November vorigen Jahres deutlich reduziert. Die Differenz der Spreads zum Gesamtmarkt hat sich in den vorigen Wochen jedoch eher nach oben hin ausgeweitet. Dies könnte zum einen ein Zeichen dafür sein, dass der Markt das hohe Ölpreisniveau nicht als nachhaltig ansieht. Darüber hinaus hat das Downstream-Geschäft der integrierten Konzerne nach wie vor mit schwierigen Marktbedingungen zu kämpfen.
Enorme Herausforderungen
Schließlich steht die Branche angesichts der Transformation in der Energiewirtschaft vor enormen strategischen Herausforderungen. Die Spreads der Royal-Dutch-Shell-Bonds sind im Rahmen des ersten Lockdowns im vorigen Jahr rapide in die Höhe geschnellt und erreichten Anfang April 2020 ihre höchsten Werte mit über 200 Basispunkten (BP) im längerfristigen Bereich und rund 150 BP bei Laufzeiten von fünf Jahren. Zwei Monate später hatten die Risikoaufschläge einen großen Teil ihrer Anstiege wieder neutralisiert. Der Ölpreis hatte seinen Tiefpunkt bei rund 20 Dollar/Barrel Ende April. Bis Anfang Juni haben sich die Notierungen bis über 40 Dollar je Barrel bereits wieder deutlich erholt. Mittlerweile liegen die Spreads in den längeren Laufzeiten wieder auf Vorkrisenniveau.
Der Spread für den Bond mit Laufzeit 03/26, der mit 11 BP ins Jahr 2020 startete, beendete dieses bei 25 BP. Auf diesem Niveau liegt der Aufschlag auch aktuell. Der als Indikation für das aktuelle Marktrisiko dienende Spread für einen CDS (Credit Default Swap) mit einer Laufzeit von fünf Jahren beträgt gegenwärtig rund 36 BP. Royal Dutch Shell hat 18 festverzinsliche Bonds mit Volumina von jeweils mehr als 500 Mill. Euro am Bondmarkt ausstehen. Das durchschnittliche Rating der externen Agenturen liegt bei „AA–“. Dabei hat nur Moody’s ihr Rating mit einem negativen Ausblick versehen.
Royal Dutch Shell ging aus der Fusion von Royal Dutch Petroleum und Shell Transport and Trading im Jahr 2005 hervor und gehört zu den weltweit größten integrierten Öl- und Gaskonzernen. Das Unternehmen produziert derzeit rund 3,4 Mill. Barrel Öläquivalente pro Tag und ist einer der weltweit führenden Konzerne im Flüssiggasgeschäft (LNG). Dieses spielt im Rahmen der Transformation der Energiemärkte in Asien eine gewichtige Rolle. Das sogenannte Downstream-Geschäft hat bei Royal Dutch Shell einen im Branchenvergleich relativ hohen Anteil. Das Unternehmen gilt als Vorreiter unter den Ölkonzernen in Sachen Emissionsreduzierung. Schließlich hat Royal Dutch Shell bereits Ende November 2017 erstmals Ziele für eine Reduzierung der CO2-Intensität ihrer Produkte formuliert.
Schwieriges Marktumfeld
Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte Royal Dutch Shell in einem außergewöhnlich schwierigen Marktumfeld einen bereinigten Nettogewinn auf Basis von Wiederbeschaffungskosten in Höhe von 4,8 Mrd. Dollar (–70,6%). Bereinigt wurde das Ergebnis unter anderem um Impairments in Höhe von 21 Mrd. Dollar infolge der Anpassung langfristiger Preisprognosen. Vergleichsweise robust zeigte sich der operative Cash-flow, der zudem von Mittelzuflüssen aus der Veränderung des Working Capital profitierte und mit 34,1 Mrd. Dollar 19,1% unter Vorjahresniveau lag.
Dank eines positiven Free Cash-flow konnten die Nettofinanzschulden im vergangenen Jahr von 79,1 Mrd. Dollar auf 75,4 Mrd. Dollar reduziert werden. Eine weitere Reduzierung auf 65 Mrd. Dollar genießt hohe Priorität. Bis diese Zielgröße erreicht ist, sollen die Investitionen zunächst auf einem Niveau von 19-22 Mrd. Dollar (2020: 18 Mrd. Dollar) verbleiben. Davon sind rund 25% für die Segmente Marketing und Renewables and Energy Solutions vorgesehen, die in der zukünftigen strategischen Ausrichtung des Unternehmens als Wachstumsfelder ausgemacht wurden. Dabei kann der Konzern auf seine hohe internationale Präsenz und die breite Kundenbasis zurückgreifen.
Der Ergebnisbeitrag des Marketinggeschäftes soll bis 2025 von 4,6 Mrd. auf rund 6 Mrd. Dollar steigen. In das Fördergeschäft sollen zunächst noch rund 35 bis 40% der Gesamtinvestitionen fließen. Royal Dutch Shell will sich hierbei auf die rentabelsten Förderprojekte in neun Kernregionen konzentrieren. Die Ölförderung sollte Unternehmensangaben zufolge 2019 ihren Peak erreicht haben und in den nächsten Jahren nicht zuletzt auch aufgrund geplanter Desinvestitionen um 1 bis 2% p.a. zurückgehen. Der Gasanteil in der Förderung wird weiter ausgebaut. Auf dem Weg zu Netto-Nullemissionen bis zum Jahr 2050 hat der Konzern jüngst neue Zwischenziele formuliert. So soll die CO2-Intensität (Scope 1, 2 und 3) innerhalb der nächsten zehn Jahre um 20% und bis 2035 um 45% gesenkt werden.
Löwenanteil im Dollar
Insgesamt hat das Unternehmen gegenwärtig einen Betrag von knapp 63 Mrd. Dollar an festverzinslichen Anleihen am Markt ausstehen. Etwa 60% davon notieren in Dollar. Als Emittent von Eurobonds war Royal Dutch Shell zuletzt im Mai 2020 am Markt. Im laufenden Jahr steht noch ein Volumen von rund 2,7 Mrd. Dollar zur Refinanzierung an, unter anderem ein auslaufender Eurobond in Höhe von 1 Mrd. Euro. Insgesamt sind die Fälligkeiten relativ ausgewogen verteilt. Die Royal-Dutch-Shell-Anleihen bis Laufzeit 03/26 weisen gegenwärtig negative Renditen auf. Die langfristigen Anleihen mit Laufzeiten von zehn bzw. elf Jahren rentieren derzeit mit 0,5% bzw. 0,6%.
Da die Branche aufgrund des sich verändernden Energiemix mittel- bis längerfristig vor größeren strukturellen Veränderungen steht, sind diese Laufzeiten jedoch mit größeren Risiken verbunden. Investoren sollten unserer Einschätzung nach auf Laufzeiten von sechs und sieben Jahren zurückgreifen. Die Spreads der entsprechenden Bonds notieren über der Marktkurve, die dem durchschnittlichen Rating der Agenturen entspricht, und sind daher attraktiv gepreist. Die Renditen sind allerdings auch bei diesen Laufzeiten mit rund 0,2% marginal. Nichtsdestotrotz könnten das freundlichere Marktumfeld, die erwartete Rückführung der Verschuldung sowie die eingeschlagene Nachhaltigkeitsstrategie zu weiteren Spread-Einengungen führen.
*) Achim Wittmann ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.