TECHNISCHE ANALYSE

Aufwärtsdynamik im Dax schwächt sich ab

Von Christoph Geyer *) Börsen-Zeitung, 16.5.2018 Als Techniker darf man eigentlich keine fundamentalen Gegebenheiten zur Beurteilung heranziehen. Ganz sollte man diese aber nicht beiseiteschieben. Die fundamentalen Ereignisse bestimmen immerhin...

Aufwärtsdynamik im Dax schwächt sich ab

Von Christoph Geyer *) Als Techniker darf man eigentlich keine fundamentalen Gegebenheiten zur Beurteilung heranziehen. Ganz sollte man diese aber nicht beiseiteschieben. Die fundamentalen Ereignisse bestimmen immerhin die Stimmung der Marktteilnehmer, und die gilt es schließlich mit der technischen Analyse zu bewerten und zu erfassen. Früher galt der Spruch, dass politische Börsen kurze Beine haben. Diese Börsenweisheit darf inzwischen sicher nicht mehr uneingeschränkt Verwendung finden. So ist spätestens seit den Handelsdiskussionen mit den USA klar, dass politische Entscheidungen wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftlichen Verhältnisse untereinander haben. Diese können wiederum Auswirkungen auf die Ergebnisse einzelner Unternehmen und damit auf den Gesamtmarkt haben. Die Marktteilnehmer werden dies also nicht nur kurzfristig in ihre Überlegungen einbeziehen. Unbenommen bleibt dabei trotzdem, dass sich die Stimmungslage an der Kursentwicklung ablesen lässt und entsprechende Schlüsse daraus gezogen werden können. Damit kommt die technische Analyse wieder zu ihrem Recht. Der berühmte TropfenDie Stimmung der Marktteilnehmer ändert sich so lange nicht, wie die Nachrichtenlage noch akzeptiert wird und die Mehrheit der Marktteilnehmer keine wesentlichen Auswirkungen für die Marktentwicklung sehen. Manchmal genügt aber auch der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen kann. Meist sind es auf den ersten Blick gar keine überaus weitreichenden Nachrichten, die zu einer solchen Einschätzungsänderung führen. Vielmehr fallen solche Nachrichten auf ein Marktsentiment, welches nur auf einen Anstoß gewartet hat, um sich entsprechend in die Gegenrichtung zu bewegen. So könnte es auch dieses Mal kommen. Die Märkte wissen bereits seit Wochen und Monaten, dass die Lage um die internationalen Handelsbeziehungen nicht zum Besten bestellt ist. Bislang wurden die ständigen Be- oder auch Versprechungen weitgehend ignoriert. Der deutsche Blue-Chip-Index Dax gewann von Ende März bis Anfang Mai weit über 1 000 Punkte, und die Gefahr eines Abgleitens unter die Unterstützungszone um 11 700 Punkte scheint endgültig gebannt zu sein. Bevor wir den Dax näher besprechen, soll noch ein kurzer Blick über den Großen Teich zum S & P 500-Index gestattet sein. Dieser befindet sich nämlich weiterhin in einem übergeordneten Aufwärtstrend, der bereits seit 2009 anhält. Anfang 2016 hat sich ein neuer, etwas steilerer Aufwärtstrend etabliert. Weshalb der S & P 500 an dieser Stelle erwähnt wird, ist recht einfach zu erklären. Der seit dem Jahr 2016 bestehende Aufwärtstrend wurde nämlich zu Beginn dieses Jahres gebrochen und inzwischen nachhaltig nach unten verlassen. Hier besteht zwar noch immer die Chance auf eine Stabilisierung und ein Zurückerobern dieser Trendlinie. Für die Vereinigten Staaten sollte aber bedacht werden, dass die Hausse inzwischen die längste ist, die seit der Jahrhundertwende um 1900 Bestand hat. Folgen für DeutschlandSollte sich also der US-Markt von seinem langfristigen Aufwärtstrend verabschieden und der deutsche Markt weiterlaufen, würde dies bedeuten, dass die Handelsdiskrepanzen mit den USA sich nur negativ auf die US-Wirtschaft und nicht auf die deutsche Wirtschaft ausgewirkt hätten. Da davon kaum auszugehen ist, würde also ein sich abschwächender US-Markt auch entsprechend negative Auswirkungen auf den deutschen Aktienmarkt haben. Sieht man sich die Lage beim Dax nun etwas genauer an, fällt auf, dass der deutsche Leitindex den Bereich des Widerstands bei rund 12 800 bis 12 900 Punkten inzwischen überwunden hat. Dieser Widerstand wurde durch das Scheitern in dieser Zone Mitte 2017 und etwas später das Anerkennen als Unterstützung Ende 2017 gebildet. Die Aufwärtsdynamik hat aber bereits nachgelassen. Damit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Luft für die Marktteilnehmer dünner wird und ein weiterer Anstieg schwieriger wird. Da der technische Analyst nach Signalen sucht, wird er sich einem weiteren Anstieg aber nicht entgegenstellen. In diesem Fall könnte der Markt noch bis in die Region von 13 200 Punkten vordringen. Fehlende MarktbreiteDie Umsätze haben den jüngsten Aufwärtstrend nicht nachvollzogen, was für ein Fehlen der Marktbreite spricht. Es gibt aber noch einen Grund, warum die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Anstieg geringer wird. Berechnet man nämlich das Fibonacci-Retracement vom letzten signifikanten Top zum letzten signifikanten Tief, stellt man fest, dass die wichtige 61,8-Prozent-Marke im aktuell erreichten Bereich liegt. Bei den Indikatoren ist der MACD-Indikator (MACD: Moving Average Convergence/Divergence) zuletzt an seiner Triggerlinie nach oben abgeprallt und hatte damit ein Kaufsignal generiert. Ein solches Abprallen an der Triggerlinie stellt zwar ein gutes Kaufsignal dar, ist aber meist als finales zu betrachten. Inzwischen steht er vor einem Verkaufssignal, welches das Verkaufssignal des Stochastik-Indikators bestätigen würde. Somit stehen die Chancen für ein kurzfristiges Weiterlaufen nach oben insgesamt eher schlecht.—-*) Christoph Geyer ist technischer Analyst bei der Commerzbank.