LEITARTIKEL

Auf den Spuren der Nasdaq

Unsere Börse soll schöner werden: Chinas Staatspräsident hat in einer Reformrede anlässlich der China International Import Expo in Schanghai auch eine anstehende Aufhübschung der Shanghai Stock Exchange verkündet. Am führenden Börsenplatz im Reich...

Auf den Spuren der Nasdaq

Unsere Börse soll schöner werden: Chinas Staatspräsident hat in einer Reformrede anlässlich der China International Import Expo in Schanghai auch eine anstehende Aufhübschung der Shanghai Stock Exchange verkündet. Am führenden Börsenplatz im Reich der Mitte will man mit den Zeichen der Zeit gehen und ein neues Segment für Aktien im Themenspektrum Technologie, Wissenschaft und Innovation schaffen. Mit einiger Fantasie könnte man sich ausmalen, dass ein solches Unterfangen einen mit der New Yorker Technologiebörse Nasdaq vergleichbaren Handelsplatz in Chinas Finanzkapitale entstehen lassen soll.Die Nachricht vom Schanghaier Technology and Innovation Board hat die Marktteilnehmer in China allerdings nicht gerade vom Hocker gerissen. In einer Zeit, da Chinas Aktienmärkte quasi auf der Intensivstation liegen, ist man für künftige Turnübungen des Rekonvaleszenten in spe wohl noch nicht so richtig empfänglich. Um Kursfantasie im Markt zu entfachen, braucht es derzeit weniger vage Reformpläne als konkrete Anzeichen für einen Durchbruch im Handelsstreit zwischen China und den USA, der das Anlegervertrauen zermürbt.Die Experten lässt die Aussicht auf ein Shanghai Tech Board dennoch hellhörig werden. Um hier eine attraktive Listingplattform zu schaffen, bedarf es nämlich einer Lockerung der behördlich überfrachteten Regulierungsansätze für Initial Public Offering (IPO). Und siehe da, die Ankündigung für das Tech-Board ist auch mit einem Hinweis auf ein Pilotprojekt versehen worden, das ein Listing von neuen Börsenkandidaten im Rahmen eines sogenannten Registrierungsverfahrens ermöglicht. Das klingt langweilig und ist dennoch brisant. Das Registrierungsverfahren ist der gängige Modus, mit dem sich IPO-Kandidaten in westlichen Märkten zum Erstlisting aufschwingen. In den USA beispielsweise müssen stringente Publizitätspflichten erfüllt werden, danach aber lässt die gestrenge Aufsichtsbehörde SEC die berühmte unsichtbare Hand des Marktes darüber entscheiden, ob Börsenneulinge etwas taugen.In China jedoch versteht sich die Börsenaufsicht und in gewisser Weise auch der Staat als ein Schutzpatron der umtriebigen chinesischen Kleinanlegergemeinde, die im Gegensatz zum von institutionellen Investoren dominierten westlichen Börsengeschehen auch das Gros der Marktkapitalisierung hält. Da Publikumsöffnungen als eine Belastung für den Gesamtmarkt verstanden werden, da sich die Kleinanleger begeistert darauf zu stürzen pflegen und entsprechend Kapital gebunden wird, lässt der Regulator in Stressphasen nur tröpfchenweise neue Kandidaten zu.Chinesische Börsenaspiranten, die nicht das Zeug für ein IPO an der international breit zugänglichen Hongkonger Börse oder für einen Gang nach New York haben, hocken damit auf einer Warteliste, mit Fristen die Jahre beanspruchen können. Wenn es dann aber so weit ist, werden nicht nur das Timing, sondern auch die Konditionen vom übervorsichtigen chinesischen Regulator in einer Art und Weise mitbestimmt, die für eine geringe Kapitalaufnahme bei extrem konservativen Bewertungsrelationen sorgen. Gerade für Unternehmen aus der schnelllebigen Tech-Branche ist das freilich nichts, so dass Chinas Branchen-Schwergewichte allesamt in den USA oder in Hongkong gelistet sind.Das behördlich verordnete “Underpricing” führt unweigerlich dazu, dass sich eine riesige Nachfrage nach allen IPO-Werten einstellt, die nicht mit Marktgegebenheiten zu tun hat und die Anleger zur Partizipation an einer sicheren Wette animiert. Tatsächlich kommen praktisch alle Börsenneulinge auf die am ersten Handelstag höchst zulässige Kurssteigerung von 44 %, und die Kurse ziehen auch danach noch kräftig an. Jüngstes Beispiel ist der im Oktober neu gelistete Broker Tianfeng Securities, dessen Aktien in einer Zeit, da chinesische Brokerwerte stark gezwiebelt wurden, um über 300 % zulegen konnte.China hat bereits im Jahr 2013 die gegebenenfalls wirkende Reform des Listing-Regimes angekündigt, ist binnen fünf Jahren aber in Sachen Registrierungsverfahren und stärker marktgesteuerten IPO nicht entscheidend vorangekommen. Der brennende Wunsch von Chinas Festlandbörsen, an der Tech-Welle partizipieren zu lassen, bringt nun die Initialzündung für ein müheloseres Listingregime. Bis zur Schaffung einer asiatischen Nasdaq ist es zwar noch ein sehr langer Marsch, aber zumindest befindet man sich auf dem richtigen Pfad.—–Von Norbert HellmannChina plant ein Technologiesegment an der Börse Schanghai. Das könnte Chinas schwerfälligem IPO-Regime neues Leben einhauchen.—–