Auf der Suche nach Gleichgewicht

Geldmarkt reagiert diffus auf Zinssenkung - Regulierung und Risikoscheu bremsen Interbankenhandel

Auf der Suche nach Gleichgewicht

Trotz Zinssenkung der EZB halten sich die Banken beim Wochen- und Monatstender eher zurück. Eine Belebung des Interbankenhandels scheint angesichts der großen Nervosität in den Treasury-Abteilungen noch in weiter Ferne zu liegen. Die Häuser dürften der EZB weiter die Treue halten, was das Bunkern von Überschussreserven angeht.Von Georg Blaha, FrankfurtNoch immer ist nicht in allen Einzelheiten klar, wie sich die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche auf den Geld- und Interbankenmarkt auswirken wird. Unmittelbar reagiert haben die börsentäglich ermittelten Euribor-Terminsätze – mit einer deutlichen Abwärtsbewegung. Weit diffuser scheinen die Effekte der Zinssenkung auf das Verhalten von Europas Geldhäusern bezüglich ihrer Ausleihungen und Einlagen bei der Notenbank. Beim ersten Wochentender der EZB machten die Banken offenbar noch nicht Gebrauch von den nun billigeren Notenbankgeldern: Die Nachfrage verharrte auf dem Niveau der Vorwoche. Auch bei dem zum gestrigen Beginn der neuen Mindestreserveperiode durchgeführten Monatstender agierten die Banken eher zurückhaltend.EZB-Chef Mario Draghi selbst hatte während der Pressekonferenz im Anschluss an die Zinssitzung eingeräumt, dass es “sehr schwer” zu prognostizieren sei, wie sich die Banken diesbezüglich von nun an verhalten werden. Die EZB hatte alle drei Leitzinsen um 25 Basispunkte gesenkt. Der Satz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, der Leitzins der Eurozone, liegt nun bei 0,75 %. Für Übernachtausleihungen aus der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Notenbank müssen die Institute nun 1,5 % bezahlen. Der Zinssatz für die Übernachteinlagen beträgt nur noch null Prozent.Laut den Analysten der Unicredit ist der Geldmarkt auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht, wobei vor allem die Nullverzinsung Fragen aufwirft. Die EZB hofft, dass die Banken dadurch überschüssige Mittel wieder verstärkt untereinander verleihen, anstatt sie bei der Notenbank zu bunkern. Vor allem die Häuser aus den Kernstaaten nutzen die Einlagenfunktion, wohingegen die Institute aus den Peripherieländern verstärkt als Nachfrager der Tender-Operationen auftreten. Hohe ÜberschussliquiditätBeim Wochentender holten die Banken der Eurozone insgesamt 163,7 Mrd. nach 163,6 Mrd. Euro in der Vorwoche. Für die Laufzeit von vier Wochen riefen die Institute 24,4 Mrd. nach 18,9 Mrd. Euro im Vormonat ab. Angesichts der niedrigeren Zinsen wäre eine weit höhere Nachfrage denkbar gewesen. Allerdings beläuft sich die Überschussliquidität im Eurosystem, gemessen an der seit vielen Monaten negativen Benchmarkzuteilung der EZB, auf 599,5 Mrd. Euro. Für ihren wöchentlichen Absorptionstender zur Aufnahme der aus den Anleihekäufen entstandenen Liquidität – eine Art Einlagefazilität mit sieben Tagen Laufzeit – bekommen Banken nur noch 0,02 % nach 0,26 % in der Vorwoche. Dennoch boten die Häuser rund doppelt so viel, als die EZB mit 211,5 Mrd. Euro schließlich aufnahm.Geldmarktanalysten, darunter die Experten der Unicredit und von Barclays, gehen davon aus, dass die Nullverzinsung für Einlagen keine positiven Effekte auf den Interbankenhandel haben wird. Bilanzverkürzungen aufgrund von Regulierungsauflagen sowie die hohe Risikoscheu der Häuser verhinderten eine Belebung des Marktes. Zudem dürfte die Liquidität angesichts der Mini-Zinsen zurückgehen. Dies zeige sich schon am Rückzug etwa von US-Geldmarktfonds aus dem Euroraum. Zwar dürften die Volumina in der Einlagefazilität abschmelzen. Die Banken aber würden trotzdem in der Sicherheit der EZB bleiben, schätzt Barclays. Dafür würden sie – operativ sehr einfach – ihre Mindestreserveguthaben bei der Notenbank übererfüllen, welche dann gleichfalls mit null Prozent verzinst werden. “Die Banken können und werden das Geld auf ihren Konten bei der Notenbank stehen lassen. Weniger Arbeit bei gleichem Risiko”, sagt auch ein langjähriger Marktkenner.Prognostizierbar scheinen indes die Geldmarktsätze. Die verschiedenen Häuser erwarten den Drei-Monats-Euribor bald bei 0,45 % und den Tagesgeldsatz Eonia bei 0,15 %.