Nahostkrieg und Ölmarkt

Brent-Ölpreis steigt kräftig an

Noch ist der neue Nahostkrieg geografisch eng umgrenzt. Er könnte sich allerdings auf andere Staaten ausweiten, unter anderem auf den wichtigen Ölproduzenten Iran. Ein Ausfall der iranischen Förderung oder gar die Sperrung der Straße von Hormus würden den Ölpreis sehr stark ansteigen lassen.

Brent-Ölpreis steigt kräftig an

Brent-Ölpreis steigt kräftig an

Neuer Nahostkrieg könnte die Ölversorgung des Westens gefährden

Noch ist der neue Nahostkrieg geografisch eng umgrenzt. Er könnte sich allerdings auf andere Staaten ausweiten, unter anderem auf den wichtigen Ölproduzenten Iran. Ein Ausfall der iranischen Förderung oder gar die Sperrung der Straße von Hormus würde den Ölpreis sehr stark ansteigen lassen.

ku Frankfurt

Der neue Krieg im Nahen Osten hat deutliche Spuren am globalen Ölmarkt hinterlassen. Der Preis der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude ist am Montag um 3,5% auf 87,53 Dollar je Barrel geklettert. Zwar ist darin auch eine gewisse Normalisierung zu sehen, weil der jüngste Einbruch des Brent-Ölpreises bis auf wenig mehr als 84 Dollar übertrieben war. Gleichwohl gibt es am Ölmarkt nun erhebliche Sorgen, was die globale Ölversorgung betrifft. Derzeit handelt es sich noch um einen Krieg zwischen Palästinensern – und dort auch nur einer Miliz – und Israelis. Befürchtet wird jedoch, dass die Auseinandersetzung auf andere Länder übergreifen und sich zu einem großen regionalen Krieg ausweiten könnte, der dann auch wichtige Ölproduzenten betreffen würde.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht die Gefahr, dass der Krieg als Nächstes auf den Libanon übergreift. So hat es in den vergangenen zwei Tagen bereits Raketenangriffe der schiitischen Miliz Hisbollah auf israelisches Territorium gegeben, allerdings in einem verhältnismäßig geringen Umfang. Am Montagnachmittag gab es dann allerdings noch unbestätigte Meldungen über Scharmützel an der israelisch-libanesischen Grenze. Hisbollah, die im Vergleich zu Hamas als militärisch sehr viel schlagkräftiger gilt, scheint derzeit lediglich anzustreben, durch derartigen Druck umfangreiche israelische Militäreinheiten an der Grenze zu binden, die dann nicht gegen den Gazastreifen eingesetzt werden können. Allerdings hat Hisbollah angekündigt, bei einer Bodenoffensive der israelischen Armee in Gaza in den Krieg eintreten zu wollen. Bislang sind aber sowohl Hisbollah als auch die israelische Armee erkennbar daran interessiert, es nicht zu einem Krieg an dieser Grenze kommen zu lassen.

Wichtigster Waffenlieferant der Hisbollah ist der bedeutende Ölproduzent Iran, und es gibt bereits amerikanische Politiker wie den einflussreichen republikanischen Senator Lindsey Graham, die fordern, die USA sollten wegen der Ereignisse den Iran angreifen. Zudem gibt es einen in den USA viel beachteten Artikel des "Wall Street Journal", gemäß dem die militärische Planung für den Krieg auf Seiten der Hamas weitgehend von Hisbollah und dem Iran übernommen worden sei. Der Artikel hat sich inzwischen allerdings als wenig glaubwürdig erwiesen. Selbst der israelische Armeesprecher Brigadegeneral Danny Hagari erklärte, es gebe keinerlei Hinweise auf eine Involvierung des Iran in den Krieg. Die israelische Militärführung ist offensichtlich daran interessiert, zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen Mehrfrontenkrieg zu vermeiden.

Druck nimmt zu

Allerdings dürfte der Druck auf die Regierungen rund um das unmittelbare Kriegsgebiet stark zunehmen. Dazu trägt bei, dass die Auseinandersetzungen von beiden Kriegsparteien mit äußerster Härte geführt werden. Die USA führen bereits einen Flugzeugträgerverband an die israelische Küste heran, wobei von Beobachtern nicht ausgeschlossen wird, dass die Hisbollah-Miliz über wirkungsvolle iranische Anti-Schiff-Raketen verfügen könnte. Umfangreiche israelische Bombardierungen der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sowie die Unterbrechung der gesamten Versorgung mit Elektrizität, Wasser und Lebensmitteln, die vom israelischen Verteidigungsminister Yoav Galant angekündigt worden ist, könnten in vielen arabischen Staaten zu großem Druck der Bevölkerung auf die Regierungen führen, was dann in einer Regionalisierung des Krieges resultieren könnte.

Was die Ölversorgung betrifft, so geht es einerseits um die iranische Ölproduktion, die durch mögliche amerikanische und israelische Bombardierungen oder durch neue Sanktionen, die diesmal auch Ölkäufer aus Drittstaaten betreffen würden, zumindest zeitweise ausfallen könnte. Gegenwärtig produziert der Iran rund 3,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd). Durch die saudi-arabischen und russischen Förderkürzungen fehlen dem Markt bereits jetzt 2 bis 3 Mill. bpd, was den Ölpreis bereits kurzzeitig bis 98 Dollar getrieben hat. Sollten dann dem Markt rund 5 Mill. bpd oder rund 5% des bisherigen Marktvolumens fehlen, wäre ein Anstieg über die Marke von 100 Dollar wohl unvermeidlich.

Aber es könnte noch schlimmer kommen. Der Iran könnte sich veranlasst sehen, im Falle eines amerikanischen Angriffs die Straße von Hormus zu sperren. Durch diese Meeresenge werden rund 20 Mill. bpd oder ungefähr 20% der weltweiten Ölversorgung transportiert. Und selbst wenn Iran angesichts des deutlich verbesserten Verhältnisses zum Nachbarn Saudi-Arabien diesen Schritt nicht geht, würden es die Versicherungsbedingungen den Reedereien unmöglich machen, ihre Tanker durch ein Kriegsgebiet fahren zu lassen. Ein auch nur kurzzeitiger Ausfall von bis zu 20 Mill. bpd  oder 20% des Angebots würde den Ölpreis über die Marke von 150 Dollar oder vielleicht sogar in Richtung 200 Dollar treiben.

Aber das Ölangebot könnte durch den Krieg auch noch in anderer Weise betroffen sein. So hat wieder das "Wall Street Journal" am Freitag, also vor dem Ausbruch des Kriegs, berichtet, die saudische Führung habe der US-Regierung zugesagt, Anfang nächsten Jahres die zusätzlichen Produktionskürzungen von 1 Mill. bpd langsam zurückzufahren. Zwar vermuten die meisten Beobachter, dass dieser Artikel eher dem Wunschdenken der US-Führung entspricht. Sollten die Angaben aber dennoch die Realität wiedergeben, dürften sie sich nun erledigt haben.

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