Auch nach der Einigung mit dem Iran Chancen im Ölsektor

Das Land wird seine Produktion nur allmählich steigern - Vor allem Saudi-Arabien und USA stärken Angebot

Auch nach der Einigung mit dem Iran Chancen im Ölsektor

Der Ölsektor durchlebt spannende Zeiten. Politische und wirtschaftliche Entwicklungen wie etwa jüngst die Einigung im Atomstreit mit Iran bringen Bewegung in die Branche. Wer genau hinschaut und die Lage sachbezogen analysiert, erkennt trotz der vordergründigen und kurzfristigen Volatilität erhebliche, langfristige Investmentchancen. Herausfordernde LageAktuell ist die Lage im Sektor allerdings herausfordernd. Der Preis für ein Barrel der Sorte Brent bewegt sich seit einigen Monaten in einer Spanne zwischen 45 und 60 US-Dollar. Allein im Juli und noch zu Anfang August war abermals ein spürbarer Rückgang der Preise zu verzeichnen, und das Sechsjahrestief von 45,19 US-Dollar kam in Sichtweite. Das bedeutet, die Branche muss nun schon seit geraumer Zeit mit einem Preis deutlich unter den Margen neuer Projekte zurechtkommen. Diese liegen bei der Sorte Brent auf heutiger Kostenbasis bei 70 US-Dollar.Der anhaltende Druck auf den Ölpreis kommt teilweise von der Angebotsseite und speist sich aus mehreren Quellen. Zum einen steigt das Angebot, weil sowohl Saudi-Arabien als auch die USA erhebliche Mengen fördern. Nicht zuletzt hat aber auch die politische Einigung der USA, Chinas, Russlands, Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands mit Iran über das iranische Atomprogramm Auswirkungen auf den Ölsektor. Infolge der Übereinkunft, ihre Ratifizierung durch die USA vorausgesetzt, werden die Wirtschaftssanktionen gegen Iran schrittweise gelockert. Damit könnte der Iran langsam wieder mehr Öl auf den Markt bringen.Dazu im Einzelnen: Saudi-Arabien hat in den vergangenen Monaten eine erhöhte Menge Öl produziert; Ende Juli waren es 10,38 Mill. Barrel pro Tag. Das entspricht rund 11 % der weltweiten Tagesförderung. Ziel des Landes ist es, seinen Marktanteil zu schützen und nach Möglichkeit auszubauen. Allgemein wird am Markt davon ausgegangen, dass die übrigen Opec-Mitglieder ihre Produktion konstant halten, aber eine Eskalation des Kampfes um Marktanteile kann für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Hydraulisches FrackingAuch der Erdölproduzent USA kräftigt die Angebotsseite. Neue Technologien, wie etwa das hydraulische Fracking, ermöglichen das Ausbeuten großer, bisher ungenutzter Vorkommen. Fracking hat den Markt kurzfristig verändert, denn es entwickelte seine Wirkung sehr schnell, und das ausgerechnet in einer Phase, in der die Nachfrage auf der anderen Seite gedämpft gewachsen ist. Doch bereits für 2015 erwarten wir, dass der jährlich globale Zuwachs von etwa 1 bis 1,5 Mill. Barrel pro Tag der Nachfrage größer sein wird als das durch Fracking zusätzlich gewonnene Angebotsvolumen. Ohnehin macht die Schieferölförderung lediglich einen relativ geringen Teil des weltweiten Ölangebots von etwa 93,5 Mill. Barrel pro Tag aus. Die gesamte Produktion der USA beläuft sich auf knapp 10 Mill. Barrel, aber nur knapp die Hälfte davonstammt aus der Schieferölförderung.Das jüngste Ereignis mit Relevanz für den Ölsektor und wiederum für die Angebotsseite hat einen politischen Hintergrund. So wurde mit Iran im Juli ein historischer Deal ausgehandelt, im Zuge dessen die internationalen Sanktionen gegen das Land schrittweise aufgehoben werden sollen. Die internationalen Sanktionen sollen aber erst gelockert werden, wenn auch der US-Kongress dem Abkommen zugestimmt hat. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen und ist keineswegs bereits ausgemachte Sache. Zumindest der politische Widerstand der Republikaner dürfte massiv sein. Möglicherweise bedarf es sogar eines Vetos durch Präsident Obama, das wiederum mit einer Zweidrittelmehrheit des Kongresses überstimmt werden könnte.Solche demokratischen Verfahren ziehen sich hin. Zudem soll der Iran etliche Auflagen hinsichtlich seiner Atompolitik erfüllen. Ob das zur Zufriedenheit aller Verhandlungspartner geschieht, bleibt ebenfalls abzuwarten. Alles in allem dürfte die Lockerung der Sanktionen zumindest bis ins Frühjahr 2016 auf sich warten lassen, auch wenn dem Ölmarkt auf längere Sicht mehr Barrel aus dem Iran zufließen. Investitionen vernachlässigtNach Jahren vernachlässigter Investitionen in seine Ölindustrie wird Iran seine tägliche Produktion nur allmählich steigern können. Allerdings verfügt das Land über rund 30 bis 40 Mill. Barrel an Lagerkapazitäten. Eine entsprechende Menge könnte also relativ schnell auf den Markt kommen. Die zusätzliche tägliche Produktion zum Jahresende 2016 dürfte sich insgesamt auf eine halbe bis 1 Mill. Barrel belaufen, zusätzlich zu den 2,8 Mill. Barrel, die Iran derzeit pro Tag fördert. Zusammengenommen käme Iran auf eine Tagesproduktion von knapp unter 4 Mill. Barrel und läge knapp vor dem Irak, jedoch noch weit hinter den großen Förderländern Russland, Saudi-Arabien und USA, die alle drei jeweils an die 10 Mill. Barrel am Tag produzieren. Verzögerter MarktausgleichAlles in allem bleibt festzuhalten: Das Abkommen mit Iran wird die Angebotsseite stärken, und das zu einer Zeit, in der der Markt ohnedies schon mit Überkapazitäten zu kämpfen hat. Das dürfte den Marktausgleich etwa um ein halbes bis ein ganzes Jahr zurückwerfen. Dennoch sollte der Weltmarkt die relativ überschaubare zusätzliche Produktionsmenge ohne Probleme und ohne erhebliche Verwerfungen aufnehmen können. Dies gilt umso mehr, als die anstehenden Veränderungen schon weitgehend eingepreist sein dürften. Entwicklung Chinas im FokusZu den erwähnten Belastungen der Preise auf der Angebotsseite kommen wachsende Sorgen über die nachlassende wirtschaftliche Entwicklung in China und deren Auswirkungen auf die Nachfrageseite. Die schwächeren Wirtschaftsdaten der jüngsten Vergangenheit aus China und die hohe Volatilität des dortigen Aktienmarktes haben Bedenken über die grundsätzliche Verfassung der chinesischen Volkswirtschaft geschürt. Immerhin handelt es sich im Hinblick auf den Ölsektor um den zweitgrößten Verbraucher der Welt. Die Branche wird daher die weitere Entwicklung in China sehr aufmerksam verfolgen. Vorteile für InvestorenWir hatten für den Ölmarkt mit einer stufenweisen U-förmigen Erholung gerechnet. Die Erholung ist bislang jedoch langsamer als erwartet verlaufen. Dennoch bleiben wir bei unserem mittelfristigen Marktausblick: Die Erholung des Marktes und die Rückkehr der Preise auf ein nachhaltiges Niveau sind im Gange; die jährliche Nachfrage steigt weiter, und das Angebot außerhalb der Opec beginnt sich anzupassen. Wesentlich ist die Unterscheidung des kurzfristigen und des langfristigen Anlagehorizonts. Der anhaltende Druck auf den Sektor und auf die Aktien hat Vorteile für Investoren mit langfristiger Perspektive. Unser Ansatz besteht darin, den Schwerpunkt auf qualitativ hochwertige Unternehmen zu legen, die über attraktive Vermögenswerte und relativ gesunde Bilanzen verfügen. Energieaktien werden bislang noch von den meisten Investoren untergewichtet. Daher handeln sie derzeit mit einem extremen Abschlag im Vergleich zum breiteren Markt.—Alastair Bishop, Portfoliomanager im Rohstoffaktien-Team bei BlackRock