Auch Leerverkäufer können Ärger haben
Von Dietegen Müller, FrankfurtUm Leerverkäufer, in den Zeiten der Finanzkrise verteufelt als Krisenbeschleuniger, ist es lange ruhig gewesen. Seit am 21. April aber der vom Anwalt Carson Block gegründete US-Hedgefonds Muddy Waters mit vernichtenden Aussagen zur Qualität des Managements und zur Bilanzierungsqualität von Ströer für Aufsehen gesorgt hat, sind Shortseller in deutschen Medien stärker in den Blick geraten. Muddy Waters ist es gelungen, an einem Tag einen Kurseinbruch von zeitweise fast einem Drittel zu provozieren – und dies, obwohl Ströer den Bericht zurückgewiesen hat (vgl. BZ vom 22. April). Meldepflicht ab 0,2 %Dabei gibt es am deutschen Aktienmarkt eine größere Zahl Leerverkäufer, die regelmäßig auftreten. Wer steckt hinter diesen Namen? Der Regulator hat hier etwas Transparenz geschaffen. Anleger können sich über den Bundesanzeiger informieren, ob es Netto-Leerverkaufspositionen in einer Aktie gibt. Ab einer Position von 0,5 % aller ausstehenden Aktien muss öffentlich gemeldet werden, die Finanzaufsicht muss schon ab 0,2 % informiert werden. Laut BaFin ist der maßgebliche Berechnungszeitpunkt um 24 Uhr am Ende des Handelstages. Relevante Positionen müssen dann bis 15:30 Uhr am darauf folgenden Handelstag mitgeteilt und, sofern erforderlich, bis dahin im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Muddy Waters hatte am 20. April laut Bundesanzeiger eine Leerverkaufsposition von 0,66 % aufgebaut und am 21. April wieder auf zuletzt 0,16 % reduziert. Laut “Capital” soll die Meldung zu spät erfolgt sein, was Muddy Waters bestreitet. Die BaFin erklärte auf Anfrage allgemein, sie überprüfe, ob Meldungen rechtzeitig abgegeben würden.Dank des Bundesanzeigers lässt sich nachvollziehen, wer vom Kurseinbruch in Ströer als Leerverkäufer sonst noch profitiert hat. Dazu zählt der Londoner Hedgefonds Thélème Partners von Patrick Degorce. Er gilt als einer der erfolgreichsten Hedgefonds-Start-ups der vergangenen Jahre und hat gemäß Bundesanzeiger zuletzt im März eine Netto-Leerverkaufsposition von 0,71 %. Da auch ein Abbau unter 0,5 % meldepflichtig ist, muss Thélème Partners vom Kursrutsch im April profitiert haben. Ein Co-Gründer von TCIDegorce ist in der Finanzbranche “well known”. Mit dem britischen Investor Chris Hohn hat er The Children’s Investment Fund mitgegründet. TCI sorgte mit der Attacke auf die Fusionspläne der Deutschen Börse mit London Stock Exchange und den damaligen Deutsche-Börse-Chef im Jahr 2005 nicht nur hierzulande für Schlagzeilen. Degorce ist allerdings nicht nur als Shortseller auf Verluste spezialisiert. Laut “Financial Times” musste er 8 Mill. Pfund Sterling an das Finanzamt zurückzahlen, weil dieses Handelsverluste nicht als steuermindernd anerkannt hatte. Laut britischer Steuerbehörde hat er vor rund zehn Jahren die Rechte an zwei Filmen für die aufgeblasene Summe von 21,9 Mill. Pfund erworben. Danach habe er die Rechte für einen Bruchteil des Kaufpreises weiterverkauft. Der Verlust sollte, so die Steuerbehörde, die Gewinne aus seinen Hedgefonds mindern. Bei den Filmrechten geht es um das von Ben Stiller produzierte Vietnam-Epos “Tropic Thunder” sowie den Film “Love Guru”, für den Mike Myers das Drehbuch schrieb. “Love Guru” floppte dabei nicht nur als Steuersparmodell, sondern auch bei Kritikern und an der Kinokasse.Mit Gegenwind – allerdings marktbedingtem – hat auch der New Yorker Hedgefonds Third Point zu kämpfen, der 1995 von Daniel Loeb gegründet wurde. Laut Bundesanzeiger hielt Third Point zuletzt eine Netto-Leerverkaufsposition von 2,48 %. Die Verluste für Hedgefonds im ersten Quartal diesen Jahres hätten zu den katastrophalsten seit der Gründung gezählt, schrieb Third-Point-CEO Loeb in einem Brief an seine Anleger. Auch Third Point ist davon nicht ganz verschont geblieben. Loeb hat früher auf der Buy- und Sell-Side für verschiedene Adressen wie Citicorp und Jefferies gearbeitet, mit einem Schwerpunkt auf notleidend gewordene Anleihen oder High-Yield-Bonds. Erst im vergangenen November erklärte er, Third Point wette nun mehr auf fallende denn auf steigende Kurse, da das Umfeld für Shortselling attraktiv sei. Dies deckt sich mit Aussagen von Muddy Waters-Gründer Carson Block, der besonders in Europa gute Gelegenheiten für Leerverkäufer sieht.Auf fallende Kurse bei Ströer wettete auch die New Yorker Blue Ridge Capital. Gründer John Anthony Griffin war von 1993 bis 1996 Präsident des New Yorker Hedgefonds Tiger Management, der im Jahr 2000 wegen mangelnden Erfolgs abgewickelt wurde. Griffin soll 2008 rund 625 Mill. Dollar verdient haben, was ihn laut “Wall Street Journal” in die Reihen der Topverdiener wie John Paulson oder Stephen Mandel (Lone Pine Capital, in Deutschland auch als Leerverkäufer aktiv) gebracht hat. Verbesserungsfähige KulturAuf dem Rückzug als Shortie in Ströer ist Valiant Capital, die Anfang Mai noch 0,37 % hielten. Gegründet wurde der in San Francisco domizilierte Fonds von Christopher “Chris” Hansen, der sich unter anderem mit Wetten auf Tech-Schwergewichte wie Apple und Facebook einen Namen gemacht hat. Ein weiterer Hedgefonds, der auf den Kursverfall von Ströer setzte, ist Lansdowne Partners aus London. CEO Alexander “Alex” Snow ist ferner auch Executive Officer des Brokers RBS HG (UK), der zur Royal Bank of Scotland gehört. Snow hatte zuvor die Broker Evolution Group aufgebaut, die er mit gutem Gespür fürs Timing 2011 an die britisch-südafrikanische Bank Investec verkaufte. Die Unternehmenskultur von Evolution kann nicht als vorbildlich bezeichnet werden. 2005 hatte Evolution laut britischen Medien etwa ein Bußgeld der Financial Services Authority wegen Marktmissbrauchs bekommen.